Bodo Kirchhoff zur Zukunft des belletristischen Buches. Wie es um uns steht.

>>>> Für uns Erzählende stellt es nicht ein Missgeschick dar, wenn immer weniger Leute nach Literatur verlangen, sondern eine Katastrophe. Die Auflagen vieler Kolleginnen und Kollegen, die vom Schreiben leidlich leben konnten, haben sich in den letzten Jahren nicht nur halbiert, sondern sind auf weniger als ein Drittel geschrumpft. Keiner redet gern darüber, als sei es ein Gebrechen; Verlage hüten die Zahlen aus geschäftlichen Gründen, und Autoren schämen sich ihrer winzigen Resonanz. Und der Autor dieser Zeilen, der als erfolgreich gilt, rechnet sich dazu: Seine rund dreißig Veröffentlichungen (Romane, Novellen, Erzählbände, Stücke) werfen im Jahr gerade so viel ab, dass es der Familie nicht an Grundnahrung fehlt; seine rund dreißig Drehbücher sorgten bisher für den Rest (und der Bekanntheitsgrad sorgt für das Missverständnis).
Schriftstellerei ist kein Brotberuf, obwohl es immer wieder Autoren gibt, die überragend viele Bücher verkaufen; tatsächlich sind es aber verschwindend wenige. Auch deren hohe Bekanntheit täuscht über den wahren Sachverhalt: wenige von Tausenden, die schreiben, und Hunderten, die veröffentlichen. Im Grunde sind sie Lottogewinner.
[Von >>>> dort. Dort dann auch weiter und vorher.]<<<<<

4 thoughts on “Bodo Kirchhoff zur Zukunft des belletristischen Buches. Wie es um uns steht.

  1. autoteile kirchhoff das ist, ohne frage, bitter. aber argumentiert nicht auch der autor letztlich aus einem ganz und gar literaturfeindlichen gestus heraus, der sagt, hier, meine damen und herren, ich habe das spiel einer produktorientierten nachfragegesellschaft mitgespielt, ich war fleissig und redlich, wo bleibt die nachfrage, wo bleiben die früchte meiner arbeit?
    und übersieht er nicht dabei jahrtausende von literaturproduktion, die, ja, leider, nur selten je so funktioniert hat?
    gut, vielleicht hat er mal im lotto gewonnen und der gewinn ist jetzt aufgebraucht, oder vielmehr schlecht. es tut mir ehrlich leid. tatsächlich aber hat sich der buchmarkt schon lange so für die verhalten, die keine romane schreiben. hat ihn das eigentlich gekümmert? ob er nicht einen heutigen kafka belächeln würde, geschweige denn überhaupt lesen?
    burkhard spinnen und iris radisch haben sich, soweit mir bekannt, nie zu der frage geäußert, warum ein preis, der nach einer frau benannt ist, die vor allem wegen ihrer gedichte bekannt wurde, ausschließlich prosatexte zulässt?
    solidarität? nur für belange der eigenen lager, was eigentlich die gesamte literatur und ihre ausdrucksformen betreffen müsste, dachte ich immer. aber, solidarität habe ich vielleicht von einem prosaautoren erfahren in all den jahren, der vielleicht auch ’nur‘ ein verhinderter dichter ist.
    lesen heutige prosaautoren heutige dichter, ich habe den eindruck, nein, umgekehrt sind aber dichter meist über romanautoren nicht schlecht informiert, woher kommt dieses gefälle eigentlich?
    julia franck zum internet in der welt, auaaua. sie haben alle kinder und familie und müssen sich und sie von was ernähren und sind redlich und fleißig, und alle haben sie nun angst, dafür gibts jetzt nix mehr.
    gabs aber für gaddis auch nicht, oder für benn, oder musil. ja, blöd. fand ich nie gut, find ich scheisse, aber, admit that the waters around you have grown, you better start swimming:
    http://www.youtube.com/watch?v=wgECKj9LSH4
    das hat HIER jemand begriffen, scheint mir.

    gestern habe ich noch mal darüber nachgedacht, was unterscheidet eine bande von einem kollektiv, eine bande traut sich auch untereinander nicht über den weg, ihr zusammenhalt gründet sich auf den vorteil jedes einzelnen in ihr, sie unterliegt selbst dem konkurrenzprinzip, man kann sich nicht trauen, und dieser literaturbetrieb wird von einigen banden beherrscht, ein kollektiv von individuen aber wäre vielleicht der ausweg. aber, ehrlich gesagt, mein mitleid hält sich in grenzen, wenn man allein schon meint, weil man jährlich stapelweise makulatur auf die buchtische hieve, sei das schon irgendwas wert? nein, ist es nicht. es ist nur erst mal einfach da. das darf es, das soll es, das muss es und das soll auch alle satt machen, aber es soll nicht verhindern, darüber nachzudenken, worum es noch dabei gehen könnte, sollte, müssste.
    ich habe kirchhoff gelesen, ferne frauen, mexikanische novelle. gute bücher, schien mir vor zeiten, hätte ich aber nur irgendwie das gefühl, er stritte hier für mehr als nur für sein ganz persönliches auskommen, begänne ich mich wieder für ihn und sein tun zu interessieren.

    1. @diadorim. Ich unterschreibe Ihren Text m i t. Sie haben völlig recht, gerade in Hinsicht auf Lyriker. Zu den Skandalen gehört auch der Umstand, daß einer, der zu ihren Lebzeiten auf das mieseste über die Bachmann geschrieben hat, sich nach ihrem Tod nicht schämte, Vorsitzender einer nach ihr benannten Gesellschaft zu werden, und zwar, ohne daß er öffentlich widerrufen, ja es nicht einmal eingestanden hätte. Im Gegenteil wird er heute als Star behandelt, über den man sogar Spielfilme dreht. Z u diesem Spiel, das Sie zurecht als eines von B a n d e n begreifen, gehört, daß alle mitmachen, wenn sie nur ihren persönlichenn Vorteil darin finden, und zwar a u c h die Autoren. Das hält alle selbstverständlich nicht davon ab, auch gegeneinander zu intrigieren. Vor allem intrigieren und schulterschlussen sie, wenn es darum geht, Unliebsame auszuschließen. Vor fünfundzwanzig Jahren behauptete >>>> Uve Schmidt einmal, es gingen im Betrieb Schwarze Listen um; ich hielt das für übertrieben, ja absurd. Heute bin ich anderer Meinung. Diese Listen haben sich zudem, etwa was durch Fonds finanzierte Übersetzungen anbelangt, internationalisiert.

    1. Engeler. Ich erfuhr es per Email heute schon früh, wollte aber nicht drauf eingehen, weil man manchmal nicht weiß, inwiefern öffentliche Äußerungen einen strategischen Character haben; insbesondere ich weiß das nicht, weil mir sowas auf fast oder tatsächlich naive Weise fremd ist. Andererseits hab ich wohl, mit Der Dschungel und nun etwa dem >>>> New-York-Projekt einen Riecher für Entwicklungen. Auch wenn ich am Buch h ä n g e. Mein Herz sagt (also pumpert) „Buch“, der Kopf sagt: „Nein, zuende.“ Wir brauchen Mäzene und Zähne.

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