Zu Hilfe! zu Hilfe! sonst bin ich verloren.
Es gibt Dinge, macht man sie öffentlich, die falsch werden. Gefühl und Ausdruck, Erfahrung und Sprache divergieren mit konstanter Regelmäßigkeit angesichts von Ereignissen, die plötzlich unvermutet, einem Blitzschlag gleich, einen treffen. Erst das Gedächtnis, dieser, im günstigsten, wohltemperierte, im ungünstigsten Fall, heiße oder kühle Lagerraum der Erinnerungen, sucht sich die nötigen Adjektive, Formen, Farben und Klänge, um einen Vorgang, ein Ereignis, seinen Sinn durch Versprachlichung, Abbildung (Malerei und Skulptur) und Musik zu zuweisen. Auf diese Weise verknüpfen sich punktuell Aktuelles und lebensgeschichtliche Verläufe zu Geschichten, Bildern und Tönen, die, ohne ihr gründendes Geheimnis zu verraten, ästhetisch Welthaftigkeit gewinnen können. Dem in einem Kunstwerk steckenden jeweiligen individuellen Geheimnis, das Literatur- Kunst – u. Musikwissenschaft so gern aufzuklären bemüht ist, wohnt eine Energie inne, die, in Künstlerinnen und Künstlern jedes Genres, den Motor „Kreativität“ antreibt.
Wird dieses Geheime offenbar, denke ich gerade jetzt, verwandelt sich Kunst in das was ANH vielleicht mit Pop meint. In einem Brief an Leo Löwenthal von 1921 geht Siegfried Kracauer, – er polemisiert wider die „neuen homines religiosi“ seiner Zeit, wie er sie nannte, also gegen Buber, Rosenzweig, Bloch, Lukács u. Scheler, – am Ende auf Christus ein, über dessen Verhältnis zu Geheimnissen er nicht zu unrecht schreibt: … Christus selbst hat von all diesen verschlossenen Dingen geschwiegen, er hat sich mit Sein begnügt.
Setze ich für Christus, ohne alle Blasphemie, das Wort Kunst, komme ich zum Schluss, dass sie nur dann und dort zu finden ist, wo ihre wirklichen personalen Quellen (Antriebe) mir verborgen bleiben. Einen wesentlichen Anteil an ästhetischen Erleben und Begreifen hat die süchtige Suche nach der Initialzündung, die ein Kunstwerk zu Welt macht. Diese Sucht, das hat sie mit allen Süchten gemeinsam, ist nicht zu befriedigen, auch deshalb, weil jedem Suchen in diesen Bereichen Horizontverschiebung inhärent ist. Sich mit dem Sein von Kunst zu begnügen,. sie unmittelbar direkt auf sich wirken zu lassen, um auf Kracauer indirekt zurückzukommen, ist das Eine, ist bloße Anrührung, Berührung. Das Andere, trotz Wissen das letzte Geheimnisse nicht ergründet werden können, ist die stete Annäherung an diese.
Näherung aber ist eine Form von Bewegung. Im Bewegen, im asymptotischen Fließen, im ergebnisoffenen Hinterfragen, erschließt sich der ästhetische Schein des Seins eines Kunstwerkes, kann/ wird welthaftiges SEIN werden, dem Genuss abzugewinnen und Erschütterung zugleich möglich ist. Die >>>>Arcana sind es, die Kunst vom landläufigen „Pop“ unterscheiden. >>>>Es gibt Dinge, macht man sie öffentlich, die falsch werden.
So ist es – und beschreibt damit
den nicht wegzudiskutierenden Unterschied
zwischen Bedürftigkeit und Vision.
Danke.
Ja, und trotz ihrer Unterschiede generieren sich Bedürftigkeit und Vision gegenseitig. Sie bedingen einander.
Verzeihen Sie bitte, wenn ich vehement widerspreche:
Nein, tun sie nicht.
Bedürfnis und Vision mögen einander
bedingt nachvollziehbar die Hand reichen –
Bedürftigkeit jedoch verhindert Vision.
Denn sie ist nichts weiter als zielintendierte Abhängigkeit.
Und Abhängigkeit der Kontrapunkt zu Freiheit.
Vision aber ist Ausdruck größtmöglicher Freiheit.
So sie dies nicht ist, ist sie keine Vision,
sondern bloß Illusion.
Genaues Lesen bedarf keiner Bitte um Verzeihung und eine daraus resultierende korrigierende Ergänzung, wie die Ihre, ist natürlich willkommen. Dass Bedürftigkeit Illusionen weckt, stimmt. Aber ebenso, da bleibe ich dabei, kann sie Visionen, Utopien, etc. erzeugen. Aber vielleicht haben Sie eine andere Vorstellung vom Begriff Vision, fassen ihn quasi eher wie El Greco oder Bosch, als Erleuchtung?
Über „zielintendierte Abhängigkeit als Kontrapunkt zu Freiheit, Supergedanke von Ihnen, schreibe ich später. Hier am großen Zeiger turnt leider aufgeregt ein Termin. 🙂
Ja, ich denke auch, dass es sinnvoll ist,
beim jeweiligen Verständnis von Vision weiterzusetzen.
Zwar fände ich den Zugang dazu über El Greco und Bosch
persönlich farbenfroher, aber mich beschäftigt noch immer
Ihr gestriger Literaturtipp. Weshalb ich lieber bei diesem bleibe.
Ich erwähnte ja bereits, dass ich Herrn Serres ein wenig umständlich finde.
Aber auch umständliche Nüsse lassen sich knacken. 😉
Er zieht einen wunderschönen Vergleich zwischen
Platons Gastmahl und dem Abendmahl der Eucharistie.
Und letzteres dazu heran, jene Qualität des Lebens zu beschreiben,
die aufgrund angelegter Parameter beim Gastmahl verborgen bleibt.
Im Grunde ist es jenes berühmte Mehr zwischen Himmel und Erde,
über welches wir maximal wissen, dass es existiert:
Das wahre Wesen der Singularität,
welches sich nicht nur durch Worte nicht erfassen lässt,
sondern vor Worten geradezu flieht.
Entsprechend verstehe ich Vision als eine Botschaft
aus der Singularität in die Singularität.
Sie kommt völlig ohne periphären Ort der Betrachtung aus.
Insofern unterscheidet sie sich fundamental von Illusionen,
welche aus persönlichen Bedürftigkeiten (Defiziten) geboren werden.
Auch und besonders dann, wenn diese vorgeben,
visionär zu sein – was lediglich eine Illusion über die Illusion wäre.
Eine Vision ist ohne Wahrheit nicht vorstellbar.
Und obschon ich sie schmunzelnd als umständlich empfinde,
fasziniert mich die sorgfältige Art und Weise,
in der sich Herr Serres diesem recht empfindlichen Zusammenhang nähert.
„Wenn das Problem der Reduktion sich auflöst,
bleibt die Traduktion, die Übersetzung;
wenn das Problem der Produktion verschwindet,
bleibt die Kommunikation.
Wenn das Problem der Referenz sich erschöpft,
bleibt die Interferenz.“
(Serres, Hermes II. Interferenz)
Die Interferenz ist nicht irgendwie in Kauf zu nehmender,
sondern wesentlicher Teil der Wirklichkeit.
Insofern als sie wahr ist und eine tragende Rolle
im Ursache-Wirkungs-Gefüge spielt.
Denn sie tritt ja nicht nur fachbezogen hie und da mal auf,
sondern gilt disziplinübergreifend immer und überall.
Es wäre ein unerklärliches Wunder, wenn sie nicht kommunizierte.
Da wir nichts darüber wissen und sagen können,
wie genau sie das tut, schließe ich hier den Kreis,
indem ich einräume, dass es auf diesem Hintergrund betrachtet
grundsätzlich auch möglich sein kann,
dass sie sich Bedürftigkeit mitteilt.
Wenn sie das jedoch tut, dann sicherlich in ihrem Sinne
und nicht in dem der Bedürftigkeit.
Denn Wahrheit bedeutet Liebe bedeutet Freiheit –
und wie schon erwähnt: Bedürftigkeit spricht ganz andere Sprache.
Soweit mein Morgendenken dazu ….. 😉