Bernd Leukerts Klangkunst
ODER
Erbe der Akusmatik
literaturfähig wäre, sondern das hinter ihr Webende, Irrationale, Über-
wirkliche, und dieses kann freilich von einem solchen Kaliber sein, daß
einer, der die Witterung dafür hat, es an sich raffen wird, als wäre es das
Leben persönlich in letzter, unheimlicher Verdichtung.
(Niebelschütz, Über epische und dramatische Dichtung.)
[Leukert, Wildwechsel.]
17.06 Uhr:
Besorgungstag. Fahrrad gewechselt. Vorher eine Mail meiner WDR-Redakteurin: die Sitzung fange gleich ein – so fiel ich erst mal aus der Fassung: Sollte ich das Exposé nicht erst bis morgen einreichen? Sofort angerufen, die Frau auch an die Leitung bekommen. Ach du Scheiße. Falsch notiert. Dabei geht es um ein großes Feature, das mir fast ein halbes Jahr sichern könnte. Sie bekomme das noch hin, ich möge mich bitte nicht zu meineb Fingernägeln beugen, für die Zähne seien Zahnbürsten da. Gut. Aber nun hocke ich hier und versuche exposiert zu erzählen, was ich da schreiben und inszenieren will. Immerhin hab ich schon fast einen Titel.
Mittags mein Junge: Zu Dal verschnittene Linsensuppe, dazu Reis und Joghurt (den besten stellen, ohne jeden Zweifel, Türken her), frischer gehackter Koriander; sowie mit selbstgerösteten Walnüssen gedünstete Apfelschnetze und Vanillesauce zum Nachtisch. Mittagsschlaf erst um halb vier. Jetzt wieder das Exposé. Und abends zum dritten Mal Leukerts Hörstücke hören, um endlich den beauftragten FAZ-Artikel darüber zu schreiben. Vielleicht dann spät mit M. zum Bier.
>>>> Frau B. begreift offenbar nicht, >>>> daß sie selbst die Kugeln immer anstößt, aber in der Hose des andern. Wär ich zotig, was ich nicht bin, spräche ich von Taschenbillard am fremden Tisch. Der „Streit” mit Frau B. begann übrigens schon im Februar, als sie sich aufgerufen fand, Ben Becker zu verteidigen. Das >>>> setzte sich dann fort, wie ein Stachel, der ihr nicht aus dem Fleisch geht an so ganz offenbar pikanter Stelle. Unterm Strich aber, fürchte ich, kommen Die Dschungel um ihre Betty-Figur schon längst nicht mehr herum.
Dies alles ließe sich aber ganz sicher in einem persönlichen Gespräch be/wenden, das ich auch angeboten hatte; nur daß Frau B eben das genau scheut, nämlich unter deutlichem Hinweis auf meinen miesen Character. Ach, geliebte Löwin! Bin ich derart schlimm? So sagen doch auch Sie, Dottoressa, einmal was… und >>>> Ayana! Ayana!
19.54 Uhr:
[Chaya Chernowin, >>>> Maim.]
Und jetzt hab ich auch noch eine Einladung zu Thomas Quasthoff verpaßt; ich sollte zu ihm heute abend hin, die Einladung liegt hier ganz oben auf dem Stoß. Aber ich kann nicht, ich muß dieses Exposé fertigbekommen bis morgen früh. Das ist einfach vordringlich. Peccato! Ich hatte unbedingt mit ihm sprechen wollen, weil ich ihn gern für ein Projekt gewonnen hätte und das, ganz sicher, auch geschafft hätte. Nur halt muß ich dazu >>>> die AEOLIA dabeihaben, am Telefon erklärt sich sowas schlecht. Ich weiß von >>>> Bernd Rauschenbach, wie offen Quasthoff gegenüber Experimenten ist. Vielleicht einen Brief schreiben; auf jeden Fall muß ich mich für mein Fernbleiben entschuldigen. Grrrr.
Sehr spannend, >>>> Czernowins Wasser-Komposition mit >>>> Leukerts Wasser-Hörstück zu vergleichen, also nacheinanderzuhören.
(Mein Festnetz, Löwin, geht wieder.)
21.18 Uhr:
Exposé fertig (als Entwurf, morgen früh noch mal drübergehen, bevor ich’s wegschick). Der Grundgedanke ist einer, den ich jetzt von Leukert nehme, der sich auf das nun schon historische Verfahren des „cinema pour l’oreille” bezieht; hab ich aber eh immer schon gemacht, ich wußte nur den Begriff nicht. Aber, wie „eh immer schon”, kontrastiere ich das mit einer eben n i c h t rein-materialen Grundvorstellung, sondern ziele sehr bewußt auf einen semantisch transzendierenden Raum: das verbotene >>>> Ergriffen sein!. (D a ß es verboten war/ist, hat seinen Grund. Der muß jetzt mitgedacht, mitgefühlt werden. Zu verstummen ist, schon weil wir Kinder haben, keine Option – bzw., eine, die immer schon verliert. Es ist wohlfeil, das Verlieren ideal hochzumetzen: das wären die Trauben, die zu hoch hängen.)
Aber plötzlich – plötzlich! – war ich mit Leidenschaft wieder im Ideenraum. Sie kommt wieder! Die Leidenschaft kommt w i e d e r! Lange nichts mehr geschrieben, in dem ich so sehr drin war, mit dem ich so sehr eins war. Bin.
22.04 Uhr:
Jetzt bin ich so betrunken, daß ich an >>>> meine Augenärztin das Folgende geschrieben hab:
Deshalb gefragt: W a s wird eigentlich abgesaugt? Von einer türkischen Freundin, die solch einen Eingriff erfolgreich hat vornehmen lassen, weiß ich, daß sich an den Augen von außen eigentlich nichts ändert. Sie hat aber braune Augen, die sind halt braun geblieben. Blieben auch meine, wenn, in diesem grauen, mit Einschlüssen versehenen Grün? Also, als Greenhorn gefragt: Was ändert sich außer der Sehkraft? (Ich bin ein bißchen eigenwillig, ich weiß. Aber auf Ausrufe von Frauen muß man hören. Prinzipiell.)
Sehr herzlich,
Ihr
ANH
Betty sucks.
Nein, Herr Lavantes. Gar nicht. (Mit welchem Lavantes spreche ich? Soviel ich weiß, hat sich der „richtige“ Lavantes registriert… Aber egal.)
Imgrund agiert Betty ganz zu meiner Freude. Wobei ich darauf hinweisen möchte, daß ich allein sie beleidigen darf: denn sie ist m e i n e Figur. Jeder andere habe sie gefälligst für einen wirklichen Menschen zu halten, und dem ist Achtung zu erweisen. Wo das nicht befolgt wird, wird gelöscht.
ich glaube … es wird dieses jahr ein besonders schwuler herbst!
@bettsy. Das wäre insofern eine gute Aussicht, als Schwule bekanntlich für die Künste enorm innovativ waren und das immer noch sind. Ich schreibe das, wiewohl homophob, mit Achtung und Bewunderung.
ich bin empört … darüber, dass in diesem raum immer mehr kommentatoren ohne gültigen cannabis-führerschein einfach so kiffen …
Post für Ben Becker! Wohin damit?
Ich weiß nicht, wo er jetzt zu Hause ist.
Die Stadt ist groß, und er kennt viele Menschen,
die ich nicht kenne.
Wohin also mit der Post?
Betty B. vermittelt mir manches Mal das Gefühl, dass Betty B. ein wenig zu assoziativ vorgeht – wie, und ob verständlich sie es halten mag, wird weniger und weniger ersichtlich. Als literarische Figur ist das legitim – aber warum erwehrt sie sich dieser Zuschreibung nicht durch Vernunft?
Wege der Vernunft Um ihm einen Weg zu zeigen,
der ihn aus seiner Misere führen wird,
verschütte ich gern ein Salzfaß
und male im Salz den Weg auf.
@BettyB: Misere? Meine? *lacht.
Ich biete Ihnen nach wie vor das persönliche Gespräch an. Also ich stehe ganz offen, verdecken (verbergen) tun alleine Sie sich. Wer, mithin, sitzt im Matsch und muß frieren? (Hat man denn >>>> um 14.55 Uhr m e i n e n Hund totgetreten?)
@Betty B. Bißchen anmaßend, oder? Menschen, die meinen, sie wüßten so einfach eine Diagnose, und auch den Ausweg aus dem diagnostizierten Ungeschick, erscheinen mir zumindest anmaßend. Haben Sie das schon mal von der Warte aus betrachtet?