„Politische Correctness“ als Schwarze Pädagogik. Eine Fußnote zur Hysterie der Moral ODER Jenseits der Psychologie.

Die Jungs, alle kurz vor der Pubertät (ach, erste Härchen sprießen), haben aus Stadt/Land/Fluß ein neues Spiel abgeleitet: Einer nennt einen Buchstaben, die Spieler erfinden jeder für sich einen Namen, dann ein Fluchtfahrzeug sowie eine Todesart, die der erfundenen Figur geschehen, und schreiben dieses nieder in die vorgezeichneten Spalten; kurz: die Grundlagen für den Plot eines Krimis. Die Todesarten, die man wählt, sollen möglichst bizarr, weil nämlich so sein, daß kein andrer darauf komme. Einer wurde in, sagen wir, Haargel ersäuft, ein anderer vermittels eines Tennisschlägers erstickt usw. Die bizarren Fantasien schäumen auch bei den Fluchtfahrzeugen – etwa nach einem bewaffneten Banküberfall mit dem Fahrrad oder auf Rollschuhen, die in ihrer modernen Version Inlines heißen, oder nach einem Eifersuchtsmord rollt sich der Mörder in einem Kinderwagen davon. Auch sollten die Namen der Opfer ausgefallen genug sein, daß Mitspieler ihn nicht ebenfalls wählen. Dann wird verglichen und gelacht, die Punkte werden für die erste Runde vergeben, und ab geht‘s in die zweite. Das alles, selbstverständlich, auf Papier. – Klar, daß die Jungs (es spielten dies nur Jungens, wird behauptet) sich gegenseitig übertreffen im schwarzen Fantasieren.
Das Spiel wird von der Lehrkraft, nennen wir sie Kurdistan, verboten. Bei Verstoß drohen Sanktionen. Das Spiel sei gewaltverherrlichend, so etwas sei an einer öffentlichen Schule strikt zu unterbinden.
Daß indessen solche Spiele ganz im Gegenteil Gewalt verarbeiten – eine Gewalt, von denen die Kinder tagtäglich mehr als nur eine Nachricht bekommen, und von schlimmerer, als sie sich überhaupt ausdenken können, und daß so auch Judenwitze funktionieren, ja der Witz-überhaupt, wird unbegriffen weggewischt – ich möchte wirklich gerne Kurdistan einem Juden seine Witze verbieten sehen: Das würd ein Aufstand! Nichts ist verstanden in dieser reifefreien Pädagogik, „,setzen! sechs.“ – „Sie machen die Kinder krank“, sage ich scharf zu Kurdistan, denn es verbiete den Kindern die Sublimation – jene Kulturleistung also, in der reale Gewalt gerade aufgehoben wird, indem sich die aggressiven Triebimpulse ins Fiktive verschieben. „Sie nehmen den Kindern die Möglichkeit, täglich Erfahrenes angemessen zu verarbeiten.“ Was dringend nötig ist. Schon fangen die Testosterone, drohend, sich aufzuwühlen an… – „Ich kann nichts dazu, wenn die Kinder von zuhause Filme mitbringen, die erst ab 16 erlaubt sind.“ Ja wo lebt dieses Mensch? Und was will es den Kindern n o c h verbieten? Homer vielleicht? Nein, den nicht, den haben sie in der Klasse in einer Version für Kinder gelesen – wohl, damit sie ihn später nicht wirklich lesen? Singe den Z o r n, o Göttin, des Peleiaden Achilles! Oder die Bibel, deren Altes Testament von Massakern nur so strotzt? Und schließlich die gesamte moderne Literatur, soweit sie nicht esoterisch aus Harmonien bewegt ist? Grass womöglich? Céline ja sowieso, und Doderer? Niebelschütz? später wahrscheinlich ganz Pynchon – alles auf den Index? Oder dürfen Schüler sowas zwar lesen, aber nicht schreiben? „So wie das, was die Kinder da spielen, hat Kunst-überhaupt nicht selten begonnen!“ „Darüber diskutiere ich nicht.“ Ach, wehe über die Wehen einer solchen Moral! Wehe unseren Kindern! Und wehe!, wehe!, deshalb, uns.

32 thoughts on “„Politische Correctness“ als Schwarze Pädagogik. Eine Fußnote zur Hysterie der Moral ODER Jenseits der Psychologie.

  1. Früher Sittenwächter heute Kinderschützer – Nach meiner Erfahrung sind diese Diskussionen fruchtlos. Die „Kinderschützer“ sind von solchem missionarischen Eifer erfüllt, verstehen nichts von Kindern und deren Entwicklung, nichts von Gefühlen und ihrer Verarbeitung und ignorieren unverfroren alle Studien, die nicht in ihr Weltbild passen. Diese Erfahrung habe ich erst vor einigen Monaten auf einem Kongress zum Thema „Jugendmedienschutz“ gemacht. Da saßen freundlich-besorgte Herren im Strickpullover auf dem Podium (Sorry, aber das Klischee wurde exakt erfüllt) malten das Bild einer verrohten, und durch grausame, pornographische Medien degenerierenden Jugend, die zu schützen sie versprachen durch beispielsweise Vorinstallation einer jugendfreien „White list“ zugänglicher Internetseiten auf allen Computern, so dass gar nichts mehr aufgerufen werden kann, was ihren Vorstellungen nicht entspricht. Computerspiele (fast alle erfolgreichen, außer Sport – die aber auch nur bedingt zulässig sind, weil im Mittelpunkt der „Konkurrenzkampf“ steht) gehören eh verboten. Bei Kinofilmen läuft´s nach Ansicht der Kinderbewahrer ganz gut, weil sie da mit der FSK Vorgaben machen können, wer ab welchem Alter was sehen darf. Das übertrügen sie gern aufs Fernsehen, aber da fehlen ihnen noch die technischen Möglichkeiten und sie sind – leider, leider – auf die Einsicht der versagenden Eltern angewiesen. Hingewiesen auf Studien, die belegen, dass das „Problem“ der „Generation Porno“ keines ist, weil kaum eine/r diese pornographischen Bilder als „realitätabbildend“ und unkritisch sieht, dass es keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen Computerspielen und realer Gewalt gibt, dass die Darstellung von Gewalt in Bildern seit je zur Kultur, zumal der christlichen Bilderwelt gehört, ignorieren sie einfach, und reden fröhlich weiter i h r e „Probleme“ groß und übertreffen sich in Phantasien, wie sie Zugänge beschränken, Zugriffe verbieten und möglichst alles für alle kontrollieren und ihrem Weltbild anpassen können.
    In dem von Ihnen geschilderten Fall kommt nach meiner Auffassung noch verschärfend hinzu, dass den Kindern auch noch die eigene Phantasie beschränkt werden soll.
    (Allerdings: Wir waren früher doch schlau genug, solche Spiele vor den Lehrer:innen zu verbergen. 😉 )

    1. „Wir waren früher doch schlau genug, solche Spiele vor den Lehrer:innen zu verbergen. “ Na ja klar! Nichts anderes erwarte ich von meinem Sohn. (So, wie ich zum Entsetzen von Lehrer oder Lehrerin, ich will mich nicht festlegen, weil es nicht darum geht, jemanden „vorzuführen“ – zum Entsetzen von Lehr- und Direktionskraft, also, wegen des Verbotes von Taschenmessern, zu denen auch Schweizer Messer zählen sollen, folgendes gesagt habe: „Ich werde meinem Sohn nicht verbieten, ein Taschenmesser bei sich zu haben. Taschenmesser gehören zu Jungs und auch zu manchen Mädchen. Aber wenn die Schule die Regel hat, daß Taschenmesser nicht mitgebracht werden dürfen, so sage ich meinem Jungen: „Dein eigenes Risiko. Ich verbiete es dir nicht. Aber wenn man dich erwischt, ist das Messer weg, und ich werde keine Anstrengung unternehmen, es wiederzubekommen.“ Darauf wurde mir vorgeworfen, ich behinderte die Arbeit der Schule, die darauf angewiesen sei, daß Eltern die Regeln der Schule ebenfalls verträten. Worauf wiederum ich: „Ich werde mit Ihnen keine Front gegen mein Kind beziehen. Wenn, dann beziehe ich eine Front mit meinem Kind gegen Sie.“)
      Ich habe den Fall mit diesem angeblichen Gewaltspiel in Der Dschungel aber vorgetragen, weil der Vorgang eben nicht ein einzelnes, privat lösbares Phänomen ist, sondern eine, wie man das mal zu politischen Zeiten genannt hat, „gesamtgesellschaftliche Tendenz“ zur Unterdrückung, zum Weglügen und zu einem Tatbestand macht, der die angebliche Gewaltverherrlichung schon da unterstellt, wo völlig normale Entwicklungsprozesse stattfinden. Es geht bei solchen und anderen Dingen darum, die Menschen in ihrer Entwicklung zu brechen, um sie gangbar zu machen. Daß so etwas ausgerechnet von politisch eher links orientierten Lehrkräften mitgespielt wird, zeigt nur, wie bodenlos unterdessen die Unbildung und Naivetät ist und vor allem, wie kitschdurchsetzt deren Anthropologie – einmal abgesehen davon, daß in diesem Fall davon ausgegangen werden muß, es sei eine Lehrkraft hier von einem eigenen Trauma fremdbewegt, das sie bewußtseinslos auf die Kinder überträgt. Leider gilt ausgerechnet diese Lehrkraft als Mediations-Spezialistin und ist für die Schule als Streitschlichtstelle beauftragt. So bestellt man Wiesel zur Hühnerhofsaufsicht. (In anderen Hinsichten ist diese Lehrkraft aber durchaus vernünftig, etwa in ihrer oppositionellen Haltung dagegen, daß man die Kinder zu Konsumenten… ja: abrichtet. Wenn man sich z.B. die neuen für die Unterstufe zusammengebauten Mathematik-Lehrbücher ansieht, geschieht darinnen nämlich genau das.)

  2. Absolute Zustimmung. In ähnlichen Dilemmata bewege ich mich gerade ständig und ehrlich gesagt, kann ich mich nur überfordert fühlen. Einerseits sind es hehre Absichten, die da verfolgt werden, andererseits scheitert es zumeist an der Umsetzung. Beschützen zu wollen ist eine Gratwanderung, die immer zu Lasten der „Objekte“ geht.

    1. Ganz im Gegensatz zu einer… … *Erziehung* (sic!), die sich bemüht, das Pflänzchen mit genügend kräftigem Rückgrat zu versehen, damit es unverkrümmt *wachsen* kann. Der beste Schutz besteht immer noch in einem gesunden Selbstwertgefühl und der damit einhergehenden Fähigkeit zur Selbstfürsorge.

      Es gibt ja weiß der Himmel auch genügend vergleichsweise fundierte Erkenntnisse zur Persönlichkeitsentwicklung etc. Die hehren Absichten ab und zu damit abzugleichen, halte ich für keine überzogene Forderung. Das Problem besteht aber unter anderem darin, dass sich Schule als System allemal hierzulande als dermaßen erkenntnisresistent (d. h. geradezu wissenschaftsfeindlich) verhält, dass es nicht mehr feierlich ist. Nicht zuletzt aufgrund der massiven Ideologisierung von allen politischen Seiten.

  3. Nicht zu vergessen: *Märchen*! Aber um diese zu «bereinigen» finden sich garantiert auch noch ein paar vermeintlich wohlmeinende Merkbefreite. Mir schaudert. Vor der Gesellschaft, die, würde *das* tatsächlich Konsens, exakt damit hervorgebracht wird, diesem «Himmel auf Erden» (Popper) in Gestalt einer hermetischen Gummizelle. Und wehe, eine:r entzieht sich der allumfassenden Fürsorge…

    «Der Staat, der am besten vor der individuellen Kriminalität schützt, ist der Terror-Staat, der Psychosen- und Gedankensteuerung an all seinen beschützten Bürgern praktiziert. Draußen vor der Tür der offene Abgrund, in den wir stürzen – der Mensch.» (Ceronetti)

    1. Ecco! @brsma.

      Genau so war mein Wehe! dort oben gemeint. (Es gibt noch eine weitere Bezugsgröße für den in Rede stehenden Zusammenhang: Huxleys Brave New World, worin das SOMA die Menschen zu einem glücklichen Schlachtvieh macht.)

    2. Den leider sehr naheliegenden Bezug zu Huxley hatte ich mir gerade noch verkniffen. 😉 Ebenso wie den – voilà! – zum Orwellschen Gedankenverbrechen.

      Unter anderem deshalb, weil die Gesellschaft m. E. die diesbezüglichen Kontrollmechanismen etc. als emergentes Phänomen *selbst* mit hervorbringt. Das macht einen Austausch der Machteliten leider vollkommen sinnlos. Eines meiner Hauptargumente gegen jegliche Revolutionsromantik übrigens. Orwell, abermals, hat’s mit «Animal Farm» in eine nur zu treffende Parabel gegossen.
      Ob der mangelnde Willen zur Macht vieler der zumindest aus meiner Sicht Intelligenteren nun gerade *daran* liegt, sei dahingestellt.

  4. Weia, Schule, neverending Story, Taschenmesser an Schulen, wäre ich auch gegen, große Taschen im Museum abgeben, find ich nicht dramatisch, Nagelscheren nicht mit an Bord nehmen, kein Problem. Handys im Unterricht, einkassieren, sobald eins bimmelt oder ständig unterm Tisch gesimst wird, na logan. Ich bin auch nicht so dafür, Jugendliche immer mit sich selbst zu konfrontieren, nach dem Motto, willst du das, das musst du selber wissen, ich glaub, es ist manchmal einfacher für Jugendliche, nicht die ganze Verantwortung für ihr Tun immerzu selbst übernehmen zu müssen, da ist es entlastender, wenn man mal gesagt kriegt, dit sind die Spielregeln und wenn du bei uns mitspielen willst, halt dich dran. Dann ist es im Zweifel eben die blöde und sinnlose Regel, gegen die man halt verstoßen hat und nicht in der beste aller Welten das eigene menschliche Versagen, was mich dann in Sinn- und Identitäskrise stürzt. Jedes Mal die Grundsatzdiskussion auf den Tisch zu packen, ist in Schulen meist eh sinnlos, denn es gibt kein eins zu eins Verhältnis, ein Schüler, ein Lehrer, wenn Eltern auf Lehrer treffen, sollen sie natürlich auf Seiten ihrer Kinder stehen, nichts anderes erhoffen sich Lehrer in der Regel, aber sie vergessen natürlich dabei, dass ihr Kind zum Team gehört und sich an Teamplay und Regeln halten muss, und da kann man dann mal drüber reden, und sagen, ist unerwünscht, kann ihr Sohn ja daheim spielen mit seinen Freunden, finde ich nicht so dramatisch. Manchmal kann man Recht haben vom Grundsatz her und es würde die Welt doch um keinen Deut besser machen, wenn sie sich danach verhielte, kommt mir dann so vor. Ich glaub, ihr Sohn hat keine so üble Schule erwischt;-).

    1. „da ist es entlastender, wenn man mal gesagt kriegt, dit sind die Spielregeln und wenn du bei uns mitspielen willst, halt dich dran.“ Das halte ich für grundfalsch, vor allem wenn Verarbeitungsmodi blockiert werden, so daß die Aggressionen sich anderwärtig Raum schaffen m ü s s e n. Etwas anderes wäre es bei einer Privatschule. Hier aber geht es um öffentlichen Raum.
      Was das Taschenmesser anbelangt, so verstehe ich die Regel gut, auch wenn sie prinzipiell falsch ist. Vielleicht versteht man das aber – geprägt von unserer bisherigen Geschlechtersozialisation – als Mann besser als als Frau. Es ist ohnedies zu beklagen, wie wenig Männer es insgesamt im Grundschul- und Unterstufenbereich als Lehrer gibt. Für Jungs ist das eine kleine Katastrophe. Man muß ihnen beibringen, wie man mit Messern richtig umgeht, nicht sie verbieten. Wenn es aber um Gefahrenquellen geht, die man neutralisieren will, so müßte erstens auch jede Gabel verboten werden, die mitgebracht wird, überhaupt jeder spitze Gegenstand; und zweitens wäre das gegen das Leben selbst, das aus Risiken b e s t e h t. Wir müssen lernen, sie zu meistern, nicht, sie zu vermeiden.

    2. Jo, aber Schule ist um Mittag vorbei, jede Menge Zeit zum meistern, n est pas? Mehr Männer an Grundschulen, gerne. Boxen im Sport, warum nicht. Gabel, Messer, Schere, Licht, ja, klar, aber Gabelverletzungen führen die Wahscheinlichkeitsliste von schulischen Versehrtheiten einfach nicht an, da liegt das Häschen vermutlich im Pfeffer. (So für die männlichen Rollenfindungen ist Gabelbedrohung wahrscheinlich auch erst in der ironischen Phase wirklich cool.) Privatschulen verfahren nicht nach anderen Prinzipien als staatliche, sie haben vielleich noch Schuluniform, die man auch pimpen kann, wo es geht, und doch, so verkehrt ist auch sie nicht, hier entspricht sie eh eher einem Joggingdress, als Mädchen sich mal Röcke wünschten, was glauben sie, was da los war, geht gar nicht, baut Päderasten vor etc pp. Natürlich besteht das Leben aus Risiken, aber ich würd meine Kinder morgens lieber in einer Schule abgeben, als in einer Arena, so ein Gladiatorendress ist ja auch eine Bürde. Ich bin auch dagegen das Leben 24 h zu einer freudschen Couch zu machen und immerzu zu verarbeiten, manchmal ist auch einfach chillen angesagt, oder ne Runde Backgammon, oder eben Vektorberechnung oder Lyrik, ‚Sprache der Gefühle‘, eine der schönsten Schulgeschichten, die ich neuerlich las, fand ich als das Outtake von tschick bei Herrndorf: http://www.wolfgang-herrndorf.de/page/12/ Manchmal liegt ja auch im Vermeiden,Vertagen, Verklüngeln eine Form des meisterns, kommt mir so vor, ich bin grundsätzlich für eine Bandbreite von Strategien, um durchs Leben zu kommen und nie für nur eine einzige.
      Gelesen auch sehr schön: http://www.youtube.com/watch?v=za882b_vTzs

    3. „aber Schule ist um Mittag vorbei, jede Menge Zeit zum meistern“. Sie kennen sich wirklich nicht mehr aus. Gestern die Lehrkraft: „So ist das Gymnasium heute. Es gibt keine Freizeit mehr, daran müssen die Kinder sich gewöhnen.“
      Klartext: Kein Tag vor 14.30 Schulschluß, an zweien, nein, dreien Unterricht bis 15.30, bzw. 16.30. Dazu kommt im Fall meines Jungen, außerschulisch Cello und Schlagzeug. Zusätzlich sind Hausaufgaben zu machen und ist zu lernen, was mit täglich etwa einer Stunde veranschlagt werden muß. Andere Kinder haben Sport zusätzlich, nicht ein Instrument. Um 19 Uhr wird zu abend gegessen, um 20.30 spätestens liegen die Kinder im Bett, um 21 Uhr wird das Licht ausgemacht.
      Nein, es bleibt den Kindern so gut wie k e i n e Freizeit. Die Lehrkraft – verhältnismäßig jung, politisch „progressiv“ und engagiert – forderte zudem ein, daß sich die Kinder daran gewöhnen müssen, keine freien Wochenenden mehr zu haben. Daß dies die Folgen eines Schulsystems sind, ist klar, das 13zügige Gymnasien in 12zügige herunterrechnet bei gleichzeitiger, in Berlin, Schulpflicht ab 5 Jahren; es kommt ihm darauf an, Kinder möglichst schnell in den Produktionsprozeß, sprich: in den Konsum zu bekommen. Da stören Messer, weil es ja naheliegt – man w e i ß das -, daß Kinder, derart unter Druck, Gebrauch von ihnen machen. Auf derselben Medaillenseite steht die Streichung von humanistischen zugunsten funktionaler Bildungsinhalte (einfach schon deshalb, weil manche Lehrer sie selbst nicht mehr beigebracht bekamen – ich meine wirkliche Inhalte), gleichzeitig verbunden mit einer Abneigung dagegen, Führung und also persönliche Verantwortung zu übernehmen, die vielmehr auf Lehrpläne delegiert wird, denen man dann aufs gehorsamste folgt. Was sich hier vollzieht, ist das Interesse eines puren, auf Affirmation hinglättenden, sich aber chic „links“ gebenden Kapitalismus, verbunden mit anthropologischer Cleanung.
      In das gleiche Feld gehört, daß Lukas, der Lokomotivführer, nicht mehr rauchen darf ebenso, wie das Wort „Nigger“ aus Huckleberry Finns und Tom Sawyers Abenteuern zu entfernen und durch was-weiß-ich für eine „Korrektheit“ zu ersetzen.

    4. Nun, da ich mich gerade an Schulen bewerbe komme ich auch ins Grübeln, in was für ein Umfeld ich mich da begeben werde. Ein befreundeter Referendar erzählte mir da auch schon Geschichten. Bei einer der Lehrproben diskutierte er mit den Schülern ein moralisches Problem. Ich glaube, es ging darum, ob man einen Terroristen töten dürfe, um andere zu retten oder ein ähnliches Dilemma. Jedenfalls wurde das in der Klasse lebhaft diskutiert und wie das bei solchen Dilemmas ist, präsentierte er am Ende nicht: so das ist die Lösung, so muss man sich verhalten. Genau dies wurde ihm später angekreidet, dass das ja nun gar nicht ginge, er hätte klar herausstellen müssen, dass man einen Menschen nie töten dürfe etc. pp. – Oder die Regeln zum Filme schauen: Er müsste, wenn er Filme schaut, die ab 16 sind und einige der Schüler dieses Alter noch nicht erreicht haben, von a l l e n Eltern eine schriftliche Erlaubnis einholen, dass er den Film schauen dürfe, was einfach unmöglich ist. So werden die Lehrer schon früh daran gewöhnt sich nicht an die bekloppten Vorschriften zu halten, sondern die Filme, die eh schon jeder 10jährige gesehen hat, einfach so zu zeigen. Ob das der Sinn dieser Regeln und Strukturen ist: den Lehrern und Schülern möglichst früh beizubringen, sie zu verachten? – In was für eine kommunikative Situation begibt man sich dann (Doppelbindungstheorie?), man muss den Schein zu bewahren, nach außen hin alles brav befolgen, während jeder doch weiß, was für ein Schmarrn das ist?
      Um solche strukturellen Missstände ging es, glaube ich. Dass man den Kindern prinzipiell Regeln und Grenzen aufzeigt, ohne die es in einer Gesellschaft nun einmal nicht geht, wollte hier glaube ich keiner bestreiten.

    5. Bitte, gerne, ich kenne mich nicht aus, ich hab nen Mann der managed son Laden, der kriegt ne Menge guter Rückmeldungen von Schülern, Lehrern, Eltern, da gibt es Schulpsychologen etc pp, die Probleme des 12jährigen Abis sind da, keine Frage, aber nach Pisa konnte es ja allen nicht schnell genug gehen, einschulen am besten auf Antrag, jeder Monat zählt, ist Cello und Schlagzeug nicht Freizeit? Die einfache Wahrheit: ob man jede Minute seiner Zeit immer füllen will oder muss? Ich war auch nicht vor 14:30 daheim und Samstag anfangs noch Unterricht, es kam mir nie so vor, als sei mir keine Luft geblieben, rückblickend, bis auf Nachprüfung Mathe in der Neunten und ein bisschen Bio fürs Abi pauken, erinnere ich eigentlich auch enorme Rumlungerzeiten und bin dankbar dafür. Aber, es liegt in der Natur der Sache, dass Eltern Schule besser gestalten würden, meistens steht ihnen hierfür sogar Raum zur Vergügung, Elternpflegschaften zb, nur zu. Bei Weltumsegelung oder schweren religiösen Konflikten mit den Inhalten und Befähigung, darf man, in begründeten Ausnahmefällen, seine Kinder auch selber unterrichten, würde ich allerdings Eltern wie Kindern nicht unbedingt empfehlen, wenn man die Welt gerade nicht umsegelt. Manchmal ist gut, wenn man auch sieht, wie andere es so handhaben, im Rausch ihrer Rechthaberei;-).
      Lehramt wäre für mich nie eine ernsthafte Option gewesen, dafür denk ich viel zu oft, könnte ebenso gut auch anders sein, und das ist ja bekanntlich so durchgängig Gift für einen kohärenten Charakter.

    6. Das können sie singen, meine Söhne, mit welcher Freude die Mama „Regeln und Grenzen aufzeigt“. Die halten mich (mich?!) für streng, echt! Aber hier geht´s ja nicht um Regeln und Grenzen (die auch mal ohne demokratischen Diskurs durchgesetzt werden, aber hola!), sondern um die Durchsetzung eines „korrekten“ Welt- und Menschenbildes (gewalt- und möglichst konfliktfrei), das es geradezu verhindert, Kulturtechniken zur Bewältigung von Gewalt, Schmerz, Angst zu erlernen. Ich bin volle Kanne für Sublimierung. Das kann aber nicht gelingen, wenn geleugnet wird, dass etwas zu sublimieren ist. Und darum geht es.

      @brsma – Bei den Märchen ist die Zensur in vollem Gange. Hänsel und Gretel geht im christlichen Kindergarten gar nicht mehr!

    7. „Kulturtechniken zur Bewältigung von Gewalt“. Genau das nimmt mein Text ins Visier. Das absolut bizarrerweise verbotene Spiel i s t eine solche Kulturtechnik. Was tatsächlich geschieht, ist, daß man dem Zahn verbietet, kariös zu sein, wenn man nicht überhaupt die Karies leugnet, anstelle Behandlung zuzulassen, geschweige denn, die sie fördern.
      (Eine Art Behandlung findet in pädagogisch angeleiteten sogenannten „Mediationsstunden“ statt, die den Kindern zusätzlich zum Unterricht aufgedrückt werden – sie sollen hier diskursive Wege lernen, Konflikte zu lösen, aber nicht eigene Wege finden, jedenfalls sofern diese der Lehrkraft mißfallen. Man kann sagen, sie versuche, schon die Fantasie von Gewalt mit dem Absatz zu zertreten – als wäre Gewalt nicht gerade ein Konstituens von Leben.)

    8. Eine Schule, die mich alles gelehrt hätte, wie gruselig bitte wäre das denn. Mein ganz subjektives Empfinden, Schule war für Freunde treffen gut, soziales Miteinander, alles andere lief nebenher, hatte ich als Schülerin ein Bewusstsein von der Wichtigkeit des Unterrichts und seiner Inhalte, nö, ich hatte schlicht ne Idee davon, worauf ich Bock hatte und worauf weniger, hab dann in der elf mit 14 anderen gesagt, ich hätte Bock auf Leistungskurs Kunst, sowas ging ja noch in der reformierten Oberstufe, sagte der schnauzbärtige Rex, gibts nicht, sagten 14 Schüler, muss es aber geben, da Kunstlehrerin gewillt war und Kapazität vorhanden, knickte Rex ein und seit dem gabs immer wieder einen und das Kaff schmückte sich mit Abschlussausstellungen, das war schon super. Nein, Schule muss nicht für alles Problemlösungsstrategien anbieten, das überfordert die Institution, wie die Schüler selbst, skateboarden auf dem Schulflur hätte doch null Effekt, wenn erlaubt und im Sportunterricht integriert. Ich will doch verdammt noch eins auch dieses Spiel spielen, weil ich ahne, es ist ein bisschen verboten und ein bisschen unerwünscht, und trotzdem weiß ich, selbst wenn beim skaten das Board durch die Scheibe geht, ich werd nicht gleich abgeschult, gibt Stunk, kost Geld, aber, ist das schlimm? Das Spiel ist ein Spiel, was einfach weitergespielt werden wird, ob mit oder ohne Segen der Schule, ich kann es Schulen durchaus verzeihen, wenn sie nicht dazu anleiten möchten, ich bin genaugenommen froh, dass sie nicht jeden Lebensbereich von Kindern abdecken wollen und können, sonst mag man sie nachher gar nicht mehr verlassen und wird Lehrer, wie furchtbar;-).

    9. @diadorim. dass sie nicht jeden Lebensbereich von Kindern abdecken wollenDoch. Genau das ist die Absicht. Ansonsten wäre das harmlose Spiel nicht verboten worden.
      Ich bin prinzipiell Ihrer Meinung: Schulen sollen n i c h t zu allem anleiten. Eben. Und Regeln sind selbstverständlich dazu da, daß man sie bricht. Sonst wäre es weder zu großen poetischen noch zu großen wissenschaftlichen Werken gekommen und, nebenbei bemerkt, auch nicht zu menschlichen Weltbildern.

    10. Na ja, die Lehrer wissen halt auch nicht, der Druck von außen, Rütli, besser mal verbieten, Eltern stehen ja auch heut schnell mal mit dem Anwalt da. Eine Story aus HH, Schüler hatten da noch Kunst und Medienunterricht und drehten Filme nachmittags auf einem Grundschulplatz, mein armer M kriegt nen Anruf vom Rektor, Du hast Deinen Schülern erlaubt, mit Leuchtpistolen einen Film zu drehen, haben die natürlich zu Protokoll gegeben, wieso, wir haben diesen Krimi doch für den Herrn H gedreht, war Hausaufgabe, die haben in die Luft geballert, Hausmeister ruft Polizei, Schüler werden standrechtlich überrumpelt mit Handschellen, leider gabs keinen, der da noch die Kamera halten konnte, helle Aufruhr, natürlich hat der Herr H nicht erlaubt, ballert mal in eurem Krimi mit ner Pistole mittags auf Grundschulgelände rum, und das Skript enthielt auch bis dato kein Pistole und eigentlich auch null Ballerei, aber da die Schüler eben dachten, yo män, das kriegen wir besser hin als Tatort, Ehrgeiz wird ja belohnt, nahm das ganze eine leicht dramatische Wendung ohne Folgen, außer, nun ja, vielleicht besser die Gabel nehmen, die anderen Filme hatten nicht weniger Tote, Zombies tauchten auch auf. Das ist alles nicht unheikel für Lehrer, aber, probates Mittel, man setze einen nicht dummen Sympath ein, schon geht so viel mehr, als man denkt, wie sagte er neulich über einen seiner Kollegen hier, der wäre mit Knigge weiter gekommen als mit seinem Machiavelli, da ist viel Weisheit drin, kill them with Kindness, damit kriegt man so viel mehr durch oft, als in der direkten Konfrontation, gehört ja vielleicht auch zur Schule des Lebens, dass man lernt, wie unterschiedlich die Leuz ticken, und man sich eben unterschiedliche Strategien zurechtlegen muss, um an sein Ziel zu kommen. Stellen Sie sich vor, sie könnten immer auf die gleiche Art jede Frau bezirzen, wie öde wäre das denn.

    1. @ Schultraumata Ich habe keine. Bin immer gerne zur Schule gegangen (ui, wie peinlich!). Trotzdem bin ich ganz auf Ihrer Seite. Das betrifft nämlich nicht nur die Schule, sondern die ganze Gesellschaft. Alles soll „harmonisiert“ werden. Man glaubt, alles ließe sich normieren. Zugrunde liegt oft eine Sehnsucht nach Verantwortungslosigkeit: Hält man sich an die Regeln, wird alles gut. Das gilt auch für die tollen Mediationsprogramme. Meine Söhne haben die regelmäßig durchlaufen. Nach einer Viertelstunde hatten sie kapiert, wie man reagieren und was man äußern soll. Der Große schaltete ab und produzierte im Notfall auf Knopfdruck die gewünschte Reaktion. Die Lehrer:innen sagten zu mir: „Er ist so arrogant, dabei hat er doch die Einsicht, die den anderen fehlt…“ Der Kleine rebellierte: Er, der sich niemals schlägt, produzierte die dollsten Phantasien, um die Lehrkörper zu provozieren. Da die Reaktionen aber so vorhersehbar waren, stellte er das auch schnell ein und schwenkte auf die Linie seines Bruders über.

    2. „Man glaubt, alles ließe sich normieren.“ Ich (ausgerechnet, manchmal erschrecke ich selbst) lese das fast orthodox marxistisch: Alles soll Warenform werden, die Marx und Engels mit völligem Recht „Äquivalenzform“ genannt haben. Es geht um Tauschbarkeit, also um einen definierten Marktwert, auf dessen Rahmen jetzt nicht nur Waren, also Dinge, gespannt werden, sondern Menschenseelen (das Wort Seele, etwa, ward degoutant). Auch die sollen handelbar sein, d.h. so lenkbar, daß sie austauschbar werden. Deshalb der auch linke Kampf gegen Herkünfte, ein scheinlinks, deshalb die Leugnung von Kulturdifferenzen, deshalb auch die Leugnung, bzw. Umbenennung von Rasse in Ethnie usw., deshalb insgesamt die politischen Cleanungen, deren Wahrheit sofort klarwird, wenn man sie ins Deutsche übersetzt und „Säuberungen“ nennt; und allesdies mit selbstverständlich guten Gründen, auch solchen, denen ich selbst folgen möchte, aber nicht immer kann, weil ich die Zusammenhänge erkenne.

      Ihr Irrealis im hierüber Zitierten ist – f ü r Sie, Melusine – verräterisch: Er verlangt eine Kondition. In der Sprache ist Wahrheit.

    3. Die Kondition bezöge sich aber auf das „man“, statt auf mich… oder? Ich glaube ja nicht. Beziehungsweise d a s nicht. Ich glaube an den menschlichen Eigensinn. Ganz irreal.

    4. @Melsuine. Nein, sondern ganz einfach indirekte Rede: Man glaubt, alles lasse sich regeln. Hingegen „ließe sich regeln“, grammatisch die Bedingung verlangt, unter deren Voraussetzung eine solche Regelung möglich wäre. Man glaubt, alles ließe sich regeln, wenn wir denn wüßten, was richtig ist ist allerdings grammatischebenfalls problematisch, weil der zweite Satzteil so oder so eine indirekte Rede ist; man könnte den Irrealis da aber begründen – ein Manierismus dann, doch einer mit Wahrheit.

    5. Wenn m a n wüsste… oder wenn „man“ die Macht dazu hätte oder wenn die Menschen so wären, wie „man“ sich das vorstellt – das „wir“ lasse ich nicht gelten! – Es ist schon Absicht dahinter gewesen: Denn „man“ glaubt eben an etwas Irreales. Weil die Bedingungen nicht gegeben sind! (Keine davon!)

      (Da bin ich sehr zuversichtlich. Die Jungs werden das weiter spielen, nicht wahr? Egal, was der Mediator wünscht.)

    6. (Weiterspielen.) (In meinem anarchistischen Herzen geh ich davon aus. Allerdings bringt es den Mediator objektiv in eine schwierige Lage, daß mein Junge, der sein Schüler ist, meine Haltung kennt. Ich hätte ihm, nicht meinem Jungen, das gerne erspart. Autorität, wirkliche, einmal verloren, ist so gut wie nie mehr herzustellen. Ich möchte aber, daß die Lehrer:innen meines Sohnes Autorität h a b e n – echte.)

    7. @walhalladada [Zwei alte Pfeifen im Walde in Zwangsjacke und mit Narrenkappe dazu Astor Piazzolla, Quatsch: OutKast]
      Phorkyas: Da sehen Sie, er hat sich die Rüstung wieder angetan, Rocinante angeschirrt, die in der Sonne glänzende Barbierschüssel zurechtgerückt und gleich wird er wieder gegen die Giganten der PC anreiten. Lakritz?
      walhalladada: Jetzt machen Sie sich lustig, obwohl Sie ihn beklatschten.
      P: Nein, nein. Er hat doch auch recht.
      w: Und unrecht.
      P: Ich meine, wir können hier auf unsrem Ast sitzen, mit den Beinen baumeln und uns fragen, ob die Giganten der PC wirklich existieren. Und ich weiß es einfach nicht.
      w: Aber Sie bewundern den, der gegen sie zu Felde zieht?

  5. Gleich vorweg: Ich bin voller Nachurteile über Schule und Lehrkräfte. Und das Fürchterliche ist, dass diese Nachurteile immer wieder bestätigt werden. Von den Lehrern, die ich hatte – und weil ich in eine Schulversuchsphase geriet, waren es sehr viele – sind vielleicht drei oder vier begabte Pädagogen gewesen. Mein Politiklehrer kurz vorm Abi gehört dazu, mein Mathelehrer auch, der es schaffte mich und die ganze Klasse von einem Stand zwischen 4 und 5 auf einen Stand zwischen 1 und 3 zu ziehen. Aber die meisten dieser Lehrkräfte waren dumm, dreist, selbstverliebt, unwissend, festgefahren in ihren Strukturen, die sie für Wissen hielten. Mein Deutschlehrer entsprach genau dem Bild, welches das hier mitverlinkte youtube-Video, rsp. das Lied darin, zeichnet.
    Und die Schule selbst: Die habe ich als staatliche Zwangsanstalt empfunden. Die drei oder vier guten Lehrer übrigens empfanden ganz ähnlich. Curricula, die zum Mäuse melken waren, unabgestimmt was das Fachübergreifende angeht, in den Fächern willkürlich, modischen Schwankungen unterworfen, versteinert gleichwohl – was zusammengenommen natürlich eine ganz enorme Leistung darstellt: etwas zu erschaffen, was modisch UND versteinert ist.
    Aber immerhin gab es diese us-amerikanische Vermoralisierung noch nicht, dieses sauertöpfisch böse Gute, dass einem um die Ohren und auf den Kopf geschlagen wird. Diese ständige Bevormundung in das Persönliche hinein, also in das Sein hinein, diese Erwartungshaltung nach einem perfiden Modus „gut“ sein zu sollen: Also sich gewaltfrei zu gebärden, wobei der Gewaltbegriff so sehr gedehnt wird, dass man es gar nicht sagen kann. Oder sich beispielsweise Solidarität, die Schüler dringend gegen die Zwangsanstalt brauchen, so zurecht zu definieren, dass sie zu ihrem Gegenteil wird, indem erwartet wird, Regelverstöße zu melden, weil das den, der gegen die Regeln verstößt vor dräunendem Unheil bewahre und man sich so ein eine Solidargemeinschaft einfügen würde.
    Diese staatliche Bevormundung, die sich ja nicht nur auf die Schule bezieht, sondern stückchenweise immer weiter in das Leben des Einzelnen ganz allgemein kriecht, ist zum Kotzen. Es ist eine Rückwendung. Es ist eine Suggestion: Freiheit wird behauptet und in Wahrheit abgebaut. Und was für Freiheit gilt, gilt auch für bestimmte Bereiche von Wissen, nämlich jenes, das man nur in der – manchmal schmerzlichen – Auseinandersetzung erwerben kann.

    In den USA gibt es inzwischen Bundesstaaten, wo Filme in denen geraucht wird, nur Menschen über 18 Jahre sehen dürfen. Da wird der Schutzauftrag des Staates zu einer Art von Überbehütung, von Entmündigung. Hier ist diese Entwicklung doch auch zu erkennen.

    Und dann gibt es die, die es noch forcieren wollen: Den Literaturwissenschaftlicher (ich glaube er ist einer), der fordert, die „Negerprinzessin“ in Pipi Langstrumpf umzubenennen und ich befürchte auch die, welche Homer (mit langem E) nicht nur in eine leichter lesbare Fassung bringen wollen, was schon schlimm genug ist, sondern auch „entschärfen“.

    Die Überbehütung unserer Kinder birgt die Gefahr, eine schlimme Sorte Mensch hervor zu bringen: Den guten, genügsamen, sozusagen reinen, menschlich sauberen, biegsamen Staatsbürger, der aus Schulen und Kinderzimmern hervorkriecht, die mit Sagrotan gereingt worden sind.

    http://www.youtube.com/watch?v=xwtj97YXZj4

    1. Was echt lästig ist, Partner von beliebtem Lehrpersonal sein, Facebookanfragen sämtlicher Ex-Schüler, Schüler samt Eltern, Statusberichte aus allen Ländern, Jahrzehnte später noch Herr H-wissen-sie-noch-wir-damals -Dönekes. Alles besser als Briefbomben und Schmähschriften, klar, aber Beliebtheit bildet doch nicht für die Schule des Lebens sag ich immer, schau mich an, mich mag keiner meiner missgünstigen, mir nur übelwollenden und nach Ränke sinnenden Kollegen und Kolleginnen, und bei den Lesern und Leserinnen sieht es auch nicht besser aus, ich muss täglisch 2 Christen und 5 Löwen erlegen, das, mein lieber, das bereitet die jungen Leute aufs Leben vor, du verhätschelst sie, und jeder Christ hat später mit ihnen ein leichtes Spiel, er wird ihnen das Schwert mit ein paar weinerlichen Worten aus den Händen leiern und jeder Säbelzahntiger, dem sie angstfrei einen Dorn aus der Pfote zupfen, wird seine Säbelzähne sanft in ihre Hälse bohren. Willst du das? Sei nicht so nett, transparent und gerecht, und vor allem sei dabei nicht immer so umsichtig und klug, mir bereitet es schon Seelenqual, wie auf jemanden überhaupt wütend sein, der ein kluger und ein guter Mensch ist? Man muss ihn mit so scheiß vielen Leuten teilen oft, das ist das Allerallerallerschlimmste, die scheiß Schule hab ich leider erst nach dem Abi kennengelernt, mein nächster Mann soll gefälligst ein auf mich total fixierter Autist sein, also Leuchtturmwärter oder so.

    2. Die Schulen sollen brennen! Und deren Luxusausgaben, die Universitäten, auch.
      Aber im Ernst: die Inflation der in den Bildungsanstalten zu erwerbenden Auszeichnungen läuft auf Hochtouren.

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