5.03 Uhr:
[Villa Concordia Bamberg.]
Um Viertel vor fünf auf, obgleich es gestern abermals nach eins war, als ich ins Bett kam; hab mir endlich >>>> “Stadt als Beute” angesehen. Der Anlaß, der eigentliche, war, daß der Vater der Freundin meines Jungen an dem Film mitgewirkt hat. Der Streifen überzeugt in seiner Arbeitshaltung, aber er romantisiert schließlich – ungewollt – sowohl diese Arbeitshaltung als auch eine, sagen wir, Nachfolge des Proletariats: was an Polleschs fast etwas naiver, an Brecht gemahnender Darstellung seiner selbst und auch der Ausbeutungsverhältnisse liegt. Herauskommt dann d o c h eine Art Verklärung, sowohl Berlins wie der (Laien-)Darsteller, bzw. ihrer Lebensverhältnisse; unter der Hand gerät dem Regieteam die Stadt Berlin, deren Härten kritisiert werden, in die Verklärung. Und es stellt sich etwas her, das Brecht überhaupt nicht wollte: Identifikation, die das Ungeheure ausspart (etwa in der ersten Episode um das verschwundene Kind: wieviel Gemütskälte etwa gehört zu einer solchen Mutter, wieviel Dummheit auch; das wird nahezu g a r nicht thematisiert; über alles deckt sich eine Art einverständiger Menschlichkeit). Dennoch, schöner Film. Aber vielleicht eben nur für Berliner.
Muß heute unbedingt die Bewerbung für das Essay-Stipendium ausdrucken und wegschicken; übermorgen läuft die Frist ab. Ebenso der kleine Text, den ich über die Sterbearie der Antonia (Hoffmanns Erzählungen) für die Komische Oper Berlin schreiben soll; und nochmals ebenso ist der kleine theoretische Text über die >>>> Vergana fürs Literaturhaus Köln zu verfassen und wegzusenden; ich werde die Erzählung am 17. Januar dort vortragen, zusammen mit Thomas Meinecke, der ebenfalls eine Erzählung vorlesen wird. Dazu soll eben jeder Autor eine kleine Einlassung schreiben, und über die Einlassungen und die Erzählungen soll dann mit dem Publikum diskutiert werden.
Vorher jedoch will ich die letzten 95 THETIS-Seiten gelesen und vielleicht mit dem Eingangskapitel von BUENOS AIRES begonnen haben. Und um 17 Uhr wollen wir, ein paar wenige Stipendiaten und ich, nach Bad Staffelstein in die Sauna.
Also ich fang jetzt mal an.
8.36 Uhr:
THETIS-Lektüre beendet; fange sofort mit BUENOS AIRES an, um den Übergang zu spüren.
11.52 Uhr:
Den kleinen Text zu Offenbachs Antonia-Arie geschrieben, gleich, nachdem die Essay-Bewerbung auf die Post gebracht war. Die musikalische Spekulation g l i t t nur so unter den Tasten hinweg; ich bin ganz glücklich damit. Vielleicht kommen noch Einwände, das wär okay.
Den BUENOS AIRES-Anfang hab ich auch bereits gelesen und bin ganz verwundert, wie nahtlos der Anschluß funktioniert, ja wie voll plötzlich in der Rückschau das THETIS-Buch wird: Es hat nun genau den Character, den ich mir vorgestellt hatte: den einer mythischen Hintergrundstrahlung, die man spürt, aber nicht genau fassen kann. Ich les aber erst mal nicht weiter, sondern leg mich gleich die Stunde schlafen; danach schreib ich fürs Literaturhaus Köln den Text zur Vergana. Flutscht halt grad alles so.