Das Reisejournal des Sonntags, dem 27. März 2011. Heidelberg und Frankfurt am Main.

10.33 Uhr:
[>>>> NH-Hotel, Heidelberg.]
Damit ich mich >>>> nicht wiederhole. Doch dieses Hotel empfehlen möchte ich hier eigens noch einmal. Die geräumigen Zimmer haben sogar eine Terrasse und, für meine Leserinnen wichtig, Badewanne. Eine marmorne Platte für den Laptop ist. Man darf auf den Zimmern rauchen (es gibt aber selbstverständlich auch Nichtraucher-Zimmer). Ich sitze neben der geöffneten Terrassentür am Schreibtisch und paffe meine Morgenpfeife, während ich dies hier tippe. Die Feier ging bis halb fünf, für den „harten Kern”, selbstverständlich, da durfte der auch in der Loggia rauchen. Vorher hatten wir gesungen, der ganze Festgastskreis, so um die einhundert Leute: Gaudeamus igitur… Besonders nachdrücklich sei der Jubilar, berichtete nachher der freundschaftlichste Spott, bei dem Vers Vivat omnes virgines, faciles, formosae! zu verstehen gewesen.
>>>> Wilhelm Kühlmann ist fünfundsechzig geworden, und ich war zu Festakt und Feier geladen. Wenn ich meinen Alkoholpegel ausgeatmet, weggeduscht und davongelesen haben werde, werde ich nun nach Frankfurtmain weiterreisen, um mich nachmittags mit Do und abends dann mit C. und B., den nächsten Freunden, zu treffen, bei denen ich auch übernachten will, bevor es einmal wieder, auf zwei Tage, in die Serengeti gehen wird. In der Gesellschaft von Löwinnen muß man ja nüchtern bleiben, der kätzischen Übersprünge halber, die dieser Tiergattung Küsse bisweilen reflexhaft mit Bissen verwechseln, und zwar ohne, daß sie das wenigstens reimten.
Eine ganz silberne Thermoskanne Kaffees steht bei mir; auch architektonisch gefällt mir das Hotel, dessen Empfang an das ARD-Hauptstadtstudio erinnert, ja überhaupt an die neue Berliner Architektur: eine Halle, die direkt an das Gründerzeitgebäude der Heidelberger Aktienbrauerei, die ehemals hier produzierte, herangebaut ist; in die luftige Postmoderne sind noch die großen Bögen integriert; Sie wissen ja, wie sehr mir solch Synkretismus gefällt, ob in den Texten, ob aus den Häusern.; an New York City haben mich immer begeistert, und sie begeistern mich noch, die alten kleinen Kirchen, die zwischen den Wolkenkratzern stehen wie Pforten zu und aus Anderen Welten; dieselben Kirchen würden mich quälen, stünden sie noch in einem Dorf und wären als Glockenturm das höchste Bauwerk der Siedlung. Eben daß sie das verloren haben, erzeugt und firmt ihren Reiz.

11.35 Uhr:
Nur >>>> schlimmste Nachrichten aus Fukushima. Auf der bizarren Herfahrt (wegen eines Defekts im Triebwagen war der ICE bereits mit 25 Minuten Verspätung von Spandau losgefahren, und dann war auf der Strecke ein gesamtes Stellwerk ausgefallen) war das Unglück kurz Thema unter uns Reisenden. „Nicht über Biblis fahren.” „Wieso? Das ist doch abgesellt.” „Wissen Sie, ich begleite – und kritisiere! – die Entwicklung der Reaktoren seit dreißig Jahren. Man kann einen Reaktor nicht abstellen. Es ist reine Politik, etwas anderes zu behaupten. Aus der Atomenergiewirtschaft auszusteigen, kann nur bedeuten, keine neuen Reaktoren mehr zu bauen.” Da hatten wir schon fünfzig Minuten Verspätung, und der alleinreisende hünenhafte Mann, der schräg hinter mir saß, bekam einen Wutanfall. Er mußte seinen Flieger nach Finnland erreichen, Aeroporto Rheimmain; wir standen aber da noch vor Fulda.

Wieso riecht es hier plötzlich nach Hund? – muffigscharf, nach nassem Hund; das schwallt mit dem Wind hier herein.

2 thoughts on “Das Reisejournal des Sonntags, dem 27. März 2011. Heidelberg und Frankfurt am Main.

  1. Japanische Kirschblüte Ich bin betroffen.Die Atomenergie betrifft MICH. Nur weiter so.
    Es wird der Zeitpunkt kommen, wo es uns wurscht ist, wer wo liest oder eine Ausstellung hat oder sonstwas. Es wird der Zeitpunkt kommen, wo das kein Schwein mehr interessiert. Das sollte vermieden werden.
    Alban hat gesagt er hätte keine Angst (irgenwo hier in seinem Blog) ich hab sie schon – diese Angst.
    Ein Freund ist hier, er übernachtet im Gästezimmer.. Er war unter Blix im Irak unterwegs (um diese nichtexistierenden Massenvernichtungswaffen zu finden) und sie fanden nichts.
    Aber jetzt ist die Situation wesentlich schlimmer. Ich weigere mich so weit zu denken ! Ich bleibe cool – wie die Japaner. Es ist doch geil, cool zu sein….nichts kann dir was anhaben. Ein Freund von mir lebt in Hiroshima, einer aus Oberösterreich, ein Schriftsteller, er schreibt immer noch für den „Falter“
    Aber er bleibt eben dort. Wartet auf die Kirschblüte. Da unten im Süden ist es ja nicht so schlimm.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .