Arbeitsjournal. Sonnabend, der 12. Juni 2010. Nach dem Fest.

9.14 Uhr:
Das war dann doch ein – abgesehen von einem vielen Bumm-Bumm-Bumm, das vom Lautsprecherauto viel zu laut rumpte und dicke Füße aus unsren Dialogen machte – >>>> schönes Fest gestern nacht, die lebenden Künstler machten Freude, die toten sind Schallplatten, meine Moderation war den Umständen gemäß locker: zwar hatte ich mich noch angemessen vorbereitet und war auch pünktlich zur Stelle gewesen, aber daran, daß jetzt jemand einen Ablaufplan machte, war überhaupt nicht zu denken – nicht, weil nicht Zeit gewesen wäre, sondern weil Peter G. schlichtweg keine Lust drauf hatte. „Auf Zuruf”, sagte er mir, und so wurde das dann auch. Zwar hatte ich die Biografien der Künstler, usw., alles parat, aber ja keine Gesichter zu ihnen; außerdem bekommt man in dreihundert, oder mehr, Leute keine Ruhe, wenn sie eine halbe Straße gedrängt hinanstehen und spätestens nach einem Umkreis von zwanzig Meter gar nicht mehr zu vernehmen ist, was „abgeht”.
Ich war >>>> von dem Probetag einigermaßen erschöpft, trank deshalb bis nach den Moderationen keinen Alkohol und war über diese meine Klugheit selbst ganz erstaunt. Die Repräsentantin meiner Dichtung, Barbara Stang, war da, meine >>>> Kulturmaschinen-Verleger waren da, >>>> Findeis war da, der Profi war da. Dieser erschien aber erst sehr spät, im tiefschwarzen Anzug und weißem Hemd und sogar einer Krawatte, was ich wirklich selten an ihm zu sehen bekomme.Wir tagten bis in die Nacht, irgendwann riß ich mich zusammen und volvote heim; so richtig weißt ich nicht, wie ich den Weg überwand, nur, daß ich kurz vor neun erst aufgewacht bin und imgrunde jetzt gleich zur Generalprobe weitermuß, die um halb elf beginnen wird. Danach wider heim, duschen usw., mich für den Abend festlich kleiden, worauf ich Lust habe, dann zur Premiere zurück ins Konzerthaus.
So wird mein Tag sein. Guten Morgen.
Latte macchiato. Morgenpfeife. Ich muß den Generalproben-Beitrag, das heutige >>>> Gurre, vorbereiten. BettyB, >>>> Boris Beckers Guppi, hat wieder einmal kommentiert: sie liebt mich, aber gibt das nicht zu. Was ganz sicher an BB liegt, dem sie ja niemals wehtun möchte. Außerdem ist Henze wieder da, frisch >>>> aus dem letzten Weltuntergang erstanden, der sich für ihn, vermute ich mal, mit Der Dschungel wiederholt. Dann gibt’s da noch eine Erika, die mir nicht sehr bekannt ist, schon weil ich sie immer gleich lösche. Ich meine, stellte sie sich mir einmal vor und zöge sich aus, und fände ihr Leib mein Erfreuen… nun ja, vielleicht wär ich dann weniger milde. So aber ruft ihre ganze Art nach meiner Caritas…

13.57 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Ach wie ist das schön, etwas Z e i t zu haben. Schon für die Fingernägel, die gepflegt werden möchten. Aber sowieso. Nun kann ich das das Versprechen, >>>> das ich MelusineB zu geben versuchte, tatsächlich Text werden lassen und werde das gleich auch tun. Nur daß >>>> in anderer Sache klares Wort fällig war, noch vorher zu entgegnen, da doch die Betties, Etikas und Henzes seit gestern gar keine Ruhe mehr geben. Hätten Sie Gesicht, ja ich muß sagen: ich wäre stolz auf sie. Was sie mir nicht gönnen. Ich verstehe das s c h o n. Doch gesagt i s t nun, was gesagt werden mußte, und ich wende mich >>>> GURRE zu, bevor ich etwas schlafen, dann mich pflegen, dann die Abendgarderobe zusammenstellen und vor dem noch mit شجرة حبة, meiner schönen Löwin, telefonieren werde – sofern ich sie erreiche in ihrer Serengeti.

Latte macchiato. Cigarillo.

15.27 Uhr:
So. >>>> Geschafft, in einem Rutsch durchgeschrieben. Jetzt muß ich das noch ein bißchen auf Tippfehler durchsehen, aber ich stellte es bereits ein, damit, wer heute abend in die Aufführung will, Zeit genug hat, sich ein wenig einzufinden.
Danach dann alles weitere.

20 thoughts on “Arbeitsjournal. Sonnabend, der 12. Juni 2010. Nach dem Fest.

  1. Ben stand auf. Die Gespräche verstummten. Selbst draußen auf der Straße stand der Verkehr still. Ich möchte euch, sagte Ben, meinen Freund Alban vorstellen. Er wird sich gleich selbst ausziehen. Ich bin sicher, sein Leib wird euch erfreuen und ein wenig über sein Gemurmel hinwegtrösten.

    1. Welcher Ben? Ich dachte eher an Boris. Dessen Freund bin ich, in der Tat, wir hatten eine wunderbare Reise durch Kenia. Er schlug im Park nach den Löwen mit den Tennisbällen, die sie dann apportierten. Während, wenn “Ben”, wer immer das sei, sich erhebt, nirgendwo ein Gespräch verstummt – also sofern in seiner Umgebung Gespräche überhaupt geführt werden. Was nämlich kaum je geschieht, weil GOtt davor ist, in dessen Namen ich hier spreche. Wer immer nun wieder e r sei, w a s immer.

    2. Auch das macht den Unterschied! Während er sich anläßlich der Fußball-WM in Südafrika für die UNO-Flüchtlingshilfe engagiert (“Schön, wenn ich dazu beitragen kann, auf das Schicksal und die Probleme von Flüchtlingen aufmerksam zu machen. Es ist wirklich erschütternd, welches Leid diese Menschen zu ertragen haben“), lutschen Sie den schwarzen Kontinent für Ihre alberne love story aus. Und da wir schon bei der Haarfarbe sind, was macht eigentlich Ihr pompös angekündigtes Kinderbuch?

    3. @BettyB. Was für eine Fußball-WM?

      Und was das Kinderbuch anbelangt, so lesen Sie besser erstmal den >>> Wolpertinger, bevor Sie überhaupt mit mir reden. Bevor das nicht geleistet ist, nehme ich Sie als Spaßfigur wahr, allenfalls, für die ich mir bereits eine Guppirolle ausgedacht habe. Im übrigen schreiben Sie ja nach wie vor aus dem Heckengeschütze, zeigen also, ganz anders als ich, kein Gesicht. Womit Sie sich für mich eh als Gesprächspartnerin oder -partner permanent disqualifizieren.

      Für Beckers Engagement in Afrika übrigens alle Achtung. Selbstverständlich. Zu einem besseren Künstler wird er dadurch aber nicht. Und damit möchte ich bitte das Thema beenden. Es wäre für uns beide angenehm, nähmen wir einfach keine Notiz mehr voneinander. Sie gehen Ihre Wege, ich die meine, und ab is’ die Maus.

    4. Der Wohltäter Bebeck. Hans von Bebeck, Mime. Als ich >>>> von der Probe auf meinem Volvo Cabrio heingeradelt bin, ist mir noch ein Gedanke zu Hans von Bebeck gekommen, von dem ich meine, es sei ganz der seine. So ein moralischer Mensch ist er nämlich. Nämlich: Wenn einer mit derart schlechter Schaumimerei derart gutes, und viel, Geld verdient hat, dann will das seinen Ablaß. Schon das Gewissen ist zu schlimm, welches sich einer gemacht, der Cäsarengrüße immer noch gern ins Deutsche wendet. So wandte sich Herr von Bebeck (Geldadel, klar, wir schreiben das “von” deshalb aus) an seinen Beichtiger, der ihm, caritativ wie die Kirche als solche, ein Engagement im Menschlichen riet, auch wenn das mit dem Alten Testament nicht unbedingt konform geht. Dafür haben wir Christen schließlich das Neue. Will sagen: Herr von Bebeck ist bußfertig geworden, woran ich nichts Unrechtes finden kann, nein, sondern nichts als eine Gerechtigkeit, der er selber zur Welt kommen hilft. Dafür ist er zu achten, der Herr Hans von Bebeck; in der Sache selbst hingegen realisiert sich bloß der Ausgleich.

      (Ach ja, BettyB.: Noch habe ich für die Premiere heute abend eine Karte frei; die Samarkandin konnte nicht, die Löwin lebt leider zu weit entfernt (Sie wissen schon: der Kilimandjaro)… und M., der Freund, wußte noch nicht. Also fassen Sie Mut und lassen Sie uns uns treffen. Musikalisch, in jedem Fall, wär das berückend. Wie Parsifal zu Kundry sagt: “Du weißt, wo du mich [wieder]finden kannst.”)

    5. Schnee auf dem Kilimandscharo Dicht unter dem westlichen Gipfel liegt das ausgedörrte und gefrorene Gerippe einer Löwin. Niemand weiß, was die Löwin in jener Höhe suchte. Oder war es bei Ernest eine Leopardin?

    6. Auf dem Gipfel ist Platz. Auch für Sie, wenn Sie mögen. Und stören Sie sich nicht an den Gerippen, die überspringen wir.

    7. @Betty B

      Der Kilimandscharo hat keinen Gipfel, weil er kein Berg ist, sondern ein erloschender Vulkan.

      Ich wette, dass sie eine einsame Hausfrau sind – und heimlich Western-Romane unter der Bettdecke lesen!

    8. In Ihrer Welt mag der Kilimandscharo ein Vulkan sein, in der Anderswelt aber hat er viele Gipfel, den westlichen nennen die Massai “Ngaja Gjaio”, das Haus Gottes, und niemand wagte es jemals, das Gerippe des Löwen zu überspringen. Sie hatten den Löwen damals in der Savanne gleich zu Beginn der Regenzeit erschossen. Als sie die erste Salve feuerten, saß er in einer Wasserpfütze mit dem Kopf auf den Knien. Später trugen ihn die Massai hinauf auf den Kilimandscharo.

    9. Übrigens hat Ben die Geschichte des Löwen aufgeschrieben. Interessanterweise entschloß sich der Verlag, die Story als Kinderbuch unter dem Titel “Der Löwe mit der grünen Mähne” zu vermarkten. Das Honorar hat er der UNO-Flüchtlingshilfe gespendet. Er ist eben nicht nur ein guter Schauspieler und demnächst in Salzburg zu sehen, sondern auch ein warmherziger Mensch.

    10. sei ein manager deines erfolges oder: finde das kind in dir. hören sie doch auf, betty, ich war gründungsmitglied tausender ich-ags, einsamkeit als hochform der zivilisation. da braucht es keinen zerfledderten löwenkopf und schon gar nicht in der dünnen luft da oben. schlingensief macht weiter, kommt richtig in schwung. glauben sie etwa im ernst, da draußen wartet einer auf sie? nicht doch.

    11. Immerhin ist Ben Becker. Jetzt also auch ein Schriftsteller. Schon toll, wozu einen die Guppis bringen. Zumal er sich “vermarkten” läßt: wenigstens das wird in die Weltdichtung eingehen, ganz sicher, ebenso wie auf den “guten” Schauspieler drittels Salzburg eh seit je gewartet hat, spätestens sei Mozart, der die Stadt ja bekanntlich nicht mochte. “Nicht mögen” ist eine Euphemismus, Amedéerl verzeih… – Nun bekommt es seinen Ausgleich, das Salzkammergut. Freuen wir uns mit ihm, ihr, der Stadt, und Becker, ihm. Ich jedenfalls freue mich – für mein “wie sehr” gibt es so gar keinen Ausdruck: Guppis in Salzburg, das wird ein ganz ganz buntes Gewirbel geben. Hans von Bebeck aber, ich sag es Ihnen, Betty: der beißt sich jetzt was in die Füße! Doch das Haus Gottes jubelt mit u n s.

    12. @ unechte vorsicht von 17.36 Uhr ziemlich pubertär resp. ordinär, anderen das pseudonym zu klauen.
      “vorsicht” scheint für solche leute ja sehr attraktiv zu sein.
      stagemaster, würden sie bitte 17,36 uhr löschen, danke

    13. @echte vorsicht. Wer sein Pseudonym wahren möchte, registriert es. So einfach ist das. Bis dahin ist es frei und auch frei g e w o l l t. Es zu verwenden, ist weder ordinär noch pubertär, allenfalls ein bißchen furchtsam. Andererseits, wer weiß denn schon, wer “echt”, wer “unecht” ist?

    14. danke für die gebrauchsanweisung was hier echt oder unecht ist, weiß wohl niemand,
      auch das ist gewollt von gazellen und löwen und profis und tauben und persianern und paris-reisenden und jahrezeiten, die blätter fallen lassen
      in postmoderner beliebigkeit

  2. vorsichtig
    aber als alder fischkopp un’ nordlicht
    werf ich noch ein,
    dass schloss gurre bei helsingor liegt in der nähe
    von schloss kronborg, schauplatz des shakespear’schen hamlet
    (so als randnotiz)

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