Arbeitsjournal. Montag, der 21. Juli 2008.

6 Uhr:
[Arbeitswohnung. Händel, Messias.]
Führe das Journal heute spät, bin aber schon sei halb fünf auf. Die Arbeitshaltung ist nach wie vor dekonzentriert, ich finde in die Texte nicht richtig hinein, immer nur zeilenweise; stattdessen zieht und zieht es mich ans Cello; momentan übe ich entschieden mehr, als ich tatsächlich arbeite. Immerhin, als *** gestern abend von einem Spaziergang mit dem Jungen zurückkam (die Babies schliefen schon), sagte sie erstaunt und ein wenig erleichtert: „Das klingt ja jetzt plötzlich richtig schön!“ Ich: „Man muß einfach irre viel üben, bis man überhaupt erst mal etwas erreicht, das sich ein Ton auch nennen läßt.“ Das geht bis an die Ermüdungserscheinungen in den Fingern: plötzlich funktionieren Läufe nicht mehr, die man noch morgens mit Leichtigkeit hinbekam, alles verheddert sich, vor allem, wenn man nachdenkt, was da jetzt falschläuft. Dann hilft immer nur: mit halber oder gar nur Viertel-Geschwindigkeit neu üben. Neu ist, daß ich keine Schmerzen mehr wegen der Fingerstellung links habe: Daumen unter den zweiten Finger am Griffbrett halten; das war anfangs schwer. Dafür motzt jetzt bisweilen der linke Ellbogen. Wiederum dafür gibt es keine Starreschmerzen mehr in der rechten Hand beim Halten des Bogens. Das wird.
BAMBERGER ELEGIEN, immer wieder. Ob >>>> man mich nun „reaktionär“ nennt oder nicht. Aber auch hier ist der Ton immer noch nicht richtig, gelingt immer nur stellenweise.

12.37 Uhr:
Es wäre ein Wunder gewesen, hätte es nun nicht auch hier Beschwerden meines Übens wegen gegeben. Eben, um halb zwölf, klopft es heftig an der Tür. Ich öffne. „Endlich!“ sagt die junge Dame, die ziemlich vermummt ist, weil es draußen ziemlich kühl ist. „Endlich! N e u n mal mußte ich klopfen!“ „Ja und?“ „Wir wollen uns beschweren, es gibt mehrere Parteien, die sich gestört fühlen. Wir wohnen alle im Hinterhaus.“ Ich hielte mich an die erlaubten Zeiten, sage ich. „Nein, Sie fangen schon um halb sieben an.“ „Das ist nicht wahr. Nie vor acht, meistens um halb neun. Und über Mittag halte ich Ruhe, und abends bin ich meistens gar nicht hier.“ „Aber wir fühlen uns gestört.“ „Okay, hilft es, wenn ich das Fenster schließe? Und versprochen: Ich fange immer erst um halb neun an.“ – Das war ihr nicht recht, sie wollte wohl, daß ich möglichst gar nicht mehr spiele.
Jedenfalls werde ich jetzt die Zeit meines Mittagsschlafes von 12 auf 13 Uhr verlegen, dann komm ich erst gar nicht auf die Idee, vor 15 Uhr weiterzuüben.

15.13 Uhr:
[Händel, Tolomeo.]
Kaum legte ich mich schlafen, rief meine Junge zweimal an, weil er eine Telefonnummer brauchte; dann rief „meine“ Redakteurin vom WDR an, der ich einen langen Brief geschrieben hatte; sie hatte zuvor am Telefon geklagt, daß die >>>> Fritz-Produktion so teuer gewesen sei; allerdings werde sie das – bei dem Ergebnis – zu vertreten wissen. Dennoch gingen mir einige Sätze lange nach, so daß ich eben diesen Brief schrieb, auch mit zwei Vorschlägen. Jedenfalls sieht es für literarische Features, die zudem Kunstcharakter haben oder haben wollen, finster aus beim Sender. Dennoch möchte sie unbedingt mit mir weiterarbeiten, und wir versuchen jetzt, etwas auszukungeln, das einem Kompromiß gleichkommt, vor allem für die ausgesprochen schlecht bezahlte Nachtstrecke, die besonders jungen Autoren gilt: Interview, Lesung, das alles aufgemischt mit lockrer Musik und so. Meine Idee: Nehmen Sie junge Lyriker, da kann man dann auch künstlerisch einiges darumbauen. Und: Ich würde die Produktion bei mir machen, nur für den oder die Sprecher brauchte ich ein Studio. Wir sprachen fast eine dreiviertel Stunde, ich immer noch entkleidet im Bett. Jetzt soll ich ein paar Vorschläge machen. Auch meine Stromboli-Idee würde sie gerne umsetzen, könnte sie aber nicht angemessen honorieren. Ich werd es gleich noch mal im Studio für Akustische Kunst versuchen; meine Redakteurin will mir Seitenhilfe leisten. Es ist also nicht überall landunter, auch wenn sich der Betrieb wegen >>>> MEERE nach wie vor nicht nur ziert, sondern das Buch zu ignorieren scheint.
Und einen nächsten Rezensionsauftrag habe ich angenommen. Gemessen an den Zeitaufwänden bringt das nicht viel, aber ich m u ß im Augenblick nehmen, was kommt.

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