Arbeitsjournal. Montag, der 25. Mai 2009.

6.37 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Um sechs hoch, nur eben für latte macchiato und Morgenzigarette am Schreibtisch und um auf den mp3-Spieler Cellomusiken rüberzuladen (Dallapicolla, Ligeti, Britten; Bach ist seit Tagen schon drauf), dann muß ich mich schon fertigmachen und zur Charité rüber. Ich will möglichst v o r acht da sein. Zu lesen nehm ich genügend mit, wohl auch den Laptop.

16.15 Uhr:
[Hindemith, Sonate für Cello solo.]
Das war eine längere Angelegenheit in der Charité, es war ziemlich voll. Dann die junge Ärztin. Gut, deutlich. Zwei Methoden: lasern oder cremen. Wir sind für cremen. Ich bin für lasern. Sie will aber cremen. Okay. Und wir machen sicherheitshalber einen HIV-Test. Machen wir. Außerdem will ich Sie noch beim Proktologen, Darmspiegelung. Nein, man sieht da nichts, aber ich will sichergehen. Okay. Lassen Sie sich im Dienstzimmer einen Termin geben, dort nimmt man Ihnen für den Test auch das Blut ab. Gut. Schieß ich also los. Wie? Die hat Ihnen nichts verschrieben.? Nein, finde ich auch blöd. Aber ich geh halt dann zum dritten Hautarzt, bis die Sache sofort in Angriff genommen wird. Ich las >>>> Keto von Waberer, außerdem den >>>> Polkinghorne zu Ende und begann Reemtsmas Rede wider die Leugner des Freien Willens; fand zu den Bachsuiten ein paar Widersprüche darin; ihm geht ein bißchen genau das durcheinander, was er den Leugnern des Feien Willens, namentlich Singer, vorwirft. War also spannend. Mehrmals beuge ich den Arm, ich weiß, wie gut meine Venen hervortreten, wenn ich das will. Die Kanüle flutscht nur so rein, dunkelrot füllt sich das Behältnis hinter der Nadel. Ich seh so etwas gerne. Wirklich nichts verschrieben? Nein, und ich will das echt in Angriff nehmen, ich komme mit Verzögerungen nie klar. Ich sprech noch mal mit der Ärztin, warten Sie bitte. Schließlich kommt sie zurück. Sie bekommen ein Rezept. Auftragen dreimal wöchentlich, nur die betroffenen Stellen. Sie werden sich entzünden. Das sollen sie auch. Darunter stirbt das Zeug weg. Prima. Daß ich, falls bis zum 8. Juni immer noch was zu sehen sein sollte, meinen OP-Termin bei meinem Hautarzt trotzdem wahrnehmen werde, sag ich ihr nicht. Werd ich aber. Ich bin in solchen Fällen für Erschießen u n d Enthaupten, und wenn der Kopf ab ist, setzt man ihn zusätzlich dem Erstickungstod aus. Sò.
Nervös bin ich aber nun d o c h. Es gibt gar keinen Anlaß, aber den HIV-Test zu machen, bedeutet, die Möglichkeit ins Auge fassen, daß da was ist. Also gehen mir alle Unmöglichkeiten durch den Kopf. Nie wieder Sex? Nö. Wahrscheinlich gibt es HIV-Kontaktforen. Gibt es sie nicht, werde ich eine gründen. Sollte es so sein. HIV meets HIV. Imgrunde ist das irre: Man inszeniert mit einem Teil seines Selbsts, d a ß es so sei. Auch d a s hat Galgenwitz, daß mir dann der Gedanke kam: na gut, dann hast du ja Z e i t, ANDERSWELT ganz abzuschließen, da Du Dich von Frauen dann fernhalten solltest. Es wäre i m m e r Risiko, ob mit Kondom oder ohne, verschieden großes Risiko, doch Risiko halt d o c h. „’tschuldigung, bin positiv… aber ich nehme ein Kondom.“ Das könnt man k e i n e r übelnehmen, daß sie auf Kondome dann pfeift und es vorzieht, mit einem nur ins Kino zu gehn.

(Hübsch ist auch das: „Die gute Nachricht ist: wenn Sie nichts von uns hören, sind Sie negativ.“ „Ja prima, und wie lange muß ich warten?“ „Eine Woche ungefähr.“ Das Ungefähr hat einiges Fiese.)

21.55 Uhr:
[Beethoven, Fünfte Sonate für Cello und Klavier.]
Sehr unruhig bist Du heute, zumal nachdem Du in der Schule erfahren hattest, daß der Vater einer Mitschülerin vorgestern gestorben ist. Du habest in der Klasse mit den Tränen gekämpft, sagte Deine Lehrerin am Telefon. Es gibt aber auch Probleme, die in Dir liegen. Strategietreffen am Freitag früh, Du, Deine Mama, die Lehrerin und ich. Was zu tun ist. Und wie es zu tun ist. Du wälzt Dich hin und her. Seit einigen Tagen übernachte i c h auf dem Vulkanlager, Du auf der Schlafcouch, die Du zu schätzen lerntest.
Ich habe mich entschlossen, bevor ich das Netz-Romanprojekt um ANDERSWELT angehe (dafür sind noch so viele Vorbereitungen nötig), erst einmal den >>>> New-York-Roman wieder >>>> zugänglich zu machen, und zwar übers Netz. Komplett. Aber „konventionell“, ohne „Ge-Netz-e“. Allerdings will ich „den Weblog-Zeitstrahl“ umkehren, so daß tatsächlich das je neueste Kapitel u n t e n steht. Wem der Text gefällt, wird sich das Buch dann schon kaufen, zumal man’s momentan so billig kriegen kann. S o wäre es wenigstens auch öffentlich erreichbar – bevor ich das „große Ding“ angehe.

6 thoughts on “Arbeitsjournal. Montag, der 25. Mai 2009.

  1. hiv. erstens: diese hiv-kontakt-foren g i b t es.
    zweitens: wenn sie hiv positiv wären und mit einer dame schliefen, die ebenfalls hiv positiv wäre, so könnten Sie sich mit ihrer und umgekehrt sie sich mit Ihrer form der Infektion erneut also doppelt anstecken. das könnte ihren gesundheiten zusätzlich schaden…
    eine woche für das ergebnis empfinde ich als zu lang, in meiner stadt bekommt man das ergebnis nach 2-3 tagen mitgeteilt.
    mein freund ist übrigens hiv+, ich selbst nicht. das kondom erleichtert es ein wenig, aber ab und zu kommt etwas angst durch.

    1. @benn’s mädchen. Ich wollte Ihnen schon lange antworten, aber erst den Befund abwarten. Ihr Kommentar ging mir sehr nach in seiner schlichten Klarheit.
      An mir, um die „Sache“ einstweilen abzuschließen, ist der bittre Kelch vorbeigegangen. Es hätte auch anders ausgehen können. Nun bleibt mir ein großer Respekt vor Ihrer Klarheit und Ihrem entschiedenen Willen.

    2. wenn ich sie mal sehen sollte oder findeiss ich klatsche ihenen dermassen eine
      dass sie es nicht für möglich halten.

    3. @lu. Anonym? Ach so, Sie heuern ein paar Jungs an, die den Kopf für Sie hinhalten sollen… – Verstehe.

      [Meinen Lesern: „Lu“ heißt die langjährige Partnerin Fichtes in >>>> MEERE. Ziehen Sie selbst Ihre Schlüsse, aber nicht die nahliegendst falschen: Eine Lu droht nicht anonym.]

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