Die Bildsprache des Phantastischen ist die Bildsprache des Unbewußten. Dessen Sprache wiederum, wird sie laut, ist pervers, da sich in vielen seiner Ghats das Abgewehrte versammelt: solche Wasserstellen sind vergiftete Speicher; man schließt sie wohlweislich ab. Dichtung aber bohrt sie an. In ihr steigt das vergiftete Wasser auf, und fände sie nicht einen Weg, es zu klären und trinkbar zu machen, wäre das katastrophal. Dieser Weg oder besser Filter ist die Perversion. Sie läßt uns, was wirklich Angst macht und objektiv schaden kann – deshalb i s t ja verdrängt worden -, als Lust erleben. Dichtung dreht die Traumata um: pervertere, „umstürzen“, „völlig umwerfen“.
Perversion ist als solche, und zwar selbst in ihrem ausschließlichen, bisweilen sogar tödlichen Extrem, eine Form der psychischen Gegenwehr, sei es tatsächlicher, direkter Bedrohungen, sei es vor Zeiten erlebter, doch latent weiterwirkender, dauerhaft schmerzender Traumatisierungen. Perversion stopft aber nicht weg, sondern trägt aus; insofern ist sie Bearbeitung. Ihre nicht verhärtete, dennoch, so glaube ich, den Eskalationsgesetzten von Kriegen ähnelnde Dynamik soll und, glaube ich, kann das Unheil – um dieses Wort einmal richtig zu verwenden – bannen, nämlich: in feierlicher Rede verbieten. Perversion, so gesehen, ist ein Akt der Beschwörung entweder durch das Wort oder durch ein deshalb meist ritualisiertes Handeln. Der Schmerz, den sie zufügt oder zufügen läßt, setzt der äußeren Gewalt, auf die sich anders kein Einfluß mehr nehmen zu lassen scheint, eine innere, gleichsam autonome entgegen. Das hat etwas von dem Moskowiter, der sein eigenes Haus in Brand steckt, bevor die napoleonischen Soldaten das können. Perversion in diesem Sinn ist eine Umdrehung, die den Verlust in Sieg verkehrt. Kein realer Eroberer kann sich dessen erwehren; die auf ihn ausgeübte symbolische Gewalt hat mindestens den Druck der nicht-symbolischen, die er selbst auf den Feind warf und wirft. Er kann nun seine Greueltaten nur noch übersteigern. Das kennen wir aus Kriegen gut, – auch aus den soeben wieder, im Zeichen von Christentum, Islam und Anti-Terror, geführten.
sie reden von „beschwörung“ und „ritualisiertem handeln“ –
perversion, das ist, denke ich, auch eine art transzendierung des im fiktiven vorgestellten wirklichen, ein hinüberleiten, in diesem sinne ein verweis an so etwas wie gottes reglementur. das perverse dreht sich heraus, hervor aus der verbannung in der literatur als dem gebanntem und wird dadurch „genießbar“, d.h. es wird überhaupt erst fasslich in der ebene der verdrängungen. das hervorgedrehte ist relikt und die „lust“ am perversen ist weniger unmittelbar animalisch (oder auch) als vermittelt lust am unheiligsten als dem heiligsten, das selbstredend an die urkräfte des nichtidentischen zurückrührt… – so gesehen, ist perversion in der literatur etwas sehr gesundes. für den menschen und die literatur. weil literatur, wenn sie wahr, gut, schön sein soll, sich historisch aus sich selbst hervordrehen muss, sich selbst gebären und sie verlöre ihren wahrheitsanspruch, würde sie aufhören, zu drehen.
@sirenomele. Das ist eine wunderbare Ergänzung und/oder Erläuterung. Es liegt sehr auf den (wahrscheinlich aber nicht stetigen) Linien, die ich vor Augen habe. Ihr „(oder auch)“ ebenfalls; spontan möchte ich dazu bemerken, daß im Fall des Perversen Animalisches und Geistiges wieder zusammengeführt werden könnten; es geht da – in den gelungenen Momenten – ineins. Nur führt diese Diskussion, hier im Vorfeld meiner Zweiten Vorlesung, eventuell erst einmal zu weit weg. Ich möchte Ihren Gedanken dennoch gern irgendwie mit hineinbauen, sofern Sie mir das erlauben; in jedem Fall werde ich den Text, den ich am Donnerstag zeitgleich mit der „realen“ Vorlesung wieder in Der Dschungel bereitstellen werde, an der entsprechenden Stelle auf Ihren Kommentar verlinken.
Es wird in der Vorlesung ohnedies einige Zitate aus Literarischen Werken (nicht den meinen) geben, die sich für mich jetzt wie eine Illustration dieses Ihres Gedankens lesen.