Das kleine Glück der Tastatur. Arbeitsjournal. Mittwoch, der 2. Februar 2011. Später dann zu Understatement und bindender Moral. Sowie zur Disziplin.

4.50 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Gut und pünktlich hochgekommen. Den Ofen versorgt, derweil die Pavoni das Wasser erhitzte; Latte macchiato bereitet, die Morgenpfeife gestopft. Schon seltsam, wie schnell immer zwanzig Minuten vergehen. Einen Tuck zu wenig Schlaf gehabt; ich lag ja erst um halb eins; Punkt Mitternacht ist besser. Aber es ist auch (wieder) eine Frage der Gewohnheit.
Die Finger eilen über die neue Tastatur, daß es ein einfaches Glück ist.

An die Erzählung.

18.55 Uhr:
Habe grade >>>> diesen Wutanfall gekriegt.

Aber ich arbeite immer noch weiter. Hab schon wieder vierzehn Seiten. Manchmal gerate ich aber ins Stocken, weil noch der Ausdruck fehlt. Bislang ging es aber immer dann weiter. Es stimmt schon, dieser Edison-Satz von dem einen Prozent Inspriation und den übrigen 99 Prozenten aus Schweiß. Ich habe gegen Leistung nichts einzuwenden, auch nicht gegen Leistungs-Gesellschaft. Im Gegenteil. Ich habe etwas gegen eine Gesellschaft der Muße, in der diejenigen Leute das Fernsehprogramm bestimmen, die den Teufel tun würden, es sich anzusehen; es ist ein Mittel zu ihrem Zweck. Der keiner des dämmrigen Schlafs ist.

20.01 Uhr:
„Papa, darf ich auch heute bei Dir schlafen, heute u n d morgen?”
So ändern sich die Planungen; also ich skype gerade etwas mit der Löwin, während der Bub am Cello übt und dann noch etwas Latein machen wird. Vielleicht komme ich auch noch einzwei Seiten im Text weiter. Aber dann werden wir beiden Männer den Abend miteinander verbringen, bis mein Junior auf sein Vulkanlager geht. Sicher wird auch vorgelesen werden, Kaas Jagdtanz (ff). Mit heute (bis jetzt) fünfzehn Typoskriptseiten darf ich aber auch guten Arbeitsgewissens sein. Spätestens am Sonnabend abend wird die Dritte Überarbeitung der Fenster von Sainte Chapelle dann korrekturfähig vorliegen. Die Korrekturen dann über den Sonntag, und Montag kann das Ding schließlich ins Lektorat gehen. Woran sich gleich die Fahnenkorrektur der Bamberger Elegien und sofort darauf das Jungenbuch anschließen werden, das ja bis März ebenfalls fertigsein soll.
Von jemandem, der ein Interview mit mit führen will, kamen derart faszinierende Fragen, übrigens, daß ich nur den Hut ziehen kann – hätt ich denn gerade einen auf. Das wird jedenfalls ein enorm spannendes Gespräch werden.

Gegen >>>> d a s dort schwingt ungesagt immer mit, daß jemand, der „Großes“ vollbringe, das nicht sage, bzw. wenn er es doch sagt, sei das ein Zeichen dafür, daß es nichts sei außer Angeberei – weil man es sonst ja nicht nötig hätte. Es ist erstaunlich, wie wenig den Leuten bewußt ist, daß es sich bei dieser Meinung um eine Moral handelt, die in sie eingepflanzt worden ist, um sie im Griff zu haben und eigene, nicht fremdbestimmte Bewegungen zu lähmen. Understatement ist dort am Platz, wo Akzeptanz bereits ist; aber da, wo sie nicht ist, verhindert es die Akzeptanz. Hinter dieser Dynamik steht ein Kalkül der Macht weniger über viele.

23 thoughts on “Das kleine Glück der Tastatur. Arbeitsjournal. Mittwoch, der 2. Februar 2011. Später dann zu Understatement und bindender Moral. Sowie zur Disziplin.

  1. Gegen Muße sollte man aber nichts haben! Den Leuten, die das Fernsehprogramm bestimmen, fehlt jene sicherlich eher.
    Aber ich ziehe den Hut vor der Disziplin, früh um 5 mit dem Schreiben zu beginnen.
    Gibt jetzt auch ein Buch von Ulrich Schnabel: Muße. Allein das Wort. Man stelle sich vor: Musse. Das wäre wieder das ganze Gegenteil.

    1. @Thomas und Karl zur Muße. Hinter der Rede von der Muße steht Absicht. Sie soll ruhigstellen, was sich bewegen will. Mit Muße ist niemals etwas geschaffen worden, das wir heute bewundern. Selbst die buddhistische Muße hat gleichgültig verhungern lassen, was um sie herum hungerte. Und Muße hat nicht einen einzigen Stein an der Kathedrale von Chartres vermauert. Muße hat das Tier – wenn es satt ist. Da es keine Lieder kennt, geschweige sie komponieren kann, hat die Muße bei ihm seinen richtigen Platz.

      (Hinter der Muße steht ideologisch die Idee, daß die Welt harmonisch sei oder würde. Beides ist unwahr.)

    2. Entgegnung Unter Muße verstehe ich Zeit, die mir zur freien Verfügung steht, Zeit die ich nicht darauf verwenden muss um zu überleben oder Erwerbsarbeit zu leisten. Sie ermöglicht

      a) die Setzung eines Wertes (nämlich dessen, was ich für fundamental wichtig erachte) und ist

      b) gleichzeitig ein Entzug, ein Kontra gegen Erwerbsarbeit, gegen Beschleunigung und alles was einem sonst widrig ist und ermöglicht

      c) Inspiration; – zumindest gerät mein Geist gerade dann in Bewegung wenn alles andere zu Ruhe kommt, wenn ich nichts tue (und letztlich lädt das Nichtstun doch dazu ein, etwas anders zu betrachten als man es gewohnt ist, lehrt die Dinge einfach anzuschauen und für sich sprechen zu lassen).

      Muße ist das Gegenteil von dem was wir tun sollen, nämlich entspannen und regenerieren, um wieder reibungslos in den Arbeitsprozess zu gleiten.

    3. @Metepsilonema (Muße, fff). Möglicherweise gehen wir von verschiedenen Vorausssetzungen, aber auch von verschiedenen persönlichen Arbeitsbegriffen aus. Denn ich gehe ja höchst selten Arbeiten nach, die ich nicht will, und wenn das doch einmal vorkommt, dann integriere ich sie sehr schnell in die, die ich will. Als Ausnahme fällt mir da eigentlich nur die Steuererklärung ein, bzw. alles, was mit Buchhaltung zu tun hat. Was ich deshalb auch fast durchweg schleifen lasse. Eine Arbeit, von der man sich erholen muß, wäre für mich der Ausdruck des Entfremdetseins. Im Gegenteil mache ich immer wieder die Erfahrung, daß ich mich am besten „erhole“, wenn ich der einen Arbeit, die ich gerne machen, eine andere Arbeit, die ich gerne mache, folgen lasse: es ist ein riesiger Vorteil künstlerischer Arbeit, daß alles, was man tut, in sie hineinströmt; beide aber dürfen, sollen und müssen anstrengend sein. Etwa, wenn ich Filme sehe, tue ich das deshalb lieber am Laptop als im Kino, weil immer Stift und Papier danebenliegen und ich, was mir auffällt, notieren kann – meist ist das solches zur Konstruktion. Im Kino bin ich vom Film viel zu sehr abgelenkt; es stiehlt mir die Konzentration. Während mich, wenn ich in Konzerten bin, die Musik aufheizt; in guten Konzerten (sog. klassischer Musik, ich zähle jetzt mal auch die Neue Musik dazu, jedenfalls Kunstmusik, weil mich fast alles andere langweilt, wenn nicht anödet) kann ich zu zittern beginnen, auch zu weinen – es ist wie beim Sport, der, als ich ihn noch betrieb, den Körper auf Leistungstouren bringt.
      In einer Muße sind wir allerdings wohl einig: beim Schlaf. Er nun, tatsächlich, „erholt“ den Körper und Geist, auch bei mir. Wobei mir auch da wiederum vier bis viereinhalb Stunden nachts völlig genügen, wenn >>>> die Routine stimmt, vermittels derer ich mich strukturiere; plus einer Stunde Schlaf mittags, die obligat ist. Ich schlafe allerdings auch immer nahezu schlagartig ein, und so, wenn die besagte Routine stimmt, wache ich auch auf. Stimmt sie nicht, dann weiß ich: irgendwas ist nicht in Ordnung.

    4. @ANH [Ich antworte kurz, ich bemerke gerade, dass ich das separat und ausführlicher behandeln muss.]

      Nicht grundsätzlich, aber unsere Gewichtungen unterscheiden sich. Ein freier Mensch hätte sich anders entscheiden können, als er es getan hat; für die Praxis bedeutet das, dass er es auch tut oder sich zumindest einen Raum offen hält, der ihm eine solche Entscheidung ermöglicht. Muße ist das Fundament unserer Freiheit: Wer keine Zeit hat, weil seine Lebensnotwendigkeiten sie aufzehren, kann sie nicht treffen oder allzu selten. Und dem, dem Arbeit alles ist, der sie nicht einmal in Frage stellen kann, der muss sich fragen ob er nicht zwanghaft handelt (oder er stilisiert). Sie haben doch Cello gespielt? Das wäre ein schönes Beispiel für mein Verständnis von Muße. Und Sie verbringen sicher einen Teil Ihrer Zeit mit ihrem Sohn und tun das gerne. Das ist Zeit, die Sie bewusst mit anderen Angelegenheiten verbringen, die Sie sich offen halten – nichts anderes meinte ich.

      Jemand der Muße verbindlich als Arbeit definieren will, missversteht sie, denn sie kann ihre Bedeutung nur erfüllen, wenn man ihre Unbestimmtheit erhält, sie gerade nicht verbindlich für etwas ansieht. Nietzsche war da in der Tat sehr hellsichtig.

  2. Kann man sich mal irgendwie drauf einigen, dass es nicht Marktschreierei ist, die die Ware gut oder schlecht macht? Bitte. Danke.
    Ausserdem verkennt es ja auch das dialektische Kalkül des Understaters, sagte doch RR mal, so groß isser nicht, dass er sich so klein machen dürfe, gelle. Möge die Macht mit Ihnen sein.
    Ich mag gar nicht kommentieren, ich habs immer noch nicht gehört, das Hörspiel, das liegt an vielem, der Laptop, auf den ichs gezogen hab, ist gerade nicht hier, morgen hab ich die Kopie. Und jetzt nicht denken, dass interessiere mich nicht brennend, in dem Moment, wo es mich brennend interessierte und ich mich dran setzten wollte, brannte bei mir mal wieder die Hütte. Ich sags nur, damit keine falschen Vermutungen entstehen.

    1. „dass es nicht Marktschreierei ist, die die Ware gut oder schlecht macht?“ @ Sowieso. Völlig einverstanden; sie macht sie nicht schlechter oder besser, als sie ist. Aber sie kann ihr zum Durchbruch verhelfen; sie muß ja nicht unbedingt geschrieen werden. Ebenso stimmt, daß nicht alles, was großen Erfolg hat, darum schon gut wäre; sehr oft ist es sogar anders. Allerdings ist auch nicht das, was keinen Erfolg hat, unbedingt gut. Marktschreierei – drücken wir es zeitgenössisch aus: Werbung – und Erfolg haben mit der Arbeit selbst meist wenig zu tun, wenngleich der Erfolg oder Mißerfolg durchaus das kommende Werk beeinflussen kann, weil Sicherheit und Unsicherheit, Glück und Frustration, auch vom Mißerfolg begründete ökonomische Not wie vom Erfolg bezahlter Reichtum in es hineinwirken; die künstlerische Arbeit ist ja von Welt nicht freizuhalten, weil das arbeitende Ich nicht von ihr freizuhalten ist. Anders wäre aber auch Kommunikation gar nicht möglich.

    2. Auch darum ist ja das teuflisch billige Internet so gut, jeder sein eigenes Fanzine für so gut wie Umme und nicht teure Armaniwerbung, die man dann am Anzug mitbezahlen müsste. Der Armanianzugbevorzuger an sich (Achtung, nicht gekaufte und nicht bezahlte und auch nicht von führenden Anzugträgern verifizierte und ressentimentgeladene Antiwerbung!) lebt aber ja gern nach der Devise, dass, was nix koste, eben auch nix wert sei (mal abgesehen davon, das im schnellen Verramschen, das fast nichts mehr Kosten unsinniger Margen, die auf Zeit spekulieren, das Ding dann wirklich wertlos stempeln: angestoßenes Mängelexemplar); und der Nichtblogger sieht sich ja auch gern mal von Leuten wie Ihnen um sein konzentriert verpacktes und käuflich zu erwerbendes, natürlich noch viel härter erschriebenes Brotbuch gebracht, ganz egal wie viel auch Sie veröffentlichen, kann ja nicht sein, hier was und da was, Flohmarkt und Boutique und noch Sohnemann versorgen, mal ehrlich, was so ein echter Schreiber ist, der hat zu vernachlässigen, der kennt nicht Familie nicht Freund nicht Feind, der muss, quasi zwanghaft alles andere vernachlässigen, sonst wirds nix mit dem Oevre, so kann das ja nichts werden nicht, sieht man doch gleich, alles fahrig, wo hingegen jeder andere Romstipendiat natürlich beim Wäsche aufhängen Alexandriner silbenlängend und deep in the Materie, quasi gesamtmeditativ sich abpressen muss gegen die Unbill dieses nur noch aus Ablenkung bestehenden vermaledeiten lärmenden Jahrhunderts. „Körner s Vormittag“, man kommt zu nix, sitzt im Morgenrock und die Störgrößen wedeln, Schiller hats dem Freund, der immer wieder pekuniär aus der Patsche half, schon abgeguckt, Schiller, so viele Kinder und mit allen soll er auch noch gespielt haben, vermutlich Super Mario Kart, und, sieht man ja, auch dessen Sprache, nur noch spruchbandtauglich, wir hätten ja ohne Schiller kein einzig geflügeltes Wort nicht, Goethe dagegen, tief ausgelotet und deep in the Haus of Sprache drinne, Gartenhaus zumindest. Verrät halt keiner so frank und frei von seinen Ablenkungen wie Sie hier, auch wenn man Ihnen eben anmerkt, Sie trauen sich damit selbst nicht so recht über den Weg und maskieren sie doch lieber wieder mit Arbeit, iss schon ok und ja auch nicht so verkehrt, denn noch wird ja nur Arbeit bezahlt, was auch nicht stimmt, eigentlich wird das geschickte repräsentieren von Arbeit nur wirklich bezahlt, wenngleich das bei Kunst natürlich großer Mist ist, so zu denken, da wärs doch eigentlich schöner, fürs Vergnügen, die Streitlust und die Ablenkung bezahlt zu werden, die macht ja dann auch Arbeit, werden wir nicht müde zu betonen, und, klar, iss ja auch so, nur mancher Erfinder, der sich irrsinnig viel Arbeit mit was gemacht hat, hat seine Erfindung eher beiläufig dabei getan (siehe Arbeitsjournal!), gut, kann man sagen, ohne die Arbeit an irgendwas auch keine beiläufige Entdeckung, hm, manch Hirnphysiologe sieht auch das, nach enormem Arbeitspensum, heut etwas anders. To be continued. Bölls Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral, ich glaub, die steht in heutigen Schulen auf dem Index. Ich muss mal was arbeiten, hm, ich mach erst mal Frühstück. Verzerrtes Wort: bets, wie die Betty Draper, die jetzt gerade ihren Don verlassen hat, die aber, jede Wette, zurück kommt, iss halt doof, wenn man die Serien schneller abgearbeitet hat als sie nachproduziert werden, muss ich jetzt mal The Wire zwischenschieben.

  3. Ach wenn es doch… … tatsächlich eine Gesellschaft der von z. B. Nietzsche → zurecht hochgehaltenen Muße wäre. Nicht zuletzt auch Schaffenskraft schöpft aus dem Otium, das m. E. mit «dämmrigem Schlaf» äußerst wenig gemein hat. Der Großteil des Fernsehprogramms dagegen scheint mir eher «ein Vergnügen, wie es müde-gearbeitete Sklaven sich zurecht machen» (ebda.).

    Dass es sehr oft eine überdurchschnittliche (sic!) Hartnäckigkeit ist, die sehr gute Arbeiten von «nur» guten unterscheidet, jenes Noch-nicht-aufhören-können wenn etwas den meisten bereits gut genug ist: geschenkt. Das hat meiner Erfahrung nach aber erheblich weniger mit Disziplin zu tun, als mit einer gewissen Überempfindlichkeit (im neutralen Sinn) und einem inneren Getrieben-sein (solange man dessen Fallen entkommt).

    Nicht zu unterschätzen auch: die nahezu selbstvergessene Freude, die einen während hochproduktiver Phasen überkommen kann, das Aufgehen in der Tätigkeit (die ich eigentlich nicht «Arbeit» nennen möchte, denn so anstrengend sie objektiv ggf. sein mag, so wenig erscheint sie im betreffenden Zeitraum als Mühsal.) Und das schiere Glück, wenn man am Resultat nichts mehr – das heißt: nicht mehr genug – auszusetzen hat (wehe dem allerdings, der an dem, was einen dann noch von absoluter Perfektion trennt, verzweifelt), bzw. wenn mit einem Mal etwas tatsächlich erstmalig gelingt.

    À propos: wir übersehen als Erwachsene oft, wie Kinder für sie anfangs schier unmögliches lernen, beispielsweise das Laufen: immer wieder anfangen, immer wieder aufstehen, immer wieder neu versuchen. «Diszipliniert» ist das nicht unbedingt, allerdings extrem hartnäckig. Offensichtlich eine menschliche Grundeigenschaft. Eine die bedauerlicherweise viel zu oft verkümmert – oder vielmehr verkümmert wird.

    In der Disziplin liegt mir zuviel Zwang, Sklaverei und Protestantismus – für eine Hartnäckigkeit aus vitaler Freude, Neugier und Überschwang bin ich dagegen jederzeit zu gewinnen.

    1. @brsma. F ü r Disziplin und zum Bäcker bei Sowieso. Selbstdisziplin, wohlgemerkt, nicht etwa Exerzitien, obwohl auch die, wie wir aus religiösem Training wissen, sehr weit voranbringen können.
      Aber. Disziplin schafft Routinen, und Routinen gehen in die Physiologie über, was eine ungeheure Hilfe beim Bewältigen großer Strecken ist. Wir könnten ohne Routinen nicht einmal Auto fahren, ohne andere permanent zu gefährden. Für Kunst wiederum ist die Routine absolut nötig für die Zeitökonomie, je nachdem freilich, was man sich vorgenommen hat zu hinterlassen. Das geht Hand in Hand mit einer gewissen und ungewissen Hybris, mit Sendungsbewußtsein, mit Wille. Ganz ohne Wille geschieht g a r nichts.
      Dies alles wird verstärkt, wenn auch auf Konsistenz einer Lebensarbeit geachtet wird, ja es wird verschärft. Konsistenz wiederum ist für den Werkgedanken wichtig, der wichtig dafür ist, daß etwas als eine gedachte und durchgeführte Einheit auch b l e i b t – also den Character von Dauer bekommt und von Wirkung auf später. – Daß man dabei scheitern kann, ganz entsetzlich scheitern, ist genau das Risiko, daß ein solches Unterfangen so berauschend macht. Ob wir es schaffen oder nicht, das, in der Tat, kann keiner von uns sagen. Der Bäcker aber kann es; er muß nur die Normen erfüllen, um sich a l s Bäcker zu behaupten und immerhin seine Existenz zu sichern. Hier liegt der Unterschied.

    2. @ANH Für Routine und Motivation – gegen Disziplin 🙂 Was die Routine(n) anbelangt (die auch, aber eben nicht nur durch Disziplin geschaffen werden können), bin ich deutlich bei Ihnen. Ebenso wie ich auch allgemein nicht ausschließen wollte, dass wir möglicherweise trotz begrifflicher Unterschiede dennoch auf etwas ziemlich ähnliches abzielen. Aber es geht mir hierbei eben durchaus auch um Begriffe, nicht zuletzt weil sie gerade in diesem Fall soziokulturell/politisch recht wirksam zu sein scheinen.

      Und beim Begriff «Disziplin» klingt für mich immer ein vorwiegend externer Zwang mit an, der gegen dieses ungenügend zugerichtete Häuflein Mensch und seine grässliche Entropie im Denken/Wünschen/Wollen/Tun wirkt. Zucht, Kasteiung etcetera – werfen Sie nur mal einen Blick in den guten alten Dornseiff, was da für Wortfelder beackert werden. Ich lehne das dem ganzen zugrundeliegende Modell des Menschen als einem zwangsweise zu konditionierenden – da sonst faulen, ungenügenden, versagenden, … – Wesen überwiegend ab. Nicht zuletzt, weil es sowohl meiner Selbstfahrung als auch meiner Erfahrung als Lehrer/Mentor deutlich widerspricht: ist in ausreichendem Maß Wille/Motivation vorhanden, braucht’s keine Disziplin, damit etwas geschieht: man handelt dann aus Lust und nicht aus Zwang. Das gilt daher auch noch für die Selbstdisziplin – zwingt man sich, fährt man immer ein wenig mit angezogener Bremse, denn etwas in einem will (noch) nicht und leistet Widerstand. Setze ich meine Instrumente zur Selbststeuerung dagegen am Wollen an, bleibt kaum mehr interner Widerstand zu überwinden und ich kann meine Energie ganz der Sache selbst widmen. Was davon sowohl produktiver ist als auch die besseren Resultate liefert, muss ich wohl nicht erläutern.

      Dem ganzen entspricht weitestgehend die in der Motivations- und Handlungstheorie getroffenen Unterscheidung in intrinsische bzw. extrinsische Motivation – und deren jeweilige Bewertung ist ziemlich eindeutig. Notabene: ich verneine nicht, dass extrinsische Motivation manchmal notwendig sein kann. Sie ist aber die deutlich schlechtere Wahl – wenn man denn die Wahl hat. Auf letzeres kann man aber hinarbeiten. Von mir aus, wenn’s denn sein muss (sic!) sogar mit Disziplin. 🙂

    3. Kurios hört sich das an, als würde da tatsächlich ein Gespräch stattfinden.
      Herr Herbst, wie halten sie das aus, da will Ihnen ernsthaft jemand das
      Ideale erklären, ich begreife das nicht.

  4. Vorher zu sagen, was am Ende dabei herauskommen soll, ist die beste Versicherung gegen das Sich-selbst-in-die-Tasche-Lügen. Eine (nennen wir es) Idee angemessen zu bearbeiten heißt immer, das Bestmögliche herauszuholen, ja tatsächlich hartnäckig zu sein wie ein Kind beim Laufenlernen, was als naturgegeben angesehen wird, weil das Kind das können will, was die anderen auch können. Banal, aber wahr. Als Literat / Künstler v o r h e r zu sagen, daß man etwas Großartiges auf die Beine stellen will, halte ich für ebenso normal, und am Ende entscheidet, wie ’sowieso‘ richtig sagt, nicht die Marktschreierei, die aber durchaus schon zum Werk gehören kann, sondern die Qualität der Ware. Niemand bestreitet, daß es großartige Kunstwerke aller Gattungen gibt – sollen etwa keine mehr nachkommen, nur weil der Künstler für sich in Anspruch nimmt, alles für die Realisierung zu tun und dies auf seine Weise auch noch zu sagen? Erst sind die Menschen sauer, daß man so anmaßend ist, dann sind sie es, weil man das eigene Maß erfüllt hat. (So what!)

  5. aber ohne muße fände ich nichts, keine wahrnehmung, keine sprache. muße ermöglicht erst die konzentration. zumindest bei mir.

    1. Ich höre immer Muße, als sei diese das Gegenteil von Arbeit, so wie das in der Antike galt, in der aber nur Sklaven wirklich gearbeitet haben, während die Genies Göttliches durch sich hindurchfließen ließen. Wer wirklich an seinen selbstgestellten Aufgaben arbeitet weiß natürlich, was sich erzwingen läßt und was nicht. Insofern ist Muße Teil der Arbeit und nicht mit Freizeit zu verwechseln. Muße muß sein!

    2. @ANH Sehe ich grundprinzipiell genau so, nur daß ich für jedes neue Projekt mir eine neue Routine erarbeite, die dann am Ende so kaputt ist wie das Projekt fertig, aber das hatten wir ja bereits einmal angerissen (Stichwort ‚Routinen‘). Was die Muße betrifft, so ist sie für mich, wie gesagt, Teil der Arbeit, die im Kopf, im Unterbewußtsein oder wo auch immer, weitergeht, während ich eine Weile etwas anderes tue. Die (An-) Spannung ist also eine andere, der Fleiß entkleidet sich seiner Sichtbarkeit. In jedem Fall ist Muße nicht dazu geeignet, die Arbeitskraft wieder herzustellen, so wie die sogenannte Freizeit das soll, wenn es um reine Lohnarbeit geht.

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