Paul Reichenbachs Montag, der 9. April. Weise, weiße Kuh…

Kam uns früher mal eine Herde Kühe entgegen,
hat mir die Großmutter weise ihre Bedeutung erklärt:
„Ist die erste Kuh weiß und geht sie allein
an der Spitze,
wird uns herrliches Wetter am kommenden Tage
beschert.“ (Andrej Wosnessenski)

Zwei Autos fuhren heute nach M. und retour. Kühe sahen sie keine. Diese saßen, im landläufigen Sinn, dagegen auf Rück- und Beifahrersitze verteilt in Fahrzeugen, deren Federung arg strapaziert wurde. Strapaziert wurden auch meine Nerven. Fahr doch nicht so schnell, oder die Ampel ist rot, waren noch die harmlosesten Bemerkungen. Aber ich will nicht klagen, denn der Tag hatte auch seine schönen Seiten. Bescherte er mir doch, ganz im Dunklen, eine weiße (weise) Kuh, die glänzende Tage prophezeite. Morgen dann, wenn hier ein Teil der Herde verladen die Rückreise angetreten hat, mehr davon. Ein Glück, dass es außer Feiertagen noch Werktage gibt. Selten sehnte ich mich so nach meinem Büro, wie in den vergangenen Stunden. In Ruhe seine Arbeit machen. Nur in dringenden Fällen sprechen müssen. Das ist einfach umwerfend. Stumm sein dürfen. Die weiße Kuh, – ich führte sie nur in den Text ein, um wenigstens etwas Hoffnung schimmern zu lassen,- gibt es nicht, auch weise ist sie nicht zu haben. Hathor ist lange tot. Bewundern kann man sie am Nil oder im Ägyptischen Museum.
Ach wäre ich doch
ihr Siegelring
der Genosse ihrer Finger
dann würde sie mich werthalten
wie man ein Amulett werthält,
wie etwas was die Lebenszeit macht.

Ende des Liedes*

*Lieder, die auf dem Ostrakon Kairo 25218 aufgezeichnet sind.

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