Arbeitsjournal. Dienstag, der 2. September 2008.

5.23 Uhr:
[Arbeitswohnung. Mahler, Lied von der Erde, Bour (Cass.-„Projekt“ – CP -, Nr. 16).]
Meine Güte, schon wieder September… wieder bereits neun Monate eines neuen, gerade neu gewordenen Jahres >>>> vorüber. „Du aber, Mensch, wie lang lebst denn d u?“ Bethge, Mahler. Mit allerdings Kodálys Violin/Cello-Duo im Ohr (CP Nr. 15) nachts von der Bar, wo ich den Profi traf – er: Water Melon Man, ich: Pisco Sour -, durch die Nacht zurück ans Terrarium geradelt, wo ich bereits wieder um 23 Uhr war, wo alles bereits tief schlief, aber der Fernseher lief ins Leere, so daß ich beide, sie und ihn, abstellte, mir dann aus dem Kühlschrank den restlichen Federweißen holte, der vom Abendbrot übriggeblieben war, und wo ich dann bis Mitternacht noch im >>>> Dauthendey weiterlas; es sind jetzt nur noch wenig Seiten; vieles von ihm ist übrigens übers >>>> Projekt Gutenberg zugänglich gemacht; ich hatte, und pflege ihn gerade, den Einfall, über Dauthendey ein Hörstück zu schreiben; der Mann war so viel unterwegs, da läßt sich bestimmt einiges sehr schön fürs Ohr kulinarisieren, und Bildkraft hat seine Prosa allemal. So legt man aber nicht nur Form-, nein auch Raumklammern, Raumerlebnisklammern: vermittels Musik. Denn mit Kodálys Cello/Geigen-Duo im Ohr brach ich auch heute morgen Vom Terrarium zur Arbeitswohnung auf. So daß die nächtliche Lektüre und meine Nachtruhe wie eine Pause zwischen zwei musikalischen Sätzen gewesen sind.
Im übrigen kultiviere ich gerade des Gefühl des Bildenden Künstlers, der, wenn er etwas verkauft, immer Originale verkaufen muß, so daß er von sich weggibt, für sich nichts zurückbehält vom Verkauften; das ist für einen Schriftsteller eine ungewohnte Erfahrung. Nämlich kam gestern wieder eine >>>> AEOLIA hier an (eigentlich war sie schon am Freitag angekommen, aber im Laden abgegeben worden, der übers Wochenende geschlossen hat); mein zweites Exemplar nach demjenigen, das ich DB zum Siebzigsten weitergeschenkt habe; nunmehr ist’s aber so, daß ich meine Miete mal wieder nicht zahlen kann, aber ja schon Bestellungen für fünfsechs AEOLIAs mit Autographen vorliegen, so daß ich gleich in das Buch hineinschrieb, auch -malte, dann die Widmung schrieb, das Buch wieder verpackte und – ich gehe da nach Eingangsdatum vor – wieder wegschickte; mit einem Brief, in dem unter anderem die Kontonummer meines Vermieters steht. Man könnte sagen: ‘schluckenden Herzens’ gab ich die Sendung zur Post; nun habe ich wieder keine AEOLIA hier, und ich hab ja keine Ahnung, wann mir der Editor meine Belegexemplare schicken wird (und auch: wieviele, auch das ist ja wieder strittig). Immerhin kann ich jetzt wegen der Septembermiete ruhig sein. „Du bräuchtest dringend einen Verlag, der dir mal wieder 20000 Euro Vorschuß für ein Buch zahlt“, sagte der Profi, vom Cocktail aufsehend; „das ist vorbei“, sagte ich, „verbrannte Erde… aber nein! kein Grund, etwas zu bedauern. Was ich und wie ich’s tat, tat ich zu recht.“
Guten Morgen.

8.51 Uhr:
[P.P.Bach: >>>> Der zufriedengestellte Autobus (Radiomitschnitt vom 20.1.1983, Cass.-„Projekt“ Nr. 17).]Bis eben gelesen, >>>> „Raubmenschen“ ausgelesen; ein tief überzeugendes, manchmal etwas betuliches Buch, was der Zeitmoral geschuldet ist und worüber es sich bei all den meisterhaften Schilderungen gut hinweglesen läßt, auch bei der letztlich dann eben doch zugelassenen Fähigkeit, obsessiv zu leben/lieben. Ich bin wirklich beeindruckt.
Jetzt wird – zu dieser hübschen Bach-Paraodie – gefrühstückt, danach geht es ans Cello. Ich hab aber auch schon wichtige Korrespondenz erledigt.

17.15 Uhr:
[Schreker, Kammersinfonie (Cass.-„Projekt“ Nr. 18).]
Nicht gearbeitet, sondern den gesamten Arbeitsraum auf Vordermann gebracht, inkl. Schreibtisch; es sieht jetzt wie geleckt aus hier… na gut, aufgewischt müßte werden, und die Küche ist nach wie vor eine Abstellkammer. Jedenfalls werde ich heute abend, wenn mein Junge zu Bett gebracht ist, wieder hierher fahren und erst einmal die ungeöffnete Post von anderthalb Monaten öffnen, um mich dem nächsten Chaos zu stellen. Bevor es mit dem nächsten Arbeitsgang losgeht.
In einer halben Stunde brech ich von hier ans Terrarrium auf. – Dauthendey klingt sehr nach.

22.19 Uhr:
[Ernst Helmut Flammer, 4. Streichquartett (Cass.-„Projekt“ Nr. 23).]Ungeöffnete Briefe von anderthalb Monaten öffnen; sehr viel Müll, sehr viele Mahnungen, zwei brandeilige Sachen, aber noch hinzubiegen, ein paar Unangenehmheiten dazu, doch unterm Strich keine Katastrophe. Dazu höre ich mich weiter durch die Cassetten mit manchmal ganz ganz weiten Ohren. Die hier jetzt „herrschende“ Ordnung klärt. Nur Etta Scollo ist noch auf der Strecke geblieben; über Il fiore splendente werde ich morgen früh schreiben und die CD noch einzwei weitere Male anhören dazu, mit Kopfhörern wegen der frühsten Morgenstunden; später noch einmal laut, vorm Cello-Üben und bevor ich zur Cellostunde losradel.

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