Was die Kritik, manchmal, bewirkt: Zu Hettches Liebe der Väter (wahrscheinlich: 1; Beat Matzenauer). Arbeitsjournal. Dienstag, der 31. August 2010. Abschied von Moobicent, sowie ein wi(e)derkehrender Traum.

8.09 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
An sich war ich, aus einer Mischung persönlicher mit literarischen Gründen, sauer, als ich die ersten Schlagzeilen zu >>>> Thomas Hettches neuem Roman las. Ich mag diese Gründe hier nicht ausführen, denn vielleicht war das nunmehr von mir und diesmal nicht von ihm ungerecht. Jedenfalls las ich heute morgen >>>> Beat Matzenauers Kritik und komme nicht um die Vermutung umhin, Hettche habe da etwas geschrieben, das >>>> MEERE, zu dem er in Gegnerschaft stand, nicht unähnlich ist, nicht in dem, was ich schon mehrmals „poetische Gerechtigkeit” genannt habe. Es ist der poetische nicht nur Ansatz, nein, der poetische Boden für etwas, das die Schilderung von Schmerz und Schuld menschlich verteilt und so dann gestaltet, etwas, das zugibt und deshalb ohne eigene Erfahrung nicht auskommt, das aber zugleich übers Autobiografische hinausgeht und es in wirkliche Literatur verwandelt. Nein, noch bin ich mir nicht sicher, ob das mit diesem Buch so ist, aber es besteht nach Matzenauers Text kein begründeter Anlaß mehr, ihn nicht zu lesen; im Gegenteil, ich m u ß ihn jetzt lesen. N a c h dem Niebelschütz, aber, ich krieg das nicht auch noch sofort dazwischen. Dennoch will ich die Angelegenheit gleich erwähnen, weil ich ja oft genug über Kritiker schimpfe; schreiben sie aber so wie Matzenauer, dann haben sie alles Zeug, sogar festgefahrene Abwehren zu unterlaufen, und zwar f ü r die Romane, die sie vertreten. Und die Achtung gegenüber dem Kritiker springt als Achtung vor einem Buch einfach über. Ich finde, daß so etwas Hoffnung macht.
Auffällig freilich, daß auch >>>> Ricarda Junge solch einen Roman geschrieben zu haben scheint, und auch hier geht es um ein Kind, diesmal aus Muttersicht. Das Buch liegt schon hier; ich las, daß das Kind „Adrian” heißE, deshalb legte ich es erst einmal wieder beiseite: und weil Italien kam. Aufgestanden um acht.

Mich besucht immer wieder ein Traum, der mehr aus einem Gefühl besteht, das wiederum mit einem Weckton zusammenhängt, den mir mein Junge heimlich im Ifönchen aktiviert hat, eine Tonfolge, die halb Musik, halb die Stimme Eines aus dem Jenseits ist. Höre ich sie, bekomme ich das Gefühl, in einer anderen Welt eingesperrt zu sein, einer, die nur von geringem Flächenausmaß und möglicherweise kontrolliert ist, beobachtet ist, deren Grenzen ich aber nicht sehen kann, und ich kann nicht über diese Grenzen hinausfühlen. Es ist eine innere Welt, keine äußere, denn ich kann den begrenzten Raum, in dem ich mich befinde, überallhin mitnehmen, bzw. e r nimmt sich mit. Viel mehr, konkret, weiß ich aber nicht, ich sehe mich nur mitrauisch aufblicken, mißtrauisch zu den Horizonten blicken, als wären sie künstliche Grenzen, nämlich unsichtbare, doch enge Mauern für die Psyche und a l s Psyche selbst. Das hat etwas durchaus Irres. Entweder, ich ändere den Weckton jetzt, „normalisiere” ihn, oder aber, ich geh der „Sache” auf den Grund und versuche, den Traum zu fangen, um ihn zu stellen und niederzuschreiben. So etwas geht, es braucht aber Training. Die Gefahr ist, daß er, wenn er den Selbstjäger spürt, sich davonmacht. Ein Tennismatch von Instinkt gegen Bewußtsein, läßt sich das, wenn man salopp ist, nennen.

Abends in der Bar mit dem Profi, ich rauchte eine der guten schweren Zigarren, bekam einen Zigarren-Cocktail dazu; SB, einer der beiden Barbetreiber, der Profi und ich sprachen über Arno Schmidt. Ich las ein wenig aus Niebelschützens ziemlich witzigem (was e r eben „respektlos nennt) Arkadien vor und entschloß mich schließlich, unter die Erzählungen von „Azreds Buch”, das in einem Monat dasein wird, k e i n e Entstehungsdaten drunterdrucken zu lassen; zwar hat es wegen >>>> „Selzers Singen” kleine Klagen gegeben: es wäre doch schön, wenn man usw. – aber ich denke nun, daß eine solche bibliografische Datiererei die Geschichten ganz unnötig relativiert; sie ist wohl auch nicht die Aufgabe des Autors, es sei denn, daß er sich entschuldigen will: dann aber bräuchte er die Geschichten nicht zu veröffentlichen, sondern hielte sie, ein „Manches auf dem Weg”, als Unfertiges einfach bei sich. Im übrigen sollen sich die Germanisten drum kümmern.

Ich les mal die neuen Niebelschützbücher weiter, dann muß ich meine Sachen für die Serengeti packen; ein Ausflug nach Ardistan ist vorgesehen; gegen Viertel nach drei Uhr nachmittags werde ich in der S-Bahn zum Flughafen sitzen. Abends Ankunft in Nairobi; Wärme wieder, ja Hitze wahrscheinlich. Mal sehen, ob der Traum mir folgt.

8.56 Uhr:
Heute läuft mein Vertrag mit >>>> moobicent aus; ich hatte ihn zum 31.8. gekündigt und habe seit gestern einen neuen Vertrag für meinen mobilen Internetzugang mit >>>> vodafone abgeschlossen, von woher ich auch meinen DSL-Zugang habe regeln lassen. Ich bin an sich sehr anbietertreu, und auch, wenn es mit moobicent anfangs einigen Ärger gab, wäre ich dageblieben, wäre man mir preislich entgegengekommen: es gab längst, aber nur für Neukunden, einen anderen Tarif. Man wollte den auf mich nicht anwenden lassen. Das verärgerte mich. Nun zahle ich anderswo nur noch die Hälfte. Was einen übrigen Ärger anbelangt, so hatte moobicent – >>>> Die Dschungel hat auch das erzählt – entgegen dem Wortlaut der Verträge Mobilzugänge die Zugangsgeschwindigkeiten nach Erreichen eines bestimmten Umsatzvolumens auf GPRS hinabgedrosselt, auch ohne die Kunden vorher zu informieren, sprich: die Verbindung wurde immer mal wieder und plötzlich schräg langsam. In den Foren kann man das nachlesen, auch die Wut der Geschäftspartner usw. Unterdessen ist solche Drosselung, meistens nach einem Volmen von 5 GB, allgemeiner Status; was auch vernünftig ist, weil der mobile Zugang bei den ohnedies schon arg überlasteten Funknetzen nicht zum Saugen verwendet werden sollte. Jeder Vernunftbegabte sieht das ein. Nur hätte moobicent das gleich auch so darstellen sollen, anstelle einfach so zu operieren. Andererseits war moobicent der erste Anbieter überhaupt, der zu einem einigermaßen akzeptablen Preis eine damals vergleichsweise hohe Datenvolumen-Flat handelbar machte. Dies ist und bleibt ein Verdienst, und es gefällt mir, schon rein aus pionierigen Gründen, dabeigewesen zu sein. Dafür ein Dank.
Der nächste Schritt wäre, eine solche Flat zu einem angemessenen Preis für Europa zur Verfügung zu stellen; das ist ein politischer Schritt: er zeigte, daß wir Europa s i n d, vereint sind und wieder Abendland werden.

13.05 Uhr:
Die Vorbereitungen der jetzt neuen, freilich kleinen Reise fast abgeschlossen. Das Wetter, die Sonne scheint wieder, erlaubt offenbar, jeden Mantel hierzulassen und noch einmal einen Sommeranzug zu tragen, neben der Safarikleidung, selbstverständlich: man muß auf sehr feste Schuhe achten.. Da in Ardistan zu einem Festakt geladen ist, da überdies die Löwin es mag, wenn ich Krawatte trage, hab ich auch sowas eingesteckt.
Zwischendurch immer mal wieder der Niebelschütz. Ganz toll, heute vormittag, war >>>> das. Jetzt bereite ich für meinen Jungen das Essen vor, der um halb drei hiersein wird; um drei verlasse ich das Haus. Ich habe noch schnell für ihn einen automatischen Skype-Aufruf am Standcomputer, der logischerweise hierbleibt, eingerichtet, damit der Bursch seine österreichische Freundin auch während meiner Abwesenheit erreichen und plaudern mit ihr kann. Ich hab ihn, auch wenn ich selbst nicht da bin, sehr gerne hier. Jemand hat mir eine Helen-Schneider-CD zur Besprechung geschickt; ich weiß gar nicht, was ich damit soll.

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