Was bleibt von mir – relicta circunstantia, nachdem die vielen Beiträge zu ein paar Eintragungen schrumpfen? Während er diese Zeilen schreibt, bohrt Paul sich mit der Spitze seines Kugelschreibers das Betriebsfett aus den Ohren, die er dann sorgfältig mit einem Taschentuch reinigt. Ich werde weiterhin schreiben. Ich werde weiterhin, wie einer meiner unversöhnlichen Richter sagte, das Mimikry von Literatur erzeugen, das in den auf den Hüften hängenden Bluejeans oder in türkischen Pluderhosen einer halb romanhaften Handlung untergeht. Oft hörte ich den Vorwurf, dass ich die Literatur gerade da, wo ich ihr scheinbar den meisten Raum gewähre, aufs gröblichste und schmählichste verfälsche! Doch was kümmert’s mich –zumal erfahrungsgemäß die Klickzahl meiner Fabrikate durch böswillige Rezensenten eher gefördert als beeinträchtigt wurde.
Was das Publikum von den Mysterien der Tagebucheintragungen zu ahnen glaubt, das will es bei mir und anderen Beiträgern finden. Natürlich haben alle Beiträge nichts mit wirklicher Literatur gemein, ( oder vielleicht doch??) sind doch die Autorinnen und Autoren virtuelle Kunstprodukte, die eine erhebliche Intelligenz und Fälscherkunst voraus setzen und schwerste Opfer fordern. Ist es heute nicht einfacher Geldscheine auf einem Farbkopierer zu vervielfachen, statt sie wie früher, in einem mühsam eingerichteten, vor dem Zugriff der Häscher sorgsam versteckten Atelier zu produzieren? Und Paul sitzt als er diese Gedanken notiert in einem solchen Atelier und ein Farbkopierer ist ihm fremd. Was aber niemand weiß und wissen kann, das ist, dass die Fälschung von Literatur auf eine Parodie der Literatur hinausläuft. Niemand ahnt, schreibt Paul dann weiter, was für ein beglückender Vorgang dies für mich ist. Mundus vult decipi. Die reale und virtuelle Welt will getäuscht sein. Um aber zu täuschen, muss man diese Welten selbst in sich haben. Das kostet Mühe und Schweiß.
Quelle: >>>montgelas Hinweis im Postscriptum, stark von mir collagiert:
Werner Krauss „ Der Fälscher“ . Herausgegeben von Ruth-Eva-Schultze-Seitz, Tübingen 1984.