Reitvorschrift für eine Geliebte.

Wer die Erde verachtet, wer die Ferne nicht liebt, wer kleinlich und pedantisch ist, wer Winkelzüge macht, wer unklaren Geistes ist. wer zweifelt, wer verneint, reitet schlecht. Wer geradeaus will, wer das Leben sucht, wer die Ferne liebt, wer Gebieter ist und zumeist Gebieter seiner selbst, wer gefaßt ist und in sich gesammelt, wer sich vertraut und klaren Geistes ist, mag gut reiten. Reiten ist ein unaufhörliches Jasagen und gerade dann, wenn du deinem Pferde etwas zu versagen scheinst.
Rudolf G. Binding

(Daß er die doch ganz offenbare Pikanterie des mitvermittelten Doppelsinns,
den man für den eigentlichen halten muß, nicht begriff,
zeigt, von welcher Naivetät >>>> dieser Schriftsteller war,
der sich mit ganz derselben vom bellenden Hitler anschließen ließ.
Es ist zum bitteren Kopfschütteln wahr, daß er alleine vom Pferd spricht,
der Text aber nicht. So blind macht der Nationalismus gegen die Wahrheit.)


12 thoughts on “Reitvorschrift für eine Geliebte.

  1. Dafür spricht ja heute etwa “Man`s Health” -ein Magazin für Vulgärhedonisten und dekadente Gefühlsegozentriker- Klartext.

    Gute Zeit

    1. Ihre Assoziation, Tom. Ist mir nicht nachvollziehbar, zumal “vulgär” und “dekadent” in keiner Weise zusammenpassen. Und Man’s Health sei in der Tat ein nationalistisches Magazin? Auch das will mir, als Behauptung, höchst fragwürdig vorkommen.

  2. Stimmt. Dekadent war zu schnell dahergesagt, weil dieser Begiff auf eine ästhetische Bewegung des ausgehenden 19. Jahrhunderts bezogen werden kann.
    Dass das nämliche Magazin nationalistisch sei habe ich nicht gemeint. Sondern dass dieses Magazin (und nicht nur dieses) vulgär auf dem herumreitet, was dem deutschnationalen Dichter Binding vermeintlich entgangen ist.
    Gefühsegozentrisch ist das allemal. Das waren allerdings die Deutschnationalen auch, sonst wären sie, auf dem dünnen Eis einer rückständigen Ökonomie stehend, nicht für Parolen wie “Blitzsieg” anfällig gewesen.

    1. “vulgär auf dem herumreitet”: Sie meinen: auf dem erotischen Doppelsinn? Falls ja, wäre das wiederum deshalb nicht anzuwenden, weil Bindings Text naiv zwar und wohl auch sentimental, auf keinen Fall aber vulgär ist; dazu hat er auch gar nicht die Kraft, die in jeder Rohheit liegt. Des weiteren verstehe ich die Verbindung von “Gefühlsegozentrik” einerseits nicht, weil Gefühle naturgemäß egozentrische Phänomene sind, aber Sie meinen wahrscheinlich mangelnde Empathie; das aber ist ein Kennzeichen jeder kriegführenden Partei während des Krieges; sie könnten ihn sonst gar nicht führen. Zum anderen ist mir “Blitzsieg” (“Blitzkrieg?) als Ausdruck von Egozentrik nicht verständlich. Und auch einer rückstehenden Okönomie hat schließlich Hitlers und des überwiegenden Teils des – was immer das sei – deutschen Volkes Tabula rasa den Boden für den Fortschritt blankgebrannt; Werte, die dem losgelassenen Kapitalismus noch im Weg standen, waren nachher nahezu alle denunziert.

  3. Nun, von einem vulgären Binding steht in meinem Kommentar nichts. Sondern es steht etwas von einem vulgären Jounalismus al la man´s haelth darin und dass dieser auf dem herumreitet, wohin der Doppelsinn des eingestellten Bindingtextes Ihrer Meinung nach verweist: auf die menschliche Sexualität.
    Der Vulgäre ist aber mehr schmierig und schmutzig als roh. Er ist nämlich sogar schwach. Dies ist auch der Grund dafür, weshalb der Textausschnitt Bindings in der Tat n i c h t vulgär ist.
    Sie hingegen denken eine Dichotomie zwischen Naivität und Stärke (Kraft), als sei Binding aus Schwäche resp. Naivität nicht vulgär. Das ist falsch, und zwar so, daß man nicht darüber zu reden braucht.
    Gefühle sind natürlich egozentrisch. Aber die Bezeichnung „Gefühlsegozentrik“ meinte im entsprechenden Kontext einen mentalen Zustand.
    Eine schwach entwickelte Ökonomie wie die Deutschlands der 20er und 30er Jahre hat einen Stellungskrieg nicht zugelassen. Das führte zu der Ausrede vom Blitzkrieg (der den Blitzsieg impliziert). Darauf sind die Gefühlsegozentriker hereingefallen, die Vorstellung vom Handsteich lag ihnen.
    Daß es jeder kriegsführenden Partei an Empathie mangele ist nur teilweise richtig und kommt von der politischen Soziologie.

    1. Die Wendung zum Vulgären. Also die Assoiziation zu Man’s Health haben aber S i e aufgeblättert, nicht ich. Daher meine Irritation. Ich kann die Verbindung Binding-Man’s Health nach wie vor nicht sehen, es sei denn, Sie führten Sie über meine Parallelisierung von Reiten und Reiten ein und hielten d i e s für vulgär. Dann wären wir schlicht verschiedener Meinung. Daß meine Betonung des Sexuellen, die eine Betonung des Körperlichen ist, dem Geist, der selbst doch “nur” körperlich ist, mißfällt, ist bekannt. Er möchte gerne “rein” sein, ein Wort, dessen Primat und Anspruch ich immer wieder attackiert habe und zu attackieren nicht aufhören werde. Zu Ihrem “nämlich” ist zugleich anzumerken, daß Sie “schmierig” und “schwach” seltsam moralautoritär parallelisieren. Ich kann nicht sehen, daß schwache Menschen zugleich und notwendig schmierig seien. Sowie: Nein, ich denke keine Dichotomie zwischen Naivetät und Stärke (Kraft); im Gegenteil kann Naivetät ausgesprochen stark sein, wie man bei jedem GI sieht, der jubelnd auf My Lai losgeht. Besonders das Christentum hat aus der Schwäche eine ausgesprochene Stärke ideologisiert. Wir müssen uns allerdings, was in der analytischen Philosophie zum einfachsten Rüstzeug gehört, klarmachen, in welcher Hinsicht wir von Stärke oder Schwäche sprechen. Meist löst sich eine scheinbare Dialektik dann in eine ganz einfache Schließkette auf, deren Güten oder Fehler nach dem Kalkül des logischen Schließens sehr einfach zu zeigen sind..

    2. N atürlich sind alle Gefühle egozentrisch, aussen den Gefühlen, die um sich kreisen und wenn man eine Achse Berlin – Rom zieht und klappt daran Europa, nimmt diese als Spiegelachse, dann liegt London auf Rom, auf dieser Spiegelachse.
      Alles klar heute, Leute,

  4. Wenn ich den Vulgären (der ja nicht roh ist) gewissermaßen als schwach bezeichne, dann bezeichne ich nicht notwendig jeden Schwachen als vulgär.

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