Glühende erwachsene Jugendlichkeit. Und eine Frage. Roope Gröndahl, Taavi Oramo und Tuomas Lehto im Konzerthaus Berlin.

Immer wieder, wie >>>> neulich bei Bach, fällt es auf: Erreicht in der Musik eine unerbittliche Jugendlichkeit bereits Perfektion, kriegt man zu staunen. Da ist alles noch d a und nichts zu spüren von der Abgebufftheit ins Konzertleben geschliffener Solisten, auch nichts von der sanftgesagten Ergebung des Alters, zumal hier die rigoros-zentralistische, an der alten USSR-Autokratie geschulte Elite-Ausbildung des finnischen Musiksystems, das in Europa namentlich für die Neue Musik eine ganz eigene Rolle spielt, über Technik geradezu erhaben sein läßt. Dabei hat sich Roope Gröndahls Klavierspiel noch etwas Kindliches erhalten, etwas tatsächlich kindhaft Spielerisches, das in der Ernsthaftigkeit Taavi Oramos und Tuomas Lehtos schon sehr gebunden wirkt; dieser, mit 24 der „älteste” der drei, strahlt eine erstaunliche Konzentration aus: das wird ein Weltstar werden, dachte ich. Jetzt schon warf er jene Art Abfälligkeit vom Podium, deren Wesen eine Konzessionslosigkeit ist, die den Musiken höchst zugute kommt, weil das Moment des rein Unterhaltsamen zurückgedrängt wird, ja gar keine Beachtung selbst mehr bei Beethovens Gassenhauer-Trio findet, das nun sicher nicht zu den besten Kompositionen des Komponisten gehört. Man merkt ihm den gefälligen, dadurch langweiligen Auftrags-Character zu sehr an. Dennoch, ich saß da, aufgespannt zwischen Ohr und Bild: Lehto ließ mich seiner klaren, präzisen Intonation permanent entgegenharren, mit der er begleitet; es war sie, die das Gassenhauerische immer wieder in die Musik eigenwillig zurückzog. Begleitung als Stimmführung hat was. Zudem ließ Lehto bei Sibelius’ frühem „Malinconia”, dessen Klavierpart aber nervt, weil er auf einer Glatze nicht Locken, sondern Ondulationsberge dreht, einen so weiten Ton rufen, daß besonders in seines Cellos tiefen Lagen eine ganze nordische Traurigkeit durch den Kleinen Saal des Konzerthauses glühte. Man mußte einfach nur vom Klavier weghören, dann blieb die Cellolinie rein. So wird Musik Substanz, was immer neutönende Musikideologen gegen Sibelius vorgebracht haben mögen. Innerlichkeit ist nicht formalisierbar. Daß nämlich >>>> aus der Form der Inhalt werde, stimmt nur dann, wenn der Künstler bereit ist, weder einem Publikum noch einer irgend normativen Ästhetik Konzessionen zu machen. So hat ja insgesamt die nordische Musik wenig Neigung gezeigt, sich auf kontinentale, sagen wir: Objektivitäten der Textur einzulassen; vielmehr gibt es da eine ganz eigene, einiges aus Spätromantik und Impressionismus ins Zwanzigste Jahrhundert nachziehende Klangaura, der man mit seriellen Exerzitien weder beikommt noch beizukommen versuchen sollte.
„Wir leben innen”, hat mir >>>> Magnus Lindberg in Helsinki gesagt, als ich ihn fragte, weshalb derart viele finnische Musiker so weltberühmt geworden seien; bei der Gesamtbevölkerung eines Landes, die kaum zweimal Berlin füllt, ein doch erstaunliches Faktum. Lindbergs vergleichsweise neues Klarinettentrio (2008) schloß den gestrigen Abend ab, deutlich auf die Klarinette zugeschnitten, der er schon einige Kompositionen gewidmet hat. Für den einst radikalen, „lärmenden” Lindberg höchst auffällig die tonale Sanglichkeit, die mit einer Art von Zitaten spielt, die gar keine sind, aber den Klang des Vertrauten haben und obendrein auf C-Dur hinauslaufen. Lang lang zurück, offenbar, die Zeiten >>>> „Korvat auki”s, jenes mit Saariaho und Pekka-Salonen gegründeten finnischen Vereins für zeitgenössische Musik. Bei aller wenn auch moderaten Traditionalität, der Lindberg neuerdings frönt, war sein Stück dennoch das beste das Abends. Es bleibt aber ein leises „Wozu?” im Nachhören hängen. So viel schöne Ton„malerei”, so viel Kitsch manchmal auch, vor allem, wenn man Lindbergs „Ur”-Quintett mit Elektronik dagegenhört, worin der Klarinette eine ebenfalls hervorragende Partie zugeschrieben ist. So daß mir s c h o n die Frage kam, wem sich der 1958 geborene Komponist jetzt nähern möchte. Nichts gegen die Liebe zur Tonalität, nur braucht gerade sie einen Personalstil: die persönliche Innerlichkeit. Etwas speziell „Finnisches”, wie man’s bei Kalevi Aho findet, nun vielleicht doch? Das aber konnte dem Stück selbst der junggenialische Oramo nicht geben. Doch der möchte sich ohnedies, erzählte er mir, auf eine Musikerkarriere gar nicht mehr einlassen. Zu nahe sein Familiäres, zu eng der finnische Kreis. „Eigentlich möchte ich etwas ganz anderes machen.” „Und was?” „Biotechnologie.”
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Der Musik bleiben wird, dafür meine Hand ins Feuer, Lehto. Werden

[>>>> Finnland, Kleine Großmacht der Musik.]

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