Die größte Leistung auf dem Gebiet der Fiktion ist die Erfindung unseres Ichs. Sie kommt der Anstrengung Neugeborener gleich, ihre Lunge aufzublasen, wobei man, als Mensch und zunehmend japsend, dann weiterblasen muß, nur um schließlich doch zu kollabieren. Daran ändert auch das Gepuste der Mitmenschen, allesamt Kurzatmer, nichts, die um die Bildung unseres Ichs solange mitkeuchen, bis wir gemeinsam ins Nichts zurückgefächelt sind. Nur wenigen gelingt es überhaupt und den wenigsten zu Lebzeiten, an Pneuma und Pneumatik derart zu pumpen oder pumpen zu lassen, daß sie, wie einen Platonismus, nicht etwa das Spiegelbild ihrer empirischen Person schaffen, sondern etwas, das ganz gleichberechtigt zu der Realität noch hinzukommt. Marino brachte es bekanntlich dazu, am Vorabend seines Todes. Jorge Luis Borges, sein Schöpfer, hat es bereits zuvor dazu gebracht: So sei ihm gratuliert, der er kein Ende findet.
Allerdings weiß ich nicht, wo er und als wer er sich dort zur Zeit aufhält. Doch will er an seiner unter dem Pseudonym James Woodall erschienenen Autobiographie gewiß nicht so viele Jahre gearbeitet haben, ohne die Vorführung seiner Redoute auch zu genießen. „Ein Ziel dieses Buches ist es, Licht in das Dunkel von Borges’ Leben zu bringen“, heißt es am Ende der einleitenden Rollenprosa, „bis zu dem Augenblick“ (hier die entscheidende Stelle: ) „in dem er im Alter von ungefähr vierzig Jahren für immer das Universum der Fiktion veränderte und – wie er es wohl ausgedrückt hätte – die Fiktionen des Universums“. Diesen Witz eines Zweiten Konjunktivs kann nur begreifen, wer den Woodall-Satz als Borges-Satz liest: das ist unverkleidet borges’sche Humor. „Seht ihr’s nicht, wie ich lebe?“ ruft uns mokant seine weiter so lebensfrische Sterblichkeit zu.
Aber es gibt Indizien, die deutlicher sind: Nicht bloß seinen spöttelnden Starrsinn, der ihm gar keine Wahl läßt, als an der berühmten Drohung festzuhalten, nicht eher zu sterben, als bis man ihm den LiteraturNobelpreis zuerkennen werde. Ein Mann wie Borges hält sein Wort. Sondern das unter dem durchsichtigen Pseudonym Herbert Ashe vor zwei Jahren erschienene Bändchen Alusiónes sowie Quilos‘ El Barrio del Tigre Azul sind gleichsam brüllende Zaunpfähle. Der in Borges‘ Werk wirkenden Ironie entspricht dabei völlig, daß wir in tiefstem Herzen längst die Wahrheit kennen. Nur in den Kopf will sie, als Tatsache, nicht. Nicht in jenen der Schwedischen Akademie, nicht in unsren. Wir können nicht glauben. Und Aufklärung erfaßt den Sachverhalt nicht.
(…)
Allerdings weiß ich nicht, wo er und als wer er sich dort zur Zeit aufhält. Doch will er an seiner unter dem Pseudonym James Woodall erschienenen Autobiographie gewiß nicht so viele Jahre gearbeitet haben, ohne die Vorführung seiner Redoute auch zu genießen. „Ein Ziel dieses Buches ist es, Licht in das Dunkel von Borges’ Leben zu bringen“, heißt es am Ende der einleitenden Rollenprosa, „bis zu dem Augenblick“ (hier die entscheidende Stelle: ) „in dem er im Alter von ungefähr vierzig Jahren für immer das Universum der Fiktion veränderte und – wie er es wohl ausgedrückt hätte – die Fiktionen des Universums“. Diesen Witz eines Zweiten Konjunktivs kann nur begreifen, wer den Woodall-Satz als Borges-Satz liest: das ist unverkleidet borges’sche Humor. „Seht ihr’s nicht, wie ich lebe?“ ruft uns mokant seine weiter so lebensfrische Sterblichkeit zu.
Aber es gibt Indizien, die deutlicher sind: Nicht bloß seinen spöttelnden Starrsinn, der ihm gar keine Wahl läßt, als an der berühmten Drohung festzuhalten, nicht eher zu sterben, als bis man ihm den LiteraturNobelpreis zuerkennen werde. Ein Mann wie Borges hält sein Wort. Sondern das unter dem durchsichtigen Pseudonym Herbert Ashe vor zwei Jahren erschienene Bändchen Alusiónes sowie Quilos‘ El Barrio del Tigre Azul sind gleichsam brüllende Zaunpfähle. Der in Borges‘ Werk wirkenden Ironie entspricht dabei völlig, daß wir in tiefstem Herzen längst die Wahrheit kennen. Nur in den Kopf will sie, als Tatsache, nicht. Nicht in jenen der Schwedischen Akademie, nicht in unsren. Wir können nicht glauben. Und Aufklärung erfaßt den Sachverhalt nicht.
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[Mit freundlicher Genehmigung von La Nación, Buenos Aires,
23. August 1999. Aus dem Spanischen von Ramón Roger Hüon.]
23. August 1999. Aus dem Spanischen von Ramón Roger Hüon.]
„Azreds Buch, Geschichten und Fiktionen”
wird im Herbst 2010 erscheinen.
wird im Herbst 2010 erscheinen.