17.40
Die Macht der Worte ist eine eigenartige Macht. Sie entsteht nicht aus der Aneinanderreihung von Inhalten, Worte sind keine Güterwaggons, die auf einem Bahnhof an einem vorüberfahren. Worte sind wie Brunnen, die in der Tiefe miteinander verbunden sind, auch wenn an der Oberfläche dieses Wort das bedeutet, und jenes Wort ein anderes. Wie ja auch alle Vulkane dieser Erde von ein und demselben Magma gespeist werden. Und Hölderlin ist ein Magma, daß die Augen zwar nicht ausbrechen läßt, aber doch weiten mit einem feuchten Schimmer. Keine falsche Rührung, ein empathischer Pathos. Aber vielleicht rühren mich ja doch all die Briefe (ich spreche von der Bremer Ausgabe: Sämtliche Werke, Briefe und Dokumente in zeitlicher Reihenfolge, hg. von D.E. Sattler (ein lohnender Einstieg in ein Werk, das sich so in ein Leben bettet)) an die „liebe Mutter“, die ich nicht habe und vielleicht auch nicht hätte schreiben können. Ja, wahrscheinlich suchte ich diesen Brunnen – gleich einer Pechmarie, als ich den Eingangssatz schrieb.
Gestern abend holte sie den einen der beiden Neffen hierher. Denn die Mutter wird mit dem anderen nach Rom fahren, um eine ästhetisch mißglückte Phimose-Operation korrigieren zu lassen. Heute morgen nahm sie ihn mit zur Schule, von dort aus wollten sie zu meiner Schwägerin nach Rieti fahren. Morgen abend kommen sie wieder. Dieweil werde ich wieder mal einen Führer durch Rom übersetzen bzw. korrigieren, da die Rohübersetzung bereits fertig ist. Draußen unter den Olivenbäumen liegen abgeschnittene Zweige. Hat also Domenico auch dafür noch gesorgt. Gut. Ginge es mir anders, als es mir geht, ich würde Zeit darauf verwenden, sie einzusammeln.