Weitere Lektüren, Eine schöne Geschichte erneut. Das Arbeitsjournal des Sonnabends, dem 4. Juni 2011. Mit einem putten Fuß.

10.04 Uhr:
[Arbeitsjournal.]
Abermals die Faszination durch Ricarda Junges Eine schöne Geschichte, die >>>> ein dunkelglühender Text voller Geheimnisse und Beklemmungen ist und mir vorkommt wie ein Schlüsseltext, der unter den vorhergegangenen Erzählungen und der nachfolgenden liegt; ja ich habe die Idee, daß sich die Autorin das reale Setting des vorgeblich süffigen Romans Die komische Frau selbst erschaffen hat; er ist wie eine Verkleinerung, Verarbeitung, wie eine Reaktionsbildung auf Eine schöne Geschichte. – Dieser Fährte will ich nachgehen, bzw. sie für das Hörstück – als nun meine Geschichte zu Ricarda Junge – über die Collage konstruieren. Daß ich heute nicht zum Sport darf, hilft mir dabei. Rein zeitlich gemeint.

„Ich höre ja nicht einmal auf mich selbst!” hatte ich gestern ins Telefon gerufen, als mich die Löwin bemahnt hatte und dabei sogar einen leicht Wiener Tonfall in die Stimme bekam: „Warum hörst du nicht auf die Frauen?”
Nämlich.
Als ich vorgestern morgen aufstand, aus Kiel und Potsdam zurückgekehrt, war da schon ein ziemlicher Schmerz im linken Fußspann gewesen; es war nicht leicht aufzutreten, der Fuß auch ein wenig geschwollen. Davon hatte ich meiner Löwin erzählt, und Frau v. Samarkand bekam das ebenfalls mit, umstandshalber, daß ich hinkte. „Sport machen sollten Sie heute nicht”, sagte sie. Das Gleiche sagte die Löwin auch.
„Na ja, vielleicht nicht laufen. Aber den Oberkörper trainieren werd ich schon können.”
„Laß es sein”, sagte die Löwin.
Woher der Schmerz und die Schwellung rühren, ahne ich nur. Seit es so warm ist, trage ich fast nur offenes, leichtes Schuhwerk aus Tuch oder Korb mit Sohlen, die man so fast nicht nennen kann; ich gehe am besten barfuß, seit je. Doch für Kiel war Regen angesagt worden, also hatte ich wieder feste Schuhe genommen, die hart am Boden sind. Mir scheint’s, als hätte mein Fuß dagegen protestiert. Jedenfalls schwoll er an. Und jedenfalls ließ ich mich nicht weisen – und trainierte gestern wie üblich, lief also auch. Nur dreieinhalb Kilometer und locker, aber es das scheint gereicht zu haben. Am Abend half schon Voltaren nicht mehr. Und seit heute früh – es war eine herumgeschlagene Nacht auf dem Bettzeug, voll fieberiger Träume -, – also seit heute früh kann ich kaum mehr auftreten. Habe den linken Fuß jetzt in einem festen Turnschuh, so geht es einigermaßen, auch wenn ich mich irre verrenke bei jedem Schreitversuch.
„Ich hab’s dir gesagt und kommentiere das nicht mehr”, vorhin, diesmal ohne Wiener Zungenschlag, sondern protestantisch klar, die Löwin.
„Wie ich das zu >>>> Mitte Meer nachher schaffe, weiß ich noch nicht”, erwiderte ich. „Aber ich garantiere dir, d a ß ich es schaffe.” Denn alles, nahezu alles ist eine Frage des Willens: das hab ich von meiner Mutter und auch meiner Großmutter intensiv gelehrt bekommen; diese, mit 84, stand eine Nierenstein-OP durch; was nichts Bedeutendes ist, wohl aber, daß sie bereits am Tag nach der Operation nicht im Krankenhausbett liegenblieb, sondern anfing, den Schwestern zur Hand zu gehen. Als man ihr das nicht erlaubte, setzte sich die alte Dame nachhause ab – kommentarlos. Und kurierte sich dort dann aus; sie erlaubte es kaum, daß man für sie die Einkäufe machte. „Ich bin nicht aus Zucker” ist einer meiner Standardsätze; auch er stammt von ihr. Also schwing ich mich gleich aufs Rad und fahre los, um Fisch zu kaufen.
Abends wird er >>>> bei BRSMA gekocht und auf dem Balkon, zu einigem Wein und zu Spargel, verzehrt werden. Die vier Stockwerke komm ich da schon hoch. Bis dahin aber will ich Eine schöne Geschichte ein zweites Mal ganz gelesen und auch schon einiges für die O-Ton-Gespräche notiert haben, die ich ab übernächster Woche mit Ricarda Junge führen will, um die Aufnahmen mit ins Stück einzubauen.
Also, Leser, heute dürfen Sie mich einmal wieder den Humpelherbst nennen. Bei sowas ist Spott die beste Antwort. Wenn man sich da ein Geleide durchgehn läßt, wird eine Tür geöffnet, die niemand wieder schließen kann, der nicht mehr zwanzig ist. Der Übergang von Schwäche zu Hypochondrie wird irreversible Verkalkung, wenn man sich Schwäche durchgehen läßt. Deshalb ärger ich mich, daß ich jetzt „vernünftig” bin und heute aufs Training verzichte.
Aufs Rad jetzt!

11.55 Uhr:
Zurück. Fahrrad zu fahren ist völlig unproblematisch, gar kein Vergleich jedenfalls zu der Humpelei, wenn ich zu Fuß gehe. – Was habe ich gefangen? Einen ganzen Rotbarsch, 1600 gr, zehn Gambas, eine sehr frische und fette Scheibe Gorgonzola, sowie einen spanischen Blauschimmelkäse, der kräftig und zugleich sahnig ist. So frühstückte ich denn eben auch und schnitt mir dazu >>>> vom Serranoschinken und der Spianata, die nun schon über zwei Monate hier auf dem Trocknenden liegt und sich unterdessen halbiert hat. Wenn ich nicht trainiere, esse ich schwelgend; wenn ich trainiere, esse ich wenig, einfach, weil der Körper es anders nicht schafft: alles, was man tut, ganz tun, niemals temperiert. Mittelmaß ist immer der Anfang vom Ende der Leidenschaft.
Jetzt wird weitergelesen. >>>> Der Freund war noch nicht zu erreichen; er habe gestern, hatte er mir angedeutet: also gehabt, eine lange Nacht vor sich, die man nur, als Adjektiv, equipage nennen könne…
Jetzt wird aufs weitere Junge weitergelesen.

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