Die letzten Tage 102

Fängt schon an, mir zu fehlen, der Brunnen im Hof. Als ich am Samstag mit R. oben in der Altstadt vor dem Ökoladen einen Prosecco trank, und es hauptsächlich um den Flug mit den Kindern nach Amsterdam ging, fragte ich ihn nach seiner Wohnung im Hof mit dem Brunnen. Er selbst würde wohl kaum in dem angebrochenen Holland-Probejahr der Kinder nach Amelia zurückkommen. Und was dann werde aus der Wohnung, falls die Kinder sich nach diesem Jahr entschieden, in Holland zu bleiben? Er wisse es nicht bzw., wie er hinzufügte, „In die Luft sprengen. Verbrennen. Bumm.“ Er solle mir Bescheid sagen, wenn er sie vermieten will. Wohinter der Gedanke steckt, den Hof zu „retten“. Es ließe sich einiges damit anstellen. MM will ja sein Zimmer beibehalten, selbst wenn er in der Schweiz bleibt. Das Problem ist die dritte, derzeit zum Verkauf stehende und mithin leere Wohnung. Kaufen liegt bei mir natürlich nicht drin. Ist so ähnlich wie eine in einem Buch gefundene Plastikscherbe. Scherbe, weil ich zunächst dachte, es sei Glas. Las sie auch sehr vorsichtig von der Buchseite auf. Grad entdeckte ich sie auf dem Schreibtisch wieder, befühlte die Kanten, befand, es sei Plastik. Das Buch gehörte ANH. Ich hatte ihn nämlich gebeten, mir Benjamin Steins ‚Leinwand’ mitzubringen, um die Portokosten zu sparen. Er gab mir sein Rezensionsexemplar. Oder wie vordem der Blick auf den Soratte, der ihn immer zerstreuter wahrnimmt. Wahrscheinlich ist er nicht mehr wirklich Begleiter. Das letzte Jahr brachte Veränderungen, denn grad am 15. August des vorigen Jahres war’s, daß ich MM kennenlernte. Auch etwas Anderes war zu begehen (nicht zu feiern, das liegt mir nicht wirklich) in dieser ersten Augusthälfte: daß ich nämlich vor 25 Jahren mit zwei dick gepackten Koffern (nein, Bindfäden hatten die nicht, um zusammengehalten zu werden) und dem Schreibmaschinen-Köfferchen nach einer mehr als 20stündigen Bahnfahrt von Berlin aus, wobei es nachts während der Transitstrecke wegen eines lauten Kofferradios Ärger und angedrohte Schläge gab, weil ich mich beschwert hatte (ein junger Schweizer stemmte gerade noch rechtzeitig den Fuß gegen den Griff der Schiebetür, den die drohende Hand fast schon dabei war zu ergreifen, um hand-greiflich zu werden), und ich dachte „Ach, diese Scheiß Deutschen, bloß weg!“, am Bahnhof Termini ausstieg, um hier im Lande zu bleiben. Bisher ist es mir nicht gelungen, den genauen Tag zu recherchieren. – Heute nur bis zur Garage gegangen, wo ein Karton Wein und ein Mineralwasser-Vorrat steht. Drinnen der Versuch, in Parallelwelten zu leben, was nicht immer gelingt, erst in Steins Buch („im Stein“ ginge weniger) und dann im Vergil („in Vergils Buch“ ginge weniger) zu lesen, bricht auseinander. Mal sehen.

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