Arbeitsjournal. Donnerstag, der 31. März 2011. Mit Georg Diez und zwei Kurzfilmen von Katharina Adler und Katharina Schubert. Sowie abermals Meere.

8.14 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Zurück. War ein langer Flug diesmal, weil ich Ewigkeiten Aufenthalt in Amsterdam gehabt habe, aber wiederum nicht genügend Zeit war, einfach in die Stadt zu fahren. Ich bekam aber auch nicht genügend Konzentration zusammengesammelt, um die Wartezeit für meine Arbeit zu nutzen; zu sehr saß mir die Hitze der Serengeti noch in der Haut. Wie auch immer, kaum war ich angekommen, zog ich ins Soupanova zu >>>> dieser Veranstaltung los, um dort auch den Profi zu treffen. Er berichtete von einer Razzia Berliner Einsatzkommandos gegen Lokale, in denen nach wie vor geraucht wird; sogar >>>> die Bar sei betroffen. Dabei weist sie sich als Raucherlokal eigens schon am Eingang aus. „Die Kernkraftwerke lassen sie laufen, aber gegen Raucher gehen sie mit Razzias vor”, so des Profis Kommentar.
Die beiden Kurzfilme waren interessant, gerade in ihrer theatralischen Ästhetisierung; uninteressant, ja durchaus blöd war die Moderation durch >>>> Georg Diez, der fast krampfhaft, dabei aber hilflos versuchte, ein ideologisches Primat der Realität unter die Filme zu schieben und deshalb ständig so neben ihnen saß wie neben den beiden Autorinnen. Dadurch bekam das auch eher stotterige Gespräch zwar unterhaltsam-komische, doch eben Seiten, unter denen die Lichter der Themenverfehlung blinkten; stur nahm Diez sie hoch und warf sie erneut auf die Filme. Doch weil alle freundlich sein wollten, schließlich hatte man sich den jungen Moderator ganz selbst gewählt, nahm ihm keiner das übel. Er war, übrigens, mit Maxim Biller gekommen; außerdem war er übermüdet, da just aus Jerusalem angeflogen – erzählte er mir, als ich mit Biller beisammenstand. Der wiederum hatte mir schon gleich gesagt, er wolle ganz hinten sitzen, damit er vor der Zeit weggehen könne. – Selbstverständlich sprachen wir auch über die >>>> Buchprozesse; Anlaß war dtv; doch will ich mich dazu hier nicht äußern, es sind zu viele „reine” Vermutungen im Spiel, die wiederum mit persönlichen und vor allem literaturfremden Haltungen einzelner Entscheidungsträger zu tun haben. Ich führe ungern Leute vor, was ja etwas anderes ist, als Kritik an ihnen zu äußern. Wie auch immer, schien Biller mit meiner Entscheidung in keiner Weise einverstanden zu sein, an >>>> MEERE einige Details zu ändern, weil es mir ja gerade nie darauf angekommen war, jemanden zu verletzen; bekanntlich war dies schon mein Vorschlag gewesen, als die Einstweilige Verfügung eingegangen war, aber ich hatte mich gegenüber dem Verlag nicht durchsetzen können, der, anders als ich, einen Prozeß führen wollte, „um diese Fragen ein- für allemal zu klären”. So etwas ist enorm teuer. Als der Verlag aus dem Prozeß dann ausstieg, konnte ich selbst Prozeßpartei werden, aber regelte die Angelegenheit außergerichtlich ganz so, wie mein allererster Vorschlag das schon gewollt hatte. Er selbst, beharrte Biller, werde gar nichts ändern. Nun ja, dachte ich mir, um eine solche Haltung einzunehmen, kommt es mir zu sehr auf die dargestellten Dynamiken an, auf ihr Überpersönliches und Übertragbares, mithin: auf die Dichtung; die einzelne reale Person spielt da überhaupt keine Rolle, schon gar nicht die des Autors. Freilich hänge ich auch nicht Billers Naturalismus an, sondern wir sind sowieso, ästhetisch, Antipoden.
Aus diesem Gespräch ließ sich so wenig gewinnen wie aus Diez’ den vorgeführten Filmen allzu ferner, seltsam ideologischer und auch durchaus zu modisch-lässiger Moderation.
Ich hätte andere Fragen an die Filme gestellt, vor allem an den Kurzfilm Katharina Schuberts, dessen Dialoge in einer erfundenen Sprache geführt werden; allerdings wird sie in Untertiteln übersetzt – was ich schade finde. Beide Filme, auch der Katharina Adlers, sind Filme über die Einsamkeit, ja bei allem Gesprächigen fast kommunikationslos; an die Stelle des Austauschs rücken Stanzen, Sicherheits-Vereinbarungen, bisweilen aphoristische Zuspitzungen; das hat etwas Autistisches und – in klinisch-psychiatrischem Sinn – Gemüt- und Empathieloses, was von den künstlerischen Settings noch betont wird. Daß die Filme „alt” wirken, „vergangen”, hat Diez sehr wohl bemerkt, aber eben gegen die Ästhetik gerichtet, anstatt die Kontinuität des Verlorenen herauszuheben, die dadurch zu Bild wird. Für den Film Katharina Adlers hätte er, zum Beispiel, gern eine bizarrere Kulisse gehabt, eine mehr phantastische, jedenfalls ungewöhnliche, anstatt ausgerechnet einen ausgedienten Hangar. Dabei ging ihm offenbar überhaupt nicht auf, daß Adlers Filmästhetik, jedenfalls in diesem Kurzfilm, Tarkowski zitiert – oder er wollte solche Parallelen bewußt nicht zur Sprache bringen.
Mir lag vieles auf der Zunge, aber ich war zu müde und hatte auch keine Lust, mich in die Diskussion zu werfen. Deshalb ging ich nach dem ersten Teil des Abends hinaus und rauchte draußen meine Pfeife, wobei wir leise sprachen, der Profi und ich.

9.15 Uhr:
Jetzt muß mich erstmal wieder in meine eigene Arbeit finden. Die Kritik zu >>>> Bieitos Serail-Inszenierung ist noch immer zu schreiben; immerhin fing ich in Amsterdam schon damit an. Dann will ich noch einmal, für das neue Hörstück, alle Bücher Ricarda Junges lesen; außerdem ist UF’s Lektorat des Jungenromans zu bearbeiten. Um elf will ich im Sportstudio sein, wo ich einen neuen Trainingsplan bekomme. Nachmittags kommt eine Freundin her, um meinem Jungen ein paar Klamotten zu bringen, der heute abend hier schlafen wird. Die nächsten Opern sind gebucht, ein konzertanter Parsifal am 8., eine neu inszenierte Salomé am 10. April, und „zwischendurch”, am kommenden Dienstag, dem 5. April, muß ich zu einer Elegien-Lesung nach Oldenburg. Meine neuen Augen werde ich am 18. und 19. bekommen; ich bin so gut wie unaufgeregt: das ist der Vorteil, wenn man der Technologie optimistisch gegenübersteht.

3 thoughts on “Arbeitsjournal. Donnerstag, der 31. März 2011. Mit Georg Diez und zwei Kurzfilmen von Katharina Adler und Katharina Schubert. Sowie abermals Meere.

  1. Ich kenne Ezra nicht, vielleicht ließe sich das bei Biller gar nicht auf diese Weise lösen, grundsätzlich aber finde ich, Worte und Sätze lassen sich immer ändern, wenn es auch gute Gründe geben kann, auf sie zu beharren, es ist, wie mit vielen Dingen, ein Kamm zum drüber scheren reicht oft nicht.
    Ich kenne schon einen Linsencyborg, die Welt, sagt dieser, ist nun viel bunter, es ging alles gut und die Klinik am Spreebogen hats gerichtet, soweit ich mich erinnere. Alles Gute dafür.

  2. Razzien gegen Raucher? Die Stadtstaatsmacht probt wahrscheinlich nur den Ernstfall, da muß man denen nicht böse sein, die tun ja nur ihre Pflicht. Haben die Einsatzkommandos denn wenigstens Nikotin-Lutscher dabei, so als nette Geste?

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