Kunst ist Gebet. Unserm Irrtum entäußert, dem herrlichen Irrtum,
epo(v)chalem – ins Dogma erstarrt, | kehrt er sich um,
kehrt ins Entsetzen zurück | kehrt als der Rechtglaube wieder,
Säuglinge tief in der Mast ihrer sprengstoffgesegneten Windeln,
Gänse voll Quetschhafer Unheil, die Buslinie 18* (achtzehn), so bombt der
Glaube sich durch, so verheert sich, barbarischer Rückbau, der Irrtum
selbst, 9/11 (nine-eleven). Drum zweifelt, wer glaubt, der Kultur glaubt, am Glauben,
sagt nicht „Allah“ und „ein Über(v)sinnliches i s t“, aber schaut es
überall an, und bewundert es dennoch, was Irrtümer schufen
(letztlich schuf Physiologie). Notre Dame und das Gotteshaus Maha
Lakshmis, in Bombay die Jama Masjid, | Hō-ryū-ji,
grande messe des morts op. 5 und die Edda, der Saal des Talmuds,
Sphingen und Häuser aus Luft. | Jedes aus Irrtum! My Lai gleich,
Deir Yassin, | des Sudans | ethnisches Schlachtfest der kurzen,
wahlweise längeren Hemdsärmel**, fünfhunderttausende Kinder
dörrn im Irak. | Das kommt aus Irrtum ja auch. | Läßt sich
nicht von den Flüssen, den vier paradiesischen, trennen, vom Blues nicht,
nicht vom Gesang, vom Gedicht nicht, von keiner gelungnen Gouache.
Geist, der so heilige, heilende, meuchelt auch – diese Bewegung
hielt es, das bleibende Tier, in Balance, das bedrohte. Noch atmet’s,
steht noch, wie Gras, wieder auf, | das wir zertraten; es läuft
ganz ohne Absicht dahin wie die Regnitz und trägt uns, es schwemmt uns,
nicht daß wir selbst schwömmen, sondern wir treiben, uns unmerklich, mit –
bis ein Dynamo uns, spaltend scheint’s, abermals selbstschöpft. Und wir,
während’s uns treidelt, wenn’s flautet, und wirbelt, durch Wildwasser zischend,
und bloß noch flößt, hat der Fluß sich besonnen in Nähe der Mündung,
halluzinieren – wie groß ist das! – Freiheit. Dann kommt schon das Meer.
Blau scheint auch dieses zu sein, und das lockt. | Ist aber schwarze,
tiefeste Endlosigkeit, ist Vergessen, Geliebte, vergessen
dich und den Sohn – und ihn lassen. Und nie mehr dir Antworten schreiben,
denken nicht, fühlen nicht, länger der Regnitz nicht zusehen, C.,
wie sie uns trägt, C., uns alle und f ü r alle Flüsse… ach stocken!
hochsehen, ach! | Schau nur, die Sonne erhebt sich… sie schwemmt uns,
e i n e s sind alle, zur Kante der Meere. Sie geht drüber auf,
dreht uns darunter… es stürzt… | Bamberg, mein Studio, die Scheiben
stürzen, der Kies stürzt, die Tische, die Bänke, die Brüstung, der Garten.
Noch holn wir Luft an der Mündung, wie eingeholt Fische auf Trocknem
schnappen, um Atem – da schwemmt’s uns bereits in die See.
**) Delinquenten durften wählen, ob man ihnen vom Arm die Hand direkt
oberhalb der Handwurzel oder weiter höher abschlug. „short arms or
long arms?“ war die Standardfrage.]