19.27
Schön! Ich habe das Fenster weit geöffnet und den Rolladen hochgezogen, und nun streichelt kühl eine Brise Wind meine freigekrempelten Unterschenkel. Der Monte Soratte nur noch eine Ahnung am dunstigen Horizont. Die Schwalben sieht man weniger, vielleicht kreisen sie ja niedriger wegen des Luftdrucks. Ein schönes Gewitter wäre mir recht. Und neben mir eine Flasche kommunistischen Anti-Mafia-Weins! Denn, wie versprochen, machte ich meinen Spaziergang durch den Coop-Hypermarkt. Und die Flasche fand ich dort für knapp vier Euro. Nachdem ich gelesen, was auf der Flasche stand, war die Entscheidung klar. Der Wein, ein „Catarratto“ – autochthones Gewächs -, stammt aus Sizilien von Böden, die der Mafia enteignet wurden: „dalle terre liberate dalla mafia“ steht auf dem vorderen Etikett. Gewidmet ist der Wein (Etikett auf der Rückseite) Placido Rizzotto, „Gewerkschafter aus Corleone, der sein Leben gab für die Befreiung seiner Heimat von der Unterdrückung der Mafia“!! Und die Straße, in der die Abfüllung erfolgte heißt Via Berlinguer und findet sich in San Cipirello (Prov. Palermo). Wobei ein Heiliger solchen Namens fast in die Rolle eines schlüpft, der die Narrenkappe trägt: Cipirello. Man sieht, ich halte mich an der Flasche fest, um nicht den vielschichtigen Fäden folgen zu müssen, die der Tag heute mit sich brachte. Denn das würde bedeuten, den Psychologen-Faden aufzunehmen (tatsächlich empfand auch er heute unsere „Sitzung“ als Gedankenaustausch, da ich eine Situation durchlebe, die er selbst auch durchlebt hat, und wir somit honorarlos von einander schieden und weiteren und privateren Kontakt uns quasi versprachen), den Faden sich ankündender Besuche (und nicht nur eines), den Faden der – und das wollte ich doch noch sagen – auf dem Stromboli endenden Reise ins Innere der Erde, die ja doch in Hamburg angefangen hatte, die aber nicht meine war, sondern die Reise von ANH, der mich jedoch auf die Reise durch seinen Gesang geschickt hat, und so tauche ich in Andeutungen aus den Fährnissen des Tagebuchs heil und sicher wieder ans noch nicht schwindende Licht des Tages. (Nur die Brise bräuchte etwas Anfeuerung: sie läßt manchmal etwas nach).