Es ist seltsam. Jedes Jahr, und da geht es mir offenbar wie Vielen, werde ich zu Weihnachten sentimental. Erinnerungen an Festtage der Kindheit, die oft im Desaster von Tränen endeten. Ich schrieb h i e r schon einmal davon. Für die Feiertage dieses Jahr habe ich mir vorgenommen, unser Sohn ist in Australien, abseits von Verwandtschaft und Feiertagsbraten, allzu tiefe nostalgische Gefühlsseligkeit zu vermeiden. Heute war ich aus diesem Grund wieder einmal in meiner Bibliothek in N., um mir dort Filme auszuleihen. Jim Jarmusch und Andreji Tarkowskij machten das Rennen. Ich hoffe, dass wir sie gemeinsam anschauen werden. Am Eingang der Bücherei stand das Regal in dem sich aussortierte Bücher fanden, die man für einen kleinen Obolus erwerben konnte.
Stefan George. Werke. Ausgabe in 4 Bänden. erstand ich diesmal. 4 Euro legte ich auf den Tisch und konnte mir die Bemerkung dabei nicht verkneifen, dass nach Joseph Conrad nun auch Stefan George unter die Aussätzigen gezählt wird. Es ist ein Jammer… Wir brauchen Platz, sagte die Bibliothekarin, und außerdem liest den keiner mehr. Ich war noch nie ein wirklicher Freund von George und habe in meiner Privatbibliothek auch Platzprobleme, aber in diesem Fall überströmte mich ein Gefühl von Solidarität für den toten George. Er wird seinen Ort bekommen. Ich werde ihn neben Rilke stellen.
die wunderstunde ich forschte blinden sinnes nach der pforte
der alten parks die sich ins dunkel ziehn
und fand sie nicht doch kreiste drüberhin
von dohlen eine drohende cohorte.
da eingebettet lag in halbverdorrte
waldnacht das tor das sich mir nie verliehn
ich trat hindurch dumpf duftete jasmin
und moder lohte auf besonntem orte.
auf einem plane in gerader zahl
saß streng die ausgewählte schar der gäste
ein page reichte stumm das karge mahl:
dann sprach ich meine schweren anapäste
und jeder schwieg und jeder auf dem feste
war von der bürde der gedanken fahl.
(Parodie von Robert Neumann)