Dankbarkeit. Von Kieldad erst und nach Potsbul. Das Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 1. Juni 2011.

7.46 Uhr:
[Kiel, Maritim Bellevue-]
Allein, hier zu erwachen:Die >>>> Elegien-Lesung in dem kleinen Literaturhaus Kiels war wunderbar, abermals strikt und menschlich konzentriert, und hätte die junge Buchhandelsaushilfe nicht die Bücher fast sofort wieder weggepackt, weil sie wohl schnell nachhause wollte, derweil wir noch fast alle standen und sprachen um die schmale Theke herum, und tranken, es wären weitere Bücher weggegangen. Ich mag den Leiter des Hauses sehr, Wolfgang Sandfuchs, auch wenn er – aber auch: weil er – so von Kopf bis in die Zehen erst ärgerlich war, ja zitterte vor Zorn. Eines Mißverständnisses wegen, wie sich das für mich ausnimmt. Für ihn war die Nachmittagsveranstaltung in der Uni ein Konkurrenzunternehmen hinter seinem Rücken gewesen, das sich an seinem Etat gütlich hielt. Er sah sie als öffentliche Lesung, derweil sie für mich eine akademische Veranstaltung von Seminarcharacter war mit einem zumal ganz anderen Thema. Vor der Abendlesung war ich eine Stunde vorher im Literaturhaus erschienen, um die Sache mit Sandfuchs vom Eis zu kriegen. Ganz, leider, gelang mir das nicht, doch das wird nun zwischen Uni und Literaturhaus geklärt und nicht mehr als etwas betrachtet, das von meiner Seite aus unfair gewesen. Es war dann auch so, dies mein Eindruck, daß der Ton der Elegien auch auf diese Auseinandersetzung mildernd wirkte. Indes, noch einmal, es gefiel mir der Zorn, gefiel mir dieses so persönliche Engagement, daß es völlig körperlich wurde.

Danach ging’s noch zum Italiener, gegen ein Uhr nachts war ich im Hotel.
Jetzt hupt ein Schiff über die glänzende Förde.
Ich werd zum Frühstück hinuntergehen, ein Kleinigkeit zu mir nehmen, dann unter die Dusche und losziehn, erst einmal zu meinem >>>> Tabakhändler und -manufacteur Motzek auf einigen Plausch, und sicherlich nehme ich Tabake mit; danach wird’s dann zum Bahnhof zurück nach Berlin und >>>> weiter nach Potsdam gehen. Die Zugfahrt wird Ricarda Junge wieder gehören, der Abend den >>>> Fenstern von Sainte Chapelle. Ab übermorgen will ich erste Texte für das Hörstück niederschreiben.
Guten Morgen, Leserin, meine.

9.24 Uhr:
Man soll nicht immer so tun, als stünde einem alles rein selbstverständlich zu.Ich fühle gerade eine große Dankbarkeit für diesen Vormittag, diesen Luxus, auf dieser Terrasse sitzen und das, wie der nahste Freund immer sagt, „große Hafenkinio” betrachten zu dürfen, ohne einen direkten nächsten Termin, der mich schnell forttreibt. Räucherfisch, passend, zum Frühstück, verschieden eingelegte Heringe, der Kaffee, nachher die Pfeife, leis für mich. Dazu ein strahlender Himmel, kaum geht hier an Land ein Wind. Zu meinen Füßen ein kleines privatöffentliches Seebad; in die Förde gebaut steht es auf Stelzen. Und immer wieder die Tuten der Schiffe.
Dankbarkeit ist soeben das richtige Wort. Bei aller Härte meines Berufs, bin ich doch hochgradig privilegiert. Nein, es ist kein Jammertal, das Leben.

Für meine Rückfahrt reicht’s, wenn ich den 15.21er nehme. Der Profi will mich am Berliner Haupftbahnhof aufnehmen und nach Potsdam weiterfahren mit mir. Um elf erst muß ich ausgecheckt haben.

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