Arbeitsjournal. Mittwoch, der 15. August 2007. Auf Usedom.

5.02 Uhr:
[Hotel Waldschloß, Koserow, Aufenthaltsraum.]
Wind geht, der in dem alten Haus als Zugluft an den Türen rüttelt. Ich habe die (neue) Glastür zum Balkon geöffnet und höre das Rauschen in den Bäumen. „Golli“ fällt mir ein, dieser im Lauschen auf den Wind so magische erste Roman >>>> Eigners, völlig vergessen, scheint’s; besorgen Sie ihn sich, unbedingt. (Amazon führt das Buch, sah ich eben, nicht mehr; aber man bekommt es sicherlich über die ZVAB.) Was mich auf >>>> das bringt, wozu ich gleich endlich etwas schreiben werde. Dann geht’s an die Elfte ff., die mich gestern früh immerhin die rhythmische Hürde nehmen ließ, die sich da aufgetan und den Fortschritt des Gedichtes gehemmt hatte („die/die“-Konstruktion, n i c h t so schön, ich weiß). Im übrigen mache ich wirklich Urlaub, sowie die Familie wach ist; liege und sitze am Strand, schwimme, kümmre mich um die Babies mit, hab dem, ja, das muß man jetzt ja schreiben, „Großen“ einen Drachen gekauft, der ganz wunderbar in den Spätnachmittag aufstieg… lese nicht mal, dämmre und sinne nur vor mich hin. Für heute ist Regen angesagt, gestern abend war davon, also von Regen, noch nichts zu merken, nur die Schwärme hochaggressiver, sehr kleiner, sehr schneller Schnaken schienen eine Ahnung davon zu haben, es würde ihnen heute schwer, Opfer zu finden; so „horteten“ sie… es war ein gutes, aber insofern Abwehr-Essen am Abend, vergeblich die Abwehr, gut das Essen. Immerhin bleiben keine Spuren, das Gejucke hört nach einer Stunde völlig auf, ich hab auch keinerlei Spuren dieser vielen Stiche mehr. Mein Junge, der immer sehr schnell neue Freunde findet (was mich, der ich als Junge so sehr anders war) sehr beglückt, klärte die Freunde wichtig auf: „Wißt Ihr, daß uns nur immer die Weibchen stechen?“
Heiter war, daß nun schon zum zweiten Mal nach meiner Kündigung des Auftrags freenet angerufen hat; ich hatte freilich, als ich auf die Kündigung zu sprechen kam, den Eindruck, die junge Dame im Callcenter habe kein vollständiges Hintergrundwissen; doch mein ehemaliges Verkäuferherz schlug hoch, als sie meinen Einwand sehr elegant und eloquent überspielte: „Wir wollten Ihnen, unabhängig von dieser Kündigung, einen Vorschlag machen.“ Dennoch war sie froh, die Angelegenheit auf nächste Woche verschieben zu können… nein, nicht, weil sie verlegen gewesen wäre, sondern, merkte ich, weil sie sich kundig m a c h e n wollte, bevor sie in der Angebots- und Acquise-Routine weitermachte. Dieses Hinausspringen-Können aus der Routine schätze ich und war also offen. „Wissen Sie, es kommt mir ja nicht auf die Kündigung an und nicht darauf, jetzt nichts mehr mit Ihrem Unternehmen zu tun haben zu wollen – was ich w i l l, ist nichts anderes, als daß der Anschluß funktioniert.“ Nun bin ich gespannt, was sich freenet (als Rechtsnachfolgerin meines Strato-Vertrages) einfallen lassen wird.

Ich hab gefriegetrockneten Kaffee besorgt, den Wassererhitzer hier aufgestellt, mir gestern abend noch den Arbeitsplatz für morgens richtiggehend eingerichtet; an zwei Schals gedacht, die ich mir jetzt über den Kopf legte, der übliche, gewohnte Abschluß gegens Außen… was in der Prosa oft Funktion der Musik war, ist nun auf die Schals übergegangen, da mir für die Versarbeit Musik doch versagt ist. Um zu rauchen, trete ich in diesem Nichtraucherhotel von Zeit zu Zeit auf den Balkon und schau in die Gartenanlage hinunter. 1905 ist das Gebäude errichtet und der Garten angelegt worden und von der jungen DDR „unrechtmäßig“, wie der häusliche Bericht dazu schreibt, enteignet worden. Wieder wird mir die Relativität aller Rechtsregelungen deutlich; „unrechtmäßig“ ist ja ganz falsch, da die Enteignung entsprechend der DDR-Rechtssprechung vorgenommen worden ist, die sich ebenso auf die normativen Rechtsgrundlagen der DDR bezog, wie demgegenüber das BGB auf die der BRD. Eine Enteignung kann also Unrecht gewesen sein, nicht aber unrechtmäßig – wobei sich, o b es Unrecht war, letztlich auf das Rechtssystem des Nachfolgestaates bezieht – dann wären Recht und Unrecht reine Bestimmungen von Macht; oder aber auf ein überstaatliches Recht, das Naturcharacter haben müßte und bei dessen Bestimmung man letztlich, ganz wie Kant es sah, tatsächlich nicht um die Proklamation eines Gottes herumkommt. Wer sich auf von anderen Völkergemeinschaften aufgestellte Rechtsprinzipien, etwa auf das Menschenrecht, nicht verpflichtet hat, kann nicht gegen sie verstoßen – es sei denn, diese Rechtsprinzipien wären übergeordnet gültige und eben nicht von bestimmten Völkergemeinschaften bloß definiert.

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