24. Tag des Jahres ZwanzigZehn

Als ich ein kleines Mädchen war, ging ich oft mit meinem Großvater und seinem Hund im Wald spazieren. Am Eingang des Waldes gab es ein Grundstück umsäumt von einem niedrigen Jägerzaun. Hinter diesem Zaun lebte ein Hund. Gelbe Schilder, die vor dem Hund warnten, waren an den Zaun genagelt. Ich hatte jedes Mal Angst er würde über den Zaun springen, wenn er kläffend dahinter stand. Mein Großvater war immer die Ruhe selbst „der sagt nur das ist mein Revier, der springt nicht über den Zaun“. Erst viel später verstand ich warum.
Letzte Nacht träumte mir von diesem Hund. Ich ging an dem Zaun vorbei, der Hund kam angeschossen und kläffte so wild wie immer, im nächsten Augenblick stand ich an einem Strand, der Hund kläffte geifernd die Wellen an, biss in die Gischt bis sie sich rot färbte weil er die Zunge traf. Ich wusste würde ich nur einen Schritt näher kommen, der Hund würde mich beißen, blindwütig, alles als Angriff deuten.
Ich erwachte mit diesem Bild im Kopf und konnte nicht mehr einschlafen. Ich weiß woher es stammt, ich weiß wer der Hund ist, ich weiß warum er wütend ist, warum er meine Hand beißen würde und auf kein gutes Zureden sich beruhigen kann.
Seit D. mich fragte muss ich viel über Liebe nachdenken, wie vielschichtig die ist, wie sich bestimmte Gefühle reservieren für nur einen einzigen Menschen und wie bitter Liebe wird, wenn man sie nicht geben darf. Auch mit Dankbarkeit ist das so. Man weiß um das was jemand für einen getan hat, man steht da wie hinter einer Spiegelscheibe und redet, sagt ich danke Dir, schau welchen Weg ich gegangen bin, aber der Andere sieht einen nicht, hört nicht was man sagt.
Als ich nicht weiter schlafen konnte heute Morgen, habe ich mir eine Frage immer wieder gestellt, die, ob ich das hier aufgeben muss. Es ist eh nur ein geborgter Name, aber es ist auch die Hintertür zum anderen Teil meines Ichs. Ich räume auf, ganz besonders an einem anderen Ort, das spielt hier mit rein, ich kann es nicht ändern und meine Erklärungen werden fürchte ich nicht recht verstanden. Es fühlte sich nicht richtig an diese Tür hier zu zuschlagen, ich muss es vielmehr als Aufgabe verstehen das ganze zu selektieren. Ich schreibe hier, ich borgte mir den Namen, er gehört eigentlich ihm, aber die Verbindung ist zerrissen, ich weiß nicht wer zu doll gezogen hat, vermutlich ich, vielleicht wurde sie auch durchgekaut.
Manchmal möchte ich meine Haut abschälen und ihn rauspopeln aus mir… ich ertrage diese Metastasen nicht mehr, die er mir unter die Haut gepflanzte. Wie er so in mich rein kroch und so vieles hoch holte, mit all dem stehe ich jetzt alleine da. Klar ist ja auch mein ganz alleiniger Lebensmüll, aufräumen muss man immer selber, sonst ist es nutzlos.

Was der Tag noch bringt: weiteres Nachdenken über einen „Kalten Entzug“: das zurück geben dieses Namens, Paragraphen, Balltreten und Pfefferminztee.