Arbeitsjournal. Freitag, der 2. Februar 2007. Bamberg und Tutzing.

8.29 Uhr:
[Villa Concordia Bamberg.]
Durchgeschlafen, den Wecker um halb fünf einfach ausgeschaltet, mir war so. Im Augenblick holpere ich von einem Arbeitssegment zum nächsten, da ist nicht so arg viel Kontinuität. Aber ich werde nachher an die Abschluß-Erstkorrekturen von ARGO EF zur FZ wenigstens noch für ein Stündchen ghen, bevor ich dann um halb drei die Villa verlassen muß, um den Zug nach München und Tutzing zu bekommen. Ich hoffe, daß die Evangelische Akademie einen freien Netzzugang hat, so daß ich Ihnen nicht übers Mobilchen von >>>> dem Symposion berichten muß. Es ist ja interessant, daß dort fast nur über Billers verbotenes Buch gesprochen und vorgetragen wird, nicht aber über das meine, daß aber dennoch i c h eingeladen bin und Biller da gar nicht auftaucht. Das werde ich sicher auch zur Sprache bringen, wobei ich aufpassen will, daß nicht eine persönliche Gegnerschaft unter Autoren laut wird, wo es recht eigentlich um einander ausschließende ästhetische Positionen geht. Im übrigen hatte mich Biller seinerzeit, als mein Buchprozeß losging, angerufen und überaus freundschaftlich Hilfe angeboten, falls ich reden wolle usf. Wiederum das soll nicht verwischen, daß beide Bücher, Esra und meines, von völlig verschiedener Art sind; zu Billers Ästhetik gehört, daß er nicht erfinden w i l l, daß er – Trugschluß jedes Realismus‘, das sei möglich – Wirklichkeit direkt abbilden will; zu meiner gehört, daß ich jeden Wirklichkeits-Partikel in eine ästhetische Wirklichkeit verwandeln will und dazu in ein schließlich geschlossenes Gefüge von Fiktionen einbette. So daß eben nicht mehr genau zu sagen ist, „was war“, „was war n i c h t“. Meine Arbeiten führen eine Konstruktion von Wirklichkeit vor, die auch die Realität – als wahrgenommene! und nicht etwa ontologisch – als eine Konstruktion des Gehirns begreift. Das entbindet nicht von politischer Handlung; dieses Argument gegen den Ästhetizismus ist allzu wohlfeil und letzten Endes dumm; es sagt vielmehr, daß Wirklichkeit, wenn wir sie darstellen, immer eine konstruierte und vermittelte ist, zumal in den Künsten. Etwas zu dokumentieren, wie es ist, würde bedeuten, es zu wiederholen, nämlich konkret. Meine „Neigung zur Echtzeit“, wie >>>> Hermann Wallmann das am Beispiel des >>>> WOLPERTINGERs einmal ausgedrückt hat, zeigt ja, wie sehr es mir darauf ankommt, diese Wirklichkeitspartikel möglichst nah zu beschreiben; aber gerade das driftet schließlich in die komplette Imagination, indem es zeigt, wie unmöglich das Unternehmen eigentlich ist. Genau aus diesem Grund tendieren alle Dokumentationen zur Verkürzung, genau deshalb meinen sie, den Rezipienten auf das „Wesentliche“ fokussieren zu können und entfernen sich dadurch von der Wirklichkeit, indem sie von ihr subtrahierend abstrahieren, sehr viel weiter als irgend ein Werk der von vorherein interpretierenden Kunst.

[Poetologie.]


In Frankreich ist die Titelgeschichte der >>>> NIEDERTRACHT DER MUSIK als „La misère de la musique> in >>>> Rémanences erschienen. Und Prunier schreibt aus Laon:Der Chefredakteur von L’Atelier du Roman (Lakis Prodiguis) drängt mich plötzlich heute: er will den >>>> Gräfenberg-Club in seiner Zeitschrift veröffentlichen… ich habe ihm gesagt, Sie werden wohl nichts dagegen haben. Er meint, es sei die richtige Etappe, um die Novellen (alle ??) bei Flammarion zu verlegen. Er meint, die Novelle sei ‚sehr schön‘…L’atelier du Roman wird nämlich von Flammarion unterstützt (und ebenfalls vom Verlag Boreal in Montreal / Kanada). Wenn Sie einverstanden sind, was ich nicht bezweifle, dann…Wenn das mit meiner französischen Präsenz so weitergeht, werde ich unbedingt mein längst verschollenes Französisch wieder auffrischen müssen. Jedenfalls sind das nun alles gute Aussichten wieder, zumal >>>> VOLLTEXT – wir haben gestern telefoniert – geradezu begeistert von einem möglichen Abdruck der Persischen Fassung ist; es ist in diesem Fall nur noch nicht heraus, unter welchen Vorzeichen man so etwas in Angriff nehmen kann; auch zeitungs- und anzeigetechnisch müssen Fragen geklärt werden. Ich werde aber in dieser Sache aus taktischen Gründen hier erst mal nichts weiter schreiben. Lassen Sie sich dann einfach überraschen.

Gestern bis in die frühe Nacht saß ich wieder mal mit >>>> Zschorsch zusammen; es entwickelt sich da wirklich eine Autoren-Freundschaft, auch wenn er, wie er sagte, „außer dem einen Buch deine Sachen nicht verstehe.“ Er versteht aber auch das Netz nicht und lehnt es eigentlich – emotional – ab. Aber er ist nicht wie der ansonsten, literarisch, große >>>> Eigner und haut wütend drauf, sondern läßt es als etwas ihm Fremdes einfach in Ruhe. Das ist angenehm.

Nebel flößte sich heute morgen über den Fluß.

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