Arbeitsjournal mit Holmboe und Gogolin, sowie im Sport. Dienstag, der 8. März 2011.

16.25 Uhr:
[Arbeitswohnung. Holmboe, Streichquartett Nr. 7.]
Nachts war dann Freund G. mit Findeiss und Diesel aufeinandergetroffen; jenem sah ich beglückt zu, wie er eine meiner neuentdeckten nicaraguanischen Cigarren rauchte, derweil ich allezeit an meiner Pfeife sog. Das war >>>> in der Bar und ging bis fünfzehn Minuten vor Mitternacht, jedenfalls für mich, weil die anderen, zu denen sich Diesels spät dazugekommene Freundin gesellt hatte, noch dort blieben. Ich wollte aber die acht oder neun Kilometer Radfahrt noch einigermaßen nüchtern bestehen. Was auch gelang. Ich fiel ins Bett, muß man sagen, und – verschlief. Es war ein Verschlafen aus Überzeugung; zu der war ich gegen halb sechs, nach mehrerlei Weckerklingeleien, gelangt, und habe sie bis jetzt nicht bereut. Der Sport baut meinen Körper gerade um, seit gestern, als ich mich im Studio im Spiegel sah, ist das ausgesprochen deutlich geworden. Er braucht deshalb besondere Ruhephasen. Sowie sich das konsolidiert haben wird, werde ich auf die 4 bis 4 ½ Stunden Schlaf zurückkommen; zudem halte ich momentan gar keinen Mittagsschlaf mehr, weil ich nach dem ja täglichen Training jeweils in den und nach den beiden Saunagängen ruhe; zwar nie länger als zehn Minuten, aber je nun. Heute allerdings schlief ich auch mittags. Wenn ich allein bin, also mein Junge nicht nach der Schule zum Essen kommt, koche ich nicht, sondern esse erstmals nach dem Sport etwas, je für den Tag, und zwar Fruchtsalat mit paar Haferflocken und Joghurt. Erst abends dann feste Nahrung. So ist der kleine Bauchansatz, der mich so genervt hat, unterdessen schon weg, wobei ich zugleich überhaupt kein Gewicht verloren habe. Ich brauchte einen kleinen Gedankenruck, um mir die Banalität der Erklärung klarzumachen; es ist eine ziemlich angenehme Banalität. Es ist jedenfalls eine Freude für mich, mich nackt im Spiegel zu sehen, wieder eine Freude; ich hatte ja schon angefangen, mich des Bauches wegen vor mir selbst zu schämen und dann erst recht vor den Frauen.
Zigaretten rauche ich jetzt gar keine mehr und nur noch selten Cigarillos. Nur die Pfeife räuchert ständig vor sich her, salbt aber mehr das Naseninnre, als daß der Rauch tatsächlich in die Lunge geht. Damit ist meine ständige Husterei vorüber, sogar auf dem Crosstrainer während meiner 10-km-Läufe, die ich alle zwei Tage mit einprogrammierbaren Widerständen durchziehe, die mich knapp an die Grenze des Kreislaufs führen. Sowie ich merke, daß er irgendwie disselig wird, schalte ich die Widerstände herunter und laufe locker weiter. Ab der zehnten bis zur sechzigsten Minute schwitze ich wie ein Springquell, aber der Herzschlag, den man an dem Gerät kontrollieren kann, geht nie über 157… na gut, einmal hab ich 164 erreicht. Dafür liegt mein Ruhepuls bereits wieder bei 50. Für einen Hyperaktiven von 57 Jahren ist das eine, denke ich, prima Konstitution. Steige ich hinterher aufs Fahrrad, allerdings, und radle heim, hab ich das Gefühl, in runden Matsch zu treten.

Um morgens Viertel vor sieben also saß ich am Schreibtisch und hatte überhaupt keine Lust auf das Arbeitsjournal. Aber Lust auf Holmboes Streichquartette, die gestern hier ankamen und die ich seit heute früh, wenn ich hier bin, unausgesetzt höre, in die ich mich hineinhöre. Sie sind faszinierend, allerdings sehr kühl; ich fühle ihr inneres Melos noch nicht, habe aber den Instinkt, daß sich das nach mehrmaligen intensiven Hören sehr ändern kann, bzw. sogar: wird.
An die Litblog-Theorie. Das ist eine ganz andere Arbeit als ein poetischer Text; sie fordert eine ständige Klarheit des gemeinten Gedankens; auratische Momente spielen kaum eine Rolle, außer bei gelegentlichen stilistischen Volten, mit denen ich auch sie zu fassen versuche. Der Text hat etwas von einer ständigen Improvisation, aber etwas Freejazziges, nichts, das einer Melodie folgte, die einen per Empathie trägt. Das strengt beim Überarbeiten sehr an, ohne daß ich mit Lusterlebnissen entgolten würde, die mir das poetische Schreiben oft schenkt, schon, weil es in einem theoretischen Text keine Personen gibt, mit denen oder gegen die ich fühlen könnte. Um so stärker mein Impuls, immer wieder mal nach >>>> dem Gogolin zu greifen, der mich wirklich gefaßt hat. Ich will aber jetzt über „Calvinos Hotel” noch nichts detailliert schreiben, damit ich für einen späteren Text nicht mein Pulver verschieße, ihn nämlich nicht nach Abschluß der Lektüre nicht mehr schreiben mag.

Viel schriftliche Korrespondenz war heute vormittag außerdem zu erledigen.
Jetzt mach ich erst mal mit der Theorie weiter. Abends will ich dann wieder im Gogolin lesen. Und vielleicht geht’s nach zehn noch mal auf zwei Biere ins Soupanova. Bis dahin: Pfefferminztee.

18 Uhr:
[Holmboe, 12. Streichquartett.]
Dieser Satz ist jetzt wohl den Sundowner wert:
Alleine an der Radikalität kann sich wahres, aber auch ein falsches Denken erst erweisen.Also Talisker und Evening Latakia.

3 thoughts on “Arbeitsjournal mit Holmboe und Gogolin, sowie im Sport. Dienstag, der 8. März 2011.

  1. Lieber ANH, Sie machen sich ja älter, als Sie sind! Es mag die Suggestion der Zahl 57 sein. Aber irgendwann achtet man wahrscheinlich nicht mehr so darauf, sobald man in der Vierten Instanz angelangt ist und noch voll in der Dritten steckt. Das beweist die Wahrheit des kursiven Satzes, der nicht falsch sein kann, weil er ein Beiderlei, sofern die Voraussetzung Radikalität gegeben. Aber Sie wissen sich diese zu belohnen. Vom Pfefferminztee („bis dahin“) zum Talisker. Gruß!

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