Diskret & verwegen. 23.09.2009. Paul Reichenbach ohne Likör.

Einzelne müssen aufstehen, die Verfemung am eigenen Leib erfahren und mit ihrer schmalen Person den fortschreitenden Weg ins Dickicht der vorgefassten Meinungen stampfen. Frieda Geier, eine Protagonistin aus Marie Luise Fleißers Roman “Mehlreisende Frieda Geier“ vertritt diese Meinung, die der Haltung ANH’s in den Dschungeln nicht ganz unähnlich scheint. Fräulein Shdanovas Gespür von Schnee dagegen, das oft Schnee von gestern rekapituliert, hat da vermutlich eine synaptische Leerstelle. Ihr Wunsch nach Wahrnehmungsschärfe wird immer dann mächtig, wenn erlernte Interpretationsrahmen zu zerbrechen drohen. Einen falschen Bart ablegen, das gilt jedenfalls für mich, ist noch lange keine Metamorphose.
Den Gedanken habe ich Jünger geklaut, der mir damit aus dem Herzen spricht. Egal. Schnaps ist Schnaps und wer Sorgen hat, hat hoffentlich auch Likör, kann ich da nur wünschen, denn ich habe zur Zeit keinen und könnte doch welchen brauchen. Ist doch heute, nach meiner kurzen Grippe, der erste Tag im Büro. Der Schreibtisch quillt über. Anfragen über Anfragen, von denen ich nicht weiß, wann ich sie beantworten soll, bin ich doch nur noch diese Woche am Donnerstag im Job. Morgen Abend geht es in die „Sächsische Schweiz“, Familie muss auch mal sein. um dann am Freitag über Cottbus nach Schloss Diedersdorf weiterzureisen. Das alljährliche >>>>Kumpanentreffen findet dort statt. Dienstag bin ich dann wieder zurück und bitte euch diskret & verwegen mit Brecht, wollt nicht in Zorn verfallen/ Denn alle Kreatur braucht Hilf von allen.

8 thoughts on “Diskret & verwegen. 23.09.2009. Paul Reichenbach ohne Likör.

  1. Herr Reichenbach „Einzelne müssen aufstehen, die Verfemung am eigenen Leib erfahren und mit ihrer schmalen Person den fortschreitenden Weg ins Dickicht der vorgefassten Meinungen stampfen.“
    Sie wissen sicher, dass dieses Bild von allerfeinster Doppeldeutigkeit ist.

    Wäre es nicht eher vorzuziehen, den Pfad nicht ins Dickicht vorgefasster Meinungen zu stapfen, denn dass hieße ja lediglich, einer 845. Pfad auf 844 Pfaden dazu zu stapfen.

    Es erinnert mich ein bisschen auch an die Geschichte von dem Mann, der seinen Schlüssel unter der Straßenlaterne sucht, nicht weil er ihn da verloren haben könnte, sondern weil da das Licht ist.

    Interpretationsrahmen und Wahrnehmungsschärfe bedingen einander.

    Doch. Einen Bart abzulegen, ist bereits eine Metamorphose.

    1. Das Bild vom Dickicht ist doppeldeutig, klar. Der Fatalist in mir hat es diktiert. Ihr Lampenmann dagegen scheint mir kein seltener Optimist zu sein.

      Wahrnehmungsschärfe: Es gibt nicht wenige Leute, die nehmen gar nix wahr und interpretieren doch. Das Vorurteil ist der eigentliche Interpretationsrahmen, der dieser Art Personal die Sicht versperrt.

      Chapeau, sie lesen in der Regel sehr aufmerksam, aber was den Bart anbelangt, nicht genau genug. Es ist da vom falschen Bart die Rede….

    2. ja.. was mich zur der Überlegung anregt, ob es überhaupt „echte“ Bärte gibt.
      Doch nur solche, die in Gefangenschaft wachsen oder eben überall dort, wo kein Rasierzeug ist.
      Ist ein absichtlich stehen gelassener Bart – „echt“.?

    3. Ja, sicher, ein echter Bart ist ein echter Bart usw, er braucht Zeit zum Wachsen, zur Pflege … Die Pflege war in antiken Zeiten fast ein Ritual, der Bart war Statussymbol und Kennzeichen eigener Einschätzung.
      Viele Juden, ungefähr zur Zeit des „ Jüdischen Krieges“ ( Vespasian, Titus) rasierten sich ihren Bart erst dann ab, wenn sie ihre Persönlichkeit für vollkommen hielten. So berichtet es jedenfalls meiner Erinnerung nach Josephus Flavius. Wo das genau bei Josephus steht, nageln sie mich nicht fest, weiß ich im Moment nicht.

    4. danke für die Info. Aber das war jetzt auch wieder sehr …anregend. Vollkommenheit als ein rasierter, irgendwie haarloser, also – kaum noch – an was? – erinnernder Zustand. Im Gegensatz zu anderen Gepflogenheiten, wo Bärte für Würde und Reife stehen.

    5. das ging so nach dem gusto: Nur eine Persönlichkeit kann ihr Gesicht nackt zeigen…, alle anderen haben es gefälligst zu verbergen..

    6. wobei man da auch wieder sagen könnte: Ein nacktes Gesicht zeigt mehr Fläche, Mimik als Täuschungsfläche, während ein bärtiges das Gegenüber schneller zum Wesentlichen führt – den Augen.

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