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„Ich spare mir alles Mitleid und wünsche dir vielmehr, dass dir das Leben einmal die Daumenschrauben anlegte, um aus dir herauszupressen, was in dir ist – dass es dich dem peinlichen Examen unterziehe, in dem Geschwätz und faule Witze nichts mehr helfen. Das Leben sei eine Maskerade, sagst du; und du spielst auf der Maskerade des Lebens, zu deinem unendlichen Spaß, deine Rolle mit einer solchen Virtuosität, dass es noch niemand geglückt ist, dich zu entlarven; offenbarst du dich, so ist das nur ein neuer Betrug.“ Sören Kierkegaard
>>>Es ist wieder einmal soweit. Das alljährliche Kumpeltreffen. Und diesmal so weit. Ich suchte mir gerade die Route aus. Über 360 km sind zu fahren. Wir treffen uns, nahe Klingenthal/Vogtland, im Landgasthof Zwota. Ich bin nicht wirklich gespannt auf das Wochenende, wäre lieber daheim an meinem PC, der darauf lauert wie die Erzählung über die >>>„litauische Krankheit“ sich weiter entwickelt.
Aber alte Freundschaften fordern halt ihr Recht. Ich hoffe nur, dass gutes Wetter sein wird, damit man die 3 Tage nicht nur in der Kneipe sitzen muss. >>>Der Arzt, von dem ich einmal schrieb, und dessen/unsre Geschichte auch noch aufgeschrieben gehört, wird auch da sein. Und das wiederum lässt mich den Verlust der freien Zeit einigermaßen ertragen. Oft fühle ich mich gehetzt, nicht von anderen, sondern von mir selbst. Es ist gibt so viel zu erzählen und eine Unmenge Puzzle sind noch zusammenzusetzen. Die Zeit rennt davon. Bilder und Worte, ich lebe wie im Kino und kann das Ende des Filmes kaum erwarten, drängen sich in meine Tage und Nächte, die sich in Texte verwandeln wollen. Nun gut, trotz selbstverschuldeter Hetze werde ich das Wochenende zu genießen versuchen. Auch wenn die nächsten 3 Tage Schreibsucht, die schöne Flucht in die Worte, nicht ausgelebt werden kann.
Der Satz, den man niederschreibt, ist ein Flüchtling, der seine Freiheit auf dem Papier sucht. Dort hockt er dann und sucht sich die Partner, die zu ihm passen. Sein Fluchthelfer heißt Angst. Und es entstehen ganz neue, andere Geschichten, die lebendiger und dichter als das Leben, dem die Worte entflohen, selbst gewesen ist. Und solcher Art Texte erscheinen Lesern als wahre Geschichten, wie sie nur die Wirklichkeit selbst schreiben kann. Merkwürdig.
Kunst schwingt sich auf diese Weise zum Korrektor einer Realität auf, die in fixen oder mobile pictures, in Texten zur Schattenexistenz verdammt ist. Und wenn das Wirkliche nur ein Schatten ist, eine Erfindung des Lichts, sind dann die Künste Schattendisziplinen seiner Schattenexistenz? Und schaffen sie vielleicht eine „Realität“, die das diffuse Licht einer vermeintlichen Objektivität ignoriert, um artifiziell Gestalten und Dinge abzubilden und zu Gehör zu bringen, die uns weg vom Eigenen hin zum Fremden führt? Damit wir im Fremden unser Eigenes, das in selbstgemauerten Verliesen in Ketten an Wände geschmiedet ist, gespiegelt sehen können. Das Eigene wirft seine Schatten ins Fremde. Und umgekehrt.
Was ist das Eigene und was ist das Fremde?
Selbsthass, Xenophobie und Kunstfeindschaft, diese dunklen Drei, schlendern Hand in Hand, Schulter an Schulter, sobald Fremdes im Eigenen getroffen und Eigenes vom Fremden betroffen wird, durch die Ganglien mancher Hirne.