Ich muß sofort an den Text: Stirn runter, Anlauf nehmen und nicht nach links oder rechts gucken.
20.05 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Bis eben quasi durchgearbeitet, und ich werde auch noch nicht aufhören. Der Umbau der Strukturen tut, merke ich, den Fenstern von Sainte Chapelle sehr gut. Mittags noch mal Rouladen mit meinem Jungen, der zum Lernen hierblieb und, als ich mich zum späten Mittagsschlaf legte, zum Schlagzeugunterricht abzog; nachher tranken wir gemeinsam einen Schokoladen-Cappuccino. Er dann ans Latein, ich an die Chapelle; als ich aufsah, hatte er sich in Max Ernst vergraben. „Darf ich mich am Sonnabend für 12.49 Uhr mit C. verabreden?” C. ist seine Freundin. „12.49 Uhr? So genau?” „Um 12.48 Uhr ist da mein Hausarrest zuende.” „Dann selbstverständlich. Aber red auch mit der Mama.”
Dann der Anruf von >>>> Stang. „Die Schiffsreise klappt, Sie sind engagiert.” Teil der Abmachung ist, daß ich die Reise in Der Dschungel miterzählen werde. Also wird es nach >>>> dem abermals Reisejournale geben. Notieren Sie sich die zwei Wochen vom 7. bis zum 21. Mai. Am 7., abends, geh ich an Bord. Irritiert hat mich aber eine Bemerkung Stangs: „Kennen Sie eine Madame Le Duchesse? ‚Le’, ja, richtig. Absurd, oder? Der Veranstalter fragte mich.” „Moment. Was weiß der denn von dem Gräfin?” „Nicht mal ich weiß was davon.” „Barbara! Die Fenster von Sainte Chapelle doch!” „Sie haben mir noch kein Manuskript…” „Neinnein, >>> die Netzfassung.” „Aber Sie wissen doch…” Undsoweiter.
Das ausgerechnet jetzt, wo ich wieder an diesem Text sitze. Jedenfalls sichert mir die Kreuzfahrt, wer immer sie initiiert haben mag, drei Monate weiteren Lebens. Ganz sicher werde ich zudem ein neues Horstück da herausziehn; mein Aufnahmegerät nehm ich sowieso mit.
Ich arbeite weiter an dem Text, bin jetzt sehr gut drin. Die Bilder fließen, die Szenen erstehn mir ganz neu und fast fleischlich. Später am Abend kommt der Profi auf den Prenzlauer Berg, für ein Bier im Soupanova. Erst dann, wenn er durchläutet, mach ich hier Schluß. Meine Löwin, aus Wien, warf zwischendurch einen Kuß her.
Ich gratuliere Ihnen zu dieser „Kreuz-Fahrt“! (ganz gradeheraus! das ist klasse!)
Lieber Herr Schneck, ja. Das Wort „klasse!“ entspricht genau – nämlich mit dem Ausrufezeichen – meinem inneren Impuls, der noch immer nicht gedämpft ist; den ganzen Abend über hab ich gegluckst. Nur Le Duchesse bereitet mir ein leise grummelndes Unbehagen.
Ihr
ANH
Wirklich schade, lieber ANH, daß ich nicht zum Neid neige, denn das wäre eine super Gelegenheit! Da kann man wirklich nur gratulieren; endlich mal eine Schriftsteller-Verschickung nicht aufs Land, sondern zur See!
In leichter Sorge, ob denn das Schiff auch groß genug für Sie sein wird,
Grüße und Glückwünsche auch von
TT!
Verehrte Frau Phyllis, – „groß genug“? Für mich gewiß. Aber da sind noch fünfhundert andere, plus Crew….
Schlage Ergänzung der Schiffsbewimpelung vor: die Dschungelflagge fehlt…
Nachricht vom Profi. „Wer Kap Horn umsegelt hat, darf einen Albatros tragen.“ Indes mich noch niemand umsegelt hat. Deshalb darf der erste entscheiden.