B.L.’s 13.9. (II) – wir®

20.11
Gelegentlich nach Rom zu fahren, gefällt mir deshalb, weil ich es immer wiedererkenne. Eine alte Bekannte, die sich selber treu geblieben ist. Die Mädchen, die Frauen, die Gesichter, die Ausdrucksweisen, der Najaden-Brunnen, den man schon vom Bahnhofsvorplatz sehen kann, die Straßenfluchten. Heute bei McDonalds im Bahnhof Termini (meistens esse ich dann dort das immergleiche) sah ich ein Caravaggio-Gesicht:

Jetzt erst empfinde ich es so. Solange ich dort lebte, war’s manchmal nicht zu ertragen bei all der Zeit, die bei jeder Fortbewegung mit dem Auto oder mit dem Bus oder beim Schlangestehen auf der Post, auf der Bank, bei Ämtern sowieso verlorenging. Die überbrückbare Ferne macht’s. Aber selbst die unüberbrückbaren Fernen hatten stets ihren Reiz. Je weiter entfernt, desto reizvoller die Briefwechsel in der Vergangenheit (maximale Distanz: Berlin-Hawaii). Scheinbar brauche ich diese Distanz. Und der/die Andere muß ebenfalls zu einer solchen Distanz bereit sein. Die Nähe nicht ausschließt, aber eben keine dauerhafte. Die dauerhafte Nähe wird um so beängstigender, je weniger man sich selbst als beziehungslos begriffen hat. Erst dann läßt sich Nähe aushalten. Bedarf aber einer ebensolchen Beziehungslosigkeit auf der anderen Seite. Also: Du sollst nicht Besitz von mir ergreifen. Wenn schon, dann ergreift ein Gefühl von mir Besitz, dessen Gegenstand du bist, den ich aus seiner Gegenständlichkeit herausholen will, um ihn in dieselbe Gegenbewegung zu bringen, so daß ein Mit entsteht, daß im Ohne dennoch bei sich zu bleiben weiß, ohne gleich leerzulaufen. Und weil das Ohne ein implizites Mit und das Mit ein implizites Ohne, gehören immer zwei dazu. Also klingt mir jetzt in meinen Ohren ihr „Wir“ nach, wenn sie „Ich“ meinte, und mir mein „Ich“ vorwarf, daß kein „Wir“ implizierte. Also sowas wie Mengenlehre. Ich-Wir versus Ich-Ich, statt Ich -> Wir <- Ich.

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