Die Hälfte. Das Arbeitsjournal des Freitags, dem 7. Januar 2011.

19.16 Uhr:
[Arbeitsjournal. Kronos-Quartett: >>>> Floodplain.]
Whisky. Cigarillo. Seit sechs Uhr morgens den Jungenroman quasi durchgeschrieben. Das läuft jetzt nur so. Nun, ungefähr in der Mitte des Romans, vielleicht schon ein wenig drüber, hab ich das Bisherige ausgedruckt, da war es bereits Abend. Mit dem Typoskript in den Copyshop, 63 meiner stets ziemlich vollen Seiten, und danach mit nun beiden Exemplaren gleich hinüber zur Wohnung der knapp zwölfjähigen Freundin meines Jungen, die, anders als leider er, eine echte Leseratte ist. Er hatte mittags beim Steak, das er sich gewünscht hatte (Bohnen dazu und Kartoffeln), angekündigt, wenn ich das schaffte mit dem Text bis nachher, dann wolle er mit C., seiner Freundin, einen Leseabend machen.
Mir ist das wichtig. Ich möchte unbedingt wissen, wie dieses Ding auf die Kinder wirkt, ob sie mitkommen, ob sie es spannend finden oder komisch usw. Wenn ich draus vorlas, war meine Sohn immer gebannt, aber das ist er, wenn ich vorlese, seit kleinster Kindheit – ganze Riesenschinken habe ich vorgelesen, nur selbst etwas zu lesen, ist so ganz seine Sache nicht. Um so spannender, wie dieses Experiment nun ausgehen wird. Die Löwin freilich, aber sie ist erwachsen, ist entzückt, weil ihr natürlich auch jede Anspielung in einem Nebensatz aufällt und sie das genießt. Kinder haben aber eine völlig andere Codierung, jedenfalls noch, und zwar auch dann, wenn sie so eloquent sind wie meine Junge. Ihr Focus ist auf etwas anderes gerichtet.
Aber schön war das dann, als die beiden in der Tür standen und C. mir sofort das Typoskript aus der Hand riß. Ich plauderte einen Moment lang mit ihrem Vater, und als ich in ihr Zimmer schaute, saß sie mit angewinkelten Beinen, die Füße auf den Kissen, auf dem Sofa und las schon. Ich gebe zu, klar, daß ich vor dem Urteil ein bißchen bange.

Jetzt hab ich mein poetisches Programm wieder gewechselt: soeben drucken die Bamberger Elegien aus, was ein bißchen umständlich ist, weil mein Billig-Laserdrucker so schnell heiß wird, wenn er gleich hintereinander sehr viele Seiten verarbeiten soll. Dann muckt er. Dann dampft es auch schon mal von der Walze. Morgen früh, vielleicht schon heute abend, will ich darangehen und mir die Texte nun auf dem Papier vornehmen, vor allem: sie l a u t lesen, um den tatsächlich instrumentierten Rhythmus abzuschmecken. Das ist jetzt nicht nur wegen des Buchsatzes wichtig, sondern weil es eine Einladung nach Toulouse für eine Lyrik-Veranstaltung gegeben hat, deren Voraussetzung u.a. darin besteht, daß die Gedichte in ihrer Ursprungssprache, sowie auf Französisch, darüber hinaus aber noch in einer weiteren Sprache vorliegen. Das Französische, er sagte schon zu, wird >>>> Prunier übernehmen, und >>>> parallalie will sich dankenswerterweise ums Italienische kümmern. Wer solche Freunde hat, ist in der Tat privilegiert. Diese Texte mit ihren hexametrischen Strengen sind alles andere als ein Spaziergang. Ein sprachliches Wunder, wenn jemand diesen Hang erklimmt.

Übrigens wundert mich das extrem, daß kein Kommentator auf diesen >>>> Klagenfurtfilm eingegangen ist. Ich scheine wirklich nicht zu erkennen zu sein. Dabei sah ich damals wirklich so aus.

Leipzig formt sich. Bereits drei Lesungen stehen fest, davon zwei für die Elegien. Jetzt brauchen wir für die Erzählungen noch einen guten Ort, dann will ich zufrieden sein. – Und eine weitere Lesung in Frankfurtmain kam hinzu, für die Erzählungen. >>>> Hier können Sie sich übrigens das Frühjahrsprogramm der Kulturmaschinen herunterladen.

4 thoughts on “Die Hälfte. Das Arbeitsjournal des Freitags, dem 7. Januar 2011.

  1. Durchaus erkannte ich Sie auf dem Klagenfurt-Film, lieber ANH – und ohne Ihnen schmeicheln zu wollen (andererseits, warum eigentlich nicht?) stelle ich fest: Sie sind seitdem wirklich überzeugend in Ihre Arroganz hineingewachsen.
    Nur die weiße Krawatte, die lässt sich natürlich nicht toppen : )

    1. Die Farbe Rot Mich haben die weissen Schuhe amusiert….normalerweise diskutieren alle immer nur über weisse Socken – die ja gaaaar nicht gehen – Über die Schuhe hat noch keiner was gesagt, oder ich habs verpasst.

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