Arbeitsjournal. Sonnabend, der 5. Juli 2008.

5.23 Uhr:
[Arbeitswohnung. Händel, Theseus.]
Bis kurz nach ein Uhr nachts >>>> „Die Fremde in dir“ angesehen, auf DVD; guter Spannungsaufbau, später aber, heute morgen, ist das eigentlich alles leer, von ein paar Gesichtern abgesehen, die einem von den beiden Hauptdarstellern im Kopf bleiben; die „Frage“ nach der Selbstjustiz, die kurz in den Radio-Einspielungen von Hörerkommentaren angerissen wird, bleibt umschifft. Es ist imgrunde die gleiche wie die nach Legitimität von Folter, wie das in den letzten Monaten immer mal wieder hochgekocht ist. Ich habe hier schon lange eine angefangene Betrachtung als Halbdatei liegen, worin ich darauf eingehen wollte, namentlich auf die Einlassung Juli Zehs dazu; aber es drängt sich immer wieder etwas anderes dazwischen, und sei es meine melancholisch-momentane Un-Lust.
In der Videothek folgender, sehr typischer, wie ich finde, Dialogfetzen zwischen zwei jungen Frauen: „Wie? D a s willst du ausleihen? N e e-nich! Das is doch’n deutscher Film… furchtbar.“ Soviel mal wieder zur Akzeptanz der eigenen Kultur, die in Deutschland nie eine Heimat „im Volk“ hatte – was schon deshalb logisch ist, weil es sich bei „den Deutschen“ eben nie um ein Volk gehandelt hat, allenfalls um Völker, wenn nicht sogar nur um „Stämme“, also auch ethnisch um eine Streusandbüchse; der ganze Begriff Deutschland ist, wenn berechtigt verwendet, nie anders als einer von Kultur gewesen, und da eben völker- und nationübergreifend; indem man dieses Völker- und Nationübergreifende zu einer Nation zusammenzurrte, ohne daß man sich zugleich kulturell identifizierte, begann die Katastrophe, an deren Höhepunkt man die eigene Kultur auch gleich öffentlich verbrannt hat. In Deutschland konnte der Antisemitismus derart furchtbare Formen annehmen, weil es eben keine Identität der Bevölkerung mit ihrer Kultur gegeben hat, zu der das nicht selten kunstgeniale jüdische Element geradezu unabdingbar gehörte und weitergehört. Und eine solche Identität gibt es weiterhin nicht; in die Leerstelle eines europäischen Kulturbewußtseins, was dahin nämlich gehörte, ist die Identifizierung mit der Hollywood-Kultur US-Amerikas geflossen; selbst wo diese kritisch gesehen wird, wird sie noch affirmiert. Ich selber bin davon, vor allem beim Film, durchaus nicht frei.

(5.59 Uhr:
Hab gerade angefangen, hier auch etwas zu >>> Rainald Goetzens KLAGE zu schreiben, das aber jetzt – weil es sich unvermutet theoretisch erweitert hat – aus dem Arbeitsjournal wieder herausgenommen, um es nachher zu einem weiteren Segment der >>>> Kleinen Theorie des Literarischen Bloggens auszuformulieren. Anlaß war >>>> findeiss’ Vorschlag zur deutschen Übersetzung von Pounds berühmtem Métro-Gedicht.)

Ich will heute morgen die Gedichte von DER ENGEL ORDNUNGEN weiter durchsehen, nachdem der Yeşim-Entwurf >>>> fertiggeworden ist. Vielleicht treffe ich nächste Woche vor oder nach Heidelberg >>>> Dielmann für ein erstes Lektorat. Nebenbei, jetzt, werde ich das nächste noch unbearbeitete DAT-Band auf Datei spielen, zum Beispiel die Mitschnitte >>>> der Spanienkonzerte.

[Juliane Klein, „und folge mir nach“.]

Außerdem möchte ich wieder an die BAMBERGER ELEGIEN gehen. Mal sehn, wie sich der Tag entwickelt; es ist auch privat ein wenig was zu erledigen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .