Arbeits- und Trennungsjournal. Mittwoch, der 10. Dezember 2008.

11.47 Uhr:
[Auf dem Weg nach Heidelberg im ICE Berlin-Mannheim. Händel, Alcina.]
Immer >>> am nahe Weinen, aber ich lasse es nicht zu. Denn es geht jetzt um Struktur. Das war auch gestern abend so. Als ich die Eröffnung vernahm und imgrunde einfach nur sprachlos dastand, hätte ich eigentlich auf die Celloprobe verzichten, hätte anrufen und absagen müssen. Ich tat es nicht, sondern fuhr hin. Ich dachte: das Allerwichtigste jetzt ist, daß du deine Struktur behältst, vor allem auch deshalb, weil s i e dasjenige ist, was meinem Jungen jetzt vermittelt werden muß. Haltung als ein Geländer. >>>> Thiele sprach das neulich an. Hier ist es. Und sind s i e: die Grenzen des „Romantischen“. In Situationen wie diesen, wenn man leben will und auch muß und das Wollen weitergeben möchte, braucht es Klassizität. Dinglich fast. Unverrückbar. Deshalb darf der Freund, wie ich eben las, schreiben, er habe weinen müssen. Ich darf es nicht, noch nicht. Seltsam, wie nun abermals der handelnde Pragmatismus meiner Mutter in mir durchschlägt.

Heidelberg. Heute abend also wieder „reales virtuelles“ Seminar; später dann beim Betongriechen essen, noch später mit Kühlmann trinken. Es sollte aber nicht so ausufern wie heute nacht, als ich geradezu bewegungslos mit dem Rücken auf dem Fußboden lag und jede Bewegung die Übelkeit rief. Gedichte schreiben jetzt? Nein. Und wie seltsam die Lebensgeschichte nun über die BAMBERGER ELEGIEN hinweggegangen ist. Das muß in sie eingefangen werden.

Es könnte sein, daß ich die Arbeitswohnung werde aufgeben müssen, als eine notwendig werdende Folge dieser Trennung jetzt. Das nähme mir das Herzstück meiner räumlichen Identität. Unser Leben geht hin mit Verwandlung.
Und immer geringer schwindet das Außen.
Wo einmal ein dauerndes Haus war, schlägt sich erdachtes Gebild vor, quer,
zu Erdenklichem völlig gehörig, als ständ es noch ganz im Gehirne.
Ich werde zum Nomaden und das, was mir nun abermals geschah, als Literatur zu begreifen lernen. M e i n e Weise der Abwehr: anstatt zu verdrängen genau hinsehen.

12.34 Uhr:
Kurz vor der Müdigkeit. >>>> Dielmann ist mal wieder nicht zu erreichen; man kann, soll ein Buch erscheinen, fast die Uhr danach stellen. Vor meiner Abfahrt habe ich immerhin eine knappe halbe Stunde auf dem Cello gespielt. Mir wäre danach gewesen, es mitzunehmen, würde denn Zeit sein.

15.42 Uhr:
Frankfurtmain.

Bedeckt. (Kann nicht arbeiten, kaum lesen. Höre Musik und Musik. Dreimal schon rief der Profi an, wie es mir gehe. Und >>>> Reichenbach, der heute abend den Weg nach Heidelberg tun und sich mit ins Seminar setzen will.)

Ach ja, Dielmann h a t jetzt angerufen: die Bücher seien für morgen annonciert. Also werde ich morgen vormittag meinen ENGELN leibhaftig entgegeneilen und das in Dielmanns Verlagsräumen tun.

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