„Jeansväter“. Im Arbeits- und Krisenjournal des Donnerstags, dem 8. März 2012. Dazu ein erstes Fettberg. Sowie Aléa Torik.

6.55 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Seit fünf auf und gleich an den zweiten Lektoratsgang des Jungenromans II gesetzt; gestern nacht schickte UF die gegenkorrigierte zweite Fassung per Mail. Es sind jetzt kaum noch stilistische Fragen, sondern ist eher Fisselkram: „aber“-Wiederholungen, manchmal ein stehengebliebener Stelz usw., – immerhin genug Zeug, um damit den Tag zu verbringen. Ich wäre gerne am Abend durch. Aber spätnachmittags steht eine Krisensitzung an, zu zweit. Von dem Ergebnis werden Sie lesen – oder auch nicht. (Manchmal bekommt Die Dschungel wirklich Hörner zu sehen – „seinSe doch mal diplomatisch!“ hieß es schon oft, wozu sich nun ein menschlich! addiert hat, bei dem mir wieder >>>> Stavrogin einfällt, der seiner Mutter, die auf dem Totenbett liegt, das Gebet verweigert – wobei mir jetzt erst klar wird, daß >>>> James Joyce hat Stephen Dedalus offenbar genau davon beeinflussen lassen; auch der verweigert der Sterbenden das Gebet; diese Beeinflussung durch Dostojewski könnte bereits durch Stav/Steph(v) von Joyce zugegeben worden sein, ganz nach Art seiner Vorliebe für phonetische Anspielungen; beide, Nikolai Stavrogin wie Steven Dedalus, waren für mich bereits sehr früh Leitfiguren, deren Konsequenz ich bewunderte. Muß ich davon jetzt, mit 57, Abschied nehmen? Die gleiche Radikalität, übrigens, besaß André Breton, der sich als Kirchengegner nicht nur weigerte, Einladungen zu Hochzeiten seiner Freunde anzunehmen, sondern die Freundschaften dann rigoros beendete.)

Eine Einladung zu Lesung und Gespräch nach Jena kam per Mail. Der Termin liegt in den Sommerferien meines Jungen, was unsere Reiseplanung komplizieren könnte, jedenfalls dann, wenn es noch zu einem Urlaub der ganzen Familie kommen sollte, was zumindest noch als Idee im Raum steht. Aber sowieso muß diesbezüglich schnell entschieden werden, damit es nicht zu teuer wird, was schließlich alles ins Wasser fallen ließe. Ich hab zur Zeit überhaupt nicht den Kopf, mich darum zu kümmern.

Erst mal weiter mit dem Text.

10.34 Uhr:
Na, das ging schneller, als ich vermutet habe; es ist ein wirklich gutes und schnelles Arbeiten mit dem Korrekturprogramm von Word. Nun ist die durchlektorierte nunmehr Dritte Fassung an UF bereits wieder hinaus, der noch ein letztes Mal lesen möchte, bevor das Typoskript des Jungenromans II an den Verlag geht. Ich solle schon mal mit dem dritten Buch anfangen, mailte UF. Spaßvogel. Wie viele Romane soll ich wohl schreiben im Jahr? Drei? Möglich wären vier, neben den Hörstücken und der sonstigen Arbeit. Vielleicht drei weitere Pseudonyme?
Erstmal eß ich jetzt was, dann setz ich mich ans Cello.

Ah ja, was sind Jeansväter?
Aufklärung schenkte mir gestern mein Sohn. Irgend etwas hatte er zu kritisieren, ich weiß nicht mehr was. Jedenfalls: „Wenn man ein so eleganter Herr ist“, sagte er, „wie du, dann tut man das und das nicht.“ Ich: „Wieso elegant?“ Er: „Weil du immer Anzüge trägst.“ – „Wäre es dir lieber, wenn ich Jeans trüge?“ – „Auf keinen Fall! Du bist doch kein Jeansvater!“ Ich: „Was ist denn ein Jeansvater?“ – „Also paß auf: Wenn wir zum Beispiel cool sagen, wie ihr früher zum Beispiel ‚knorke‘ oder sowas gesagt habt, dann sagt ein Jeansvater immer a  u  c  h gleich ‚cool‘, so daß wir das Wort nicht mehr verwenden können. Sondern wir sagen dann zum Beispiel ‚Cool is out‘, wenn so ein Jeansvater das sagt.“

13.05 Uhr:
Zu den Jeansvätern vielleicht später mehr. Eigentlich wollte ich jetzt, nach anderthalb Stunden am Instrument, mittagsschlafen – aber da sehe ich >>>> das da.

Deshalb auch von hier aus: Ich freu mich mit Ihnen, Frau Kiehl.
Jetzt aber wird geschlafen.

20.01 Uhr:
Zurück. Das Gespräch lief gut. Wir haben uns freundlich zusammengerauft. Mehr müssen Sie nicht wissen.

Etwas anderes, noch einmal zu Aléa Torik. Ich habe soeben beim >>>> Bücherblogger folgenden Kommentar eingestellt, der aber noch „moderiert“ werden muß (eine Vorzensur, die ich hasse; deshalb hier mein Text:

Lieber Bücherblogger, wie immer auch meiner persönliche Haltung zu Aléa Torik sei: Ich denke, daß Sie einen Fehler begehen. Zum einen kommt es tatsächlich nur darauf an, ob der Roman gut ist – etwas, das ich auch für mich selbst weder entscheiden kann noch will; das hat indes tatsächlich rein persönliche Gründe. Wenn er gut ist, finde ich, bei aller verständlichen Mißstimmung, es einen schlechten Dienst an guter Literatur, solch ein Outing vorzunehmen. Und zwar, weil Sie damit dem Roman die Chance nehmen, angemessen betrachtet und besprochen zu werden. Wir haben nicht sehr viele mutige Leute unter den großen Kritiker:innen, alle sichern sich irgendwie ab, und Ihre Intervention, bzw. – sofern, was Sie meinen, stimmt – Enthüllung wird eher dazu führen, daß man sich vorsichtig abkehrt. Das hat selbstverständlich damit zu tun, daß Aléa Toriks Präsenz geradezu ideal für unseren Buchmarkt wirkt: eine Rumäniendeutsche, die zudem jung und ganz offenbar sehr gutaussehend ist und außerdem, u.a., noch über Körper schreibt, also das Sexbedürfnis bedient, ohne dabei zotig oder pornographisch zu werden – auf was denn mehr wartet dieser Markt und warten, seien wir doch ehrlich, die Leser? Selbst dann, wenn Sie also recht hätten, nähme Ihre Invektive diesem Projekt die Chance, die tatsächlich wirkenden Markstrukturen zu entblößen.
Ich bedaure das.
Zum anderen sind literarische Maskenspiele auch in der Realität voller Beispiele, von denen man ebenfalls sagen könnte, die Dichter hätten ihre Leser angeschmiert. Denken Sie etwa an D‘Annunzio, dessen angeblicher Tod erst ihn berühmt gemacht hat – da war er noch etwa so jung, wie zu sein Aléa Torik angibt. Sprich: sie stünde in einer Traditionslinie auch sehr großer Literatur, zu der zweifelsfrei D‘Annunzios Lyrik gehört. Oder denken Sie an B. Traven, der erst sehr spät als Ret Marut erkannt wurde.
Des weiteren sind wir alle, soweit wir unter Pseudonymen auftraten, im Netz Avatare, ja das Netz selbst ist ein Stück Literatur, und zwar nachpostmodern realistischer. Es gehört darüber hinaus sehr viel Geschick dazu, etwas glaubhaft vorzustellen, was man vielleicht nicht ist, und das vor allem in einer Sphäre zu tun, die einem überhaupt nicht vertraut ist. Wenn Sie recht haben sollten mit Ihrer Enthüllung, dann haben wir es mit einer täuschenden Meisterleistung zu tun, von der sich jeder, der darauf hereingefallen wäre, fragen müßte, inweit nicht er oder sie selbst mit an der Täuschung schuld habe: Wollten wir getäuscht vielleicht werden, eben, weil jemand etwas von unseren innersten Wünschen bedient hat?
Wie geschrieben, ich kann und will nicht entscheiden, ob es sich um einen guten Roman handelt. Das ist aber sehr gut möglich. Ich selbst halte mich wegen einer persönlichen Enttäuschung von ihm fern. Wiederum, daß es mit einer solchen möglichen Maske auch moralische Probleme gibt, etwa was die Glaubwürdigkeit von politischen Aussagen anbelangt, ist mir bewußt. Es ist aber nicht Sache der Dichter, moralisch einwandfrei zu sein. Die größten unter denen waren das nie, nicht einmal der politisch so engagierte wie Brecht. Und vielleicht ist die eigentliche Literatur Aléa Toriks gar nicht das Buch, sondern eben die Aktion. Daß sie Kitsch sei, kann ich bei allem nicht sehen; Kitsch entsteht nicht, indem man die Perspektive wechselt, sondern er ist allein eine Frage des Formniveaus. Bei dem, worüber Sie so klagen, müssen Sie sich statt dessen fragen, das ist meine Meinung, ob nicht Sie selbst ihn hergestellt haben. Denn wenn Ihre Enthüllung wahr ist, dann hat Aléa Torik auf einen Knopf bei Ihnen und vielen anderen gedrückt, und alle sind angesprungen, wie bei Pavlovschen Hunden Speichel fließt.
Daß solch eine Form der (Selbst)Erkenntnis schmerzhaft ist, allerdings, das verstehe ich. Das war Aufklärung indessen stets.
Ihr
ANH
)

Wenn mein Text als Kommentar beim Bücherblogger erschienen sein sollte, werde ich noch einmal gesondert darauf verlinken.

28 thoughts on “„Jeansväter“. Im Arbeits- und Krisenjournal des Donnerstags, dem 8. März 2012. Dazu ein erstes Fettberg. Sowie Aléa Torik.

  1. knorke ? wer anno dazumal ? – das wörtchen ‚cool‘ ist doch mittlerweile geradezu in der 3. generation ( seit mehr als dreissig jahren, selbsterlebt, selbst verwendend ) in gebrauch ( vor dreissig jahren von nicht-drogen-benutzenden frauen in richtung „emotional-erkaltet“ oder „cooles mackertum“ gebrandmarkt ) während
    „jeansvater“ doch eher nach bürgerlichem kampfbegriff gegen saloppheit riecht oder nach individualismus bis rein gegen kleiderordnung/uniformierung.
    ( gut, das muss der kleine mann am cello ja nicht wissen – etwas, was gegen eine art authentizitätsgefühl – und sei’s das einer teenagergruppe – sich richtet )

    1. @hups zu knorke. Das Wort kennt er selbstverständlich von mir; es war – soeben war die Zeit von „toff“ vorüber – in meiner eigenen Kindheit das Wort für toll. Darauf bezog sich der sehr junge Mann.
      Tatsächlich verwenden er und seine Freundin das Wort ‚cool‘ viel häufiger als etwas das Modewort ‚geil“. Auch die Chattersprache veraltet deutlich: „Lol is out“ ist ein Kampfruf seiner dreizehnjährigen Freundin.
      Interessant fand ich aber die implizite Perspektive, ein Wort nicht mehr verwenden zu können, bzw. zu wollen, wenn die Alten es übernehmen.

    2. .. entbehrt nicht eines gewissen witzes, – spontane komplettumstellungen in’s gegenteil eines gemeinschaftsgefühl konstituieren könnenden, hohlfloskelhaften sprachgebrauchs bei „gefahr interessensgefährdender übernahme“
      das wörtchen geil kenne ich aus der zeit vor dreissig jahren als sexuell- anstössiges (!) wörtchen diskreditiert, bis man irgendwie dann mal auf goethe und den sprachgebrauch seiner zeit kam ( so weit ich mich erinnere ) – mit was man sich anno dazumalz überhaupt ernsthaft beschäftigen konnte ( waren ja mal anzugträger verpönt oder welche mit den latzhosen )

      hihihi – kostümzwängereien

  2. Also, diese u can call me any name u like i will never deny it Spiele, irgendwelcher Autoren, die den auktorialen Erzähler durch Blogavatare ersetzen und dann von drauf hereinfallen faseln, sind mir schon auch suspekt, nein, nicht suspekt, ich finds poussierlich wie versteckte Kamera und den Spaß eines Kurt Felix, na ja. Dass Pavlov wirkt, was besagt das schon, das wussten wir auch vorher, ich hab das Blog kaum verfolgt, der Name schien mir schon verdächtig, und, der Bücherblogger hat recht, wenn er sagt, man will keinen Test bestehen müssen, warum auch, den Test des bist du Leser wirklich von meinem Text affiziert, oder von mir, die es mich gar nicht gibt, ist ein Test, dessen Ausgang man doch bereits weiß, jeder halbgare Werbeprofi wird einem schlüssig erklären, dass der Autokauf keine rationale Sache ist und also, warum solls der Bücherkauf sein. Ob das so wahnsinnig viel aufklärt und Licht in ein Dunkel bringt, mir scheint, dass eher die Beleuchtung einer hellbeschienenen Bühne mit Taschenlampe komisch wirkt, und der, der mit der Taschenlampe zu erleuchten vermeint, aber, es hat mich auch zu wenig geschert, muss ich gestehen.

    1. Als ein Bewunderer Adalbert Stifters des Autors als eines alten, dicken Mannes ansichtig wurde, war er enttäuscht wie noch nie in seinem Leben, weil er von der Literatur auf den Autor zurückgeschlossen hat – schöne Literatur = schöner Autor. Doch ebenso wenig wie man ein Buch nach dem Cover beurteilen sollte, muß man im Falle Aléa Torik das Buch „Das Geräusch des Werdens“ nach dem Blog aleatorik.eu beurteilen, selbst wenn es dort eine Rolle spielte. Wenn es sich denn bei Aléa Torik um eine Kunstfigur handelt, so hat diese immerhin ähnliche Rechte wie ein leibhaftiger Mensch mit Personalausweis, der, von Geist beseelt, Romane verfassen kann, die man allein nach ihrer literarischen Qualität beurteilen sollte, ganz gleich, unter welchen Umständen der Text veröffentlicht wird. Persönliche Befindlichkeiten, so nachvollziehbar sie sind, sollten jedenfalls der Rezeption des Romans an sich nicht im Wege stehen. (Doch wer weiß, vielleicht treibt ihn ein Skandal ja in die Bestsellerlisten!)

    2. Das ist ein frommer Wunsch, der vielleicht nach Ableben der Autoren in Erfüllung geht, aber leider verlangt es wohl eine bestimmte Leserschaft, oder sagen wir eher Käuferschaft, immer nach einer Art Kongruenz von Verfasser und Verfasstem. Und meine bescheidene Meinung, Skandale sind schwer planbar und interessieren meist auch nur bei hinreichend bekannten Autoren, vamos ver, sollte ich eine Wette drauf abschließen müssen, würde ich sagen, bleibt unterhalb der Wahrnehmungsschwelle, egal wie gut oder schlecht, allein wegen des unbekannten Verlages.
      Ich scroll gerade die Homepage und kann mich des Eindrucks nicht erwehren, ein gigantischer Bluff, auch der Verlag, alle Autorennamen scheinen mir erfunden, dann sagt mir aber mein Verstand, wer macht sich schon die Arbeit, vermutlich gibt es diese Titel tatsächlich alle, frei nach Kracauer, dass nun mal kein Kitsch erfunden werden könne, den die Wirklichkeit nicht überträfe.
      Les ich gerade den Pressetext, denk ich, hatte Spinnen nicht mal einen Text, der hieß farbenblinder Maler, und ich verstand, Farben blinder Maler, Spinnen habe ich eigentlich auch immer zugetraut, Menschen hinters Licht zu führen, der hatte auch all die Themen drauf zum Bluff, andererseit ist der auch wieder zu gern er selbst gewesen, aber mein innerer Scotland Yard sagt, war immer selbstverliebt genug, um ein Stück Weltherrschaft an sich bringen zu wollen, aber, was weiß ich schon, nichts, und was wollte ich davon heute noch wissen, nicht viel mehr:).

    3. Das war kein Wunsch, sondern eher eine Befürchtung. Sie haben aber sicher recht, Autor und Verlag sind zu unwichtig und unbekannt, als daß es richtig krachen resp. klappen könnte. Also keine Aléa Torik auf der Spiegel-Bestsellerliste. Sicher rauchen jetzt aber die Köpfe beim Osburg-Verlag ganz ordentlich, denn deren Motto „Menschen und ihre Geschichte“ könnte ja durch Aufdeckungen oder selbst nur durch Gerüchte Schaden nehmen.

      Bei bekannteren Autoren mag das aber wirklich hinhauen mit so einer Skandalisierung, bei Krachts „Imperium“ hat der Diez vom Spiegel doch wohl schon für ordentliche Verkaufszahlen gesorgt, und da sowohl Kracht als auch Diez im gleichen Verlag verlegen, gibt es am Ende nur Gewinner, abgesehen von den Lesern, die den Roman für Teuergeld gekauft und dann als mäßige Erzählung entlarvt haben. Manchmal ist mir der ganze Betrieb zuwider, so daß ich dann froh bin, nicht den ganzen Betrieb zu kennen sondern nur einige Menschen daraus.

    4. Einige Menschen ziehen halt einfach tierisches Vergnügen und Geld daraus, dass sie das Spiel zu spielen wissen, mich haben andere Dinge nur immer mehr interessiert, ich schaue drauf und denke, ich fand Schützenvereine schon bescheuert, und wer immer sich auf ähnliche Weise Geltung verschafft, der verlangt mir nicht mehr Respekt ab, als der geplant auf den Thron geschossene Schützenkönig, und, es gibt eben auch viele Schützenvereine und einen alleinigen Strippenzieher des Betriebs gibt es auch nicht, zu viele Löcher in der Matrix, und so mancher Fisch, der da mit durchs Netz schlüpft…

    5. ad Torik zu Diadorim und Schlinkert. Ein Aspekt, der völlig übersehen wird: Ich bin davon überzeugt, daß Aléa Torik, wenn sie schreibt, wirklich Aléa Torik i s t – völlig egal, ob sie, wenn sie nicht schreibt, jemand anderes ist. In jedem Fall ist eine Person entstanden, die ihren Vorgaben gänzlich entspricht. Gerade darum gehen vor allem moralische Vorwürfe restlos fehlt. Das einzig Interessante ist, ob diese junge Frau ein gutes Buch geschrieben hat, egal, was nun die Gründe und Umstände ihrer Zeugung waren. Die mögen allenfalls den Markt interessieren, bzw. die Vermarktung.

    6. Es ist ein Wettrennen um Aufmerksamkeit, wer das aufgrund welcher Qualitäten gewinnt, bleibt offen. Was aber ist ein gutes Buch ohne einen leibhaftigen Urheber? Einige sagen, ein gutes Buch, ich sage, Makulatur. Warum sage ich das, weil ich der Überzeugung bin, Bücher von Bedeutung schreibt man nicht als sein Avatar, sondern als die- oder derjenige, den es persönlich angeht und damit meine ich nicht die Fabelebene, nichts Biographisches, es ist aber wie das Signet des Malers: Ich, Dürer habe es gemacht. Ich bezweifle stark, das Kunst je ohne diese Form der leibhaftigen Bekennerschaft auskommen wird. Wie ich auch bezweifle, dass die Vermarktung von Kunst ihr etwas ganz und gar äußerliches ist, denn jeder, der sie anstrebt, ist sich dessen bewusst, dass er sie anstrebt und damit strebt er auch immer Formen ihrer Sichtbarwerdung an, ganz zwangsläufig.
      In ihrem ganz persönlichen Fall würde ich sogar behaupten, sie (die Kunst) lebt extrem von eine negativen Exposition als Nichtribbentrop, das aber verneint ihn nicht, sondern macht den Autor als Alban Nikolai Herbst sichtbar. Fiction is not by changing names. Und Sie sind in allen ihren Masken sehr identisch mit sich und wollen es auch sein.

    7. @ANH: Hört sich ein wenig an, als vermuteten Sie eine gespaltene Persönlichkeit, die unter bestimmten Bedingungen in Schreibtrance gerät und am Ende diesen Roman ablieferte. Doch gleichwie er entstanden ist, die einzige Frage, die zunächst einmal interessiert ist die, ob er gut ist oder nicht, und das hängt für mich erst einmal vom Text ab. Doch da ich den Roman nicht lesen werde, aus ganz ähnlichen Gründen wie Sie, denn er hat ja einen leibhaftigen Urheber, werde ich diese Frage nach der Qualität nicht beantworten können.

    8. @Schlinkert. Nein, ich vermute nichts Psychotisches, sondern allenfalls eine starke Selbstmystifikation, die sich rein aus der Arbeit ergeben haben wird – sofern stimmt, was von den beleidigten Leuten jetzt angeblich enthüllt wird. Mich interessiert nicht die Enthüllung, sondern mich würde interessieren, wenn, wie sich diese Identifikation poetisch auswirkt. Es ist durchaus möglich, daß jemand, der noch nie am Nordpol war, die Atmosphäre des Nordpols ästhetisch besser einfängt, als jemand, der dort gewesen ist. Der Ruf nach Authentizität ist nämlich nicht nur unpoetisch, sondern zielt auch erkenntnistheretisch auf ein höchst fragiles Grund-Konstrukt. In ihrerseits schon moralischen Zusammenhängen ist das selbstverständlich heikel. Um das mal auf den skandalösen Punkt zu bringen: Kann jemand, der Auschwitz nicht erlitten hat, Auschwitz darstellen… bzw., worum es hier geht: darf er, bzw. sie es? Was also wäre da ästhetische Kompetenz? Ich wage zu bezweifeln, daß alleinige Zeugenschaft die an die Hand gibt.

    9. @ANH Ich gehe d’accord mit der Annahme, daß es solche Selbstmystifikation durchaus gibt und daß dies zu guten und stimmigen Ergebnissen führen kann. Doch der Leser, der etwa den Nordpol auch nicht kennt, tut ja seinen Teil zum Gelingen des Textes hinzu, erwartet aber nicht unbedingt, daß es sich um autobiographisches Material handelt, ja ihm wird dies sogar völlig egal sein, handelt es sich um einen Roman oder sonstigen Erzähltext. Deswegen verwenden Schriftsteller, von W.G. Sebald mal abgesehen, auch nur selten Fotos oder sonstige Bilder. P o e t i s c h e, durch das Lesen des Textes erzeugte Authentizität ergibt sich jedenfalls keineswegs aus einer geschickten Marktstrategie, sondern nur aus dem Text an sich, wobei die ästhetische Kompetenz des Autor ausschlaggebend ist, weil allein sie es ihm erlaubt, dieses Ich oder Er oder Sie (oder Wir) im Buch wirklich zu s e i n. Ob das im Falle Aléa Toriks der Fall ist, mag ich nicht entscheiden wollen.

    10. Bilder zu verwenden, Schlinkert. Hat eine größere Tradition, als Sie vielleicht meinen. Denken Sie an Bretons Nadja, denken Sie überhaupt an die literarischen Arbeiten der Surrealisten. Denken Sie an Herta Müller, denken Sie an Wilhelm Genazino.

      Ein anderes ist die Marketing-Strategie. Sie kann völlig unabhängig vom Sujet eines Buches sein. Ich schrieb bereits dem Bücherblogger von dem von D’Annunzio erfolgereich inszenierten Tod D’Annunzios. Danach war er, als Lyriker, berühmt. Auch Rainald Goetzens Stirnschnitt gehört in diese Kategorie. Und den Markt so am Schwanz zu führen, wie Frau Torik das in jedem Fall, also so und/oder so, getan hat, ist ein sowohl ironisches als auch aufklärerisches als schließlich auch, indem es Text wird, poetisches Verfahren, dem gegenüber bürgerlich-loyale Vorwürfe wie Täuschung usw. völlig in die Irre gehen, nur daß sie in diesem Fall einen möglicherweise irreparablen Schaden anrichten. Für ein gutes Buch – egal, ob ich die Autorin leiden kann oder nicht – ist das mehr als nur zu bedauern; im Gegenteil, jettzt sehe ich mich genötigt, dem Buch beizuspringen. Wozu ich es, sollte sich die Sache ausweiten, dann eben doch lesen muß. Schade. Ich wäre gern drumrumgekommen.

    11. Mir selbst ist die Verwendung von Bild bzw. Objekt und Text keineswegs fremd. Ich habe jahrelang als bildender Künstler eben dies getan und sah mich deswegen immer wieder zwischen die Stühle gesetzt, weil in Deutschland aber auch wirklich alles seine Ordnung haben muß. Schubladendenken eben. Außerdem verbinde ich auch heute noch Handschriftliches und Bild. http://nwschlinkert.de/handschriftliches/

      Was die Marketingstrategie Aléa Toriks angeht, so mag die funktionieren oder nicht, aber ich denke da ohnehin wie Sie, daß es die Qualität des Textes ist, auf die es ankommt, auf nichts anderes – das hatte ich ja schon an verschiedenen Stellen betont. Gegenüber mir brauchen Sie die Autorin als Autorin und als Verfasserin des Romans also nicht zu verteidigen, mal ganz abgesehen davon, daß sie es auch wohl selbst unternehmen könnte, sich vor oder hinter den Kulissen zu äußern.

    12. Sich selbst äußern. Ich glaube nicht, daß das in der jetzigen Situation noch geht. Die Sache ist bereits zu verfahren. Außerdem, vergessen Sie bitte nicht, welch ein junge Frau das noch ist. Wenn wir sie so wahr- und ernstnehmen, müssen wir ihr auch zugestehen, überfordert zu sein.
      Dies meine ich nicht ironisch, sondern sehr ernst.

      (Darum eben geht es, poetisch: sie ernstzunehmen. Wenn die Autorin dann geschlossen identisch ist, ist sie auch wahr, nämlich als ein Roman. Wobei ich selbstverständlich darauf poche, daß die Welt kein Text ist. Aber es geht hier um Literatur.)

    13. Sie beide lesen sich gerade wie Tennisspieler, die sich über das selbstgespannte Toriknetz nun die Bälle zuspielen. Ich glaube inzwischen, the Torik ist was Dschungolöses, komisch nur, dass es mich darum immer noch nicht interessiert, weder Blog noch Buch, sondern ich bei offenbar sehr realen Personen hängen geblieben bin, auch in der virtuellen Welt, Frau Kiehl und einem Mann, der sich Alban nennt, und viel Zeit drauf verwendet, das Maskenspiel hochzuhalten, allerdings auch nur in soweit, als dass es eben doch auf ihn zurückfällt, als Mann, Vater, Autor.
      „Lebenslanges Lernen, Flexibilität, Mobilitätsbereitschaft und die Herrschaft des Kurzfristigen verlangen die Auflösung stabiler Identitäten und reservieren die Zukunft für ein wolkiges, wandelbares Ich. Kurzfristige Verträge ersetzen dauerhafte Institutionen in professionellen und familiären, kulturellen und sozialen Domänen. Wer die Ratgeberliteratur für Lohnempfänger aufschlägt, wird über das Ende beruflicher Routinen, über das Ende erwartbarer Lebenswege und Karrieren belehrt. Der ältere Auftrag, Lebensläufe als Selbstwerdungsprozesse zu verwirklichen, weicht der Aufgabe, sich mit einer Kunst des Anderswerdens zu arrangieren. Der Identitäszwang ist der Empfehlung zum Nicht-Identischen gewichen.“ J. Vogl, Das Gespenst des Kapitals
      So habe ich auch immer Rimbaud verstanden, der andere, der da noch „Ich“ ist, ist ein an der Selbstwerdung gehinderter, darum, und weil ich es am eigenen Sein spüre, ich wäre lieber Teil einer Selbstwerdung, als Teil einer Selbstzerstreuung, das bin ich nämlich bereits und es fühlt sich nicht gut an.
      Und, man lernt ja viel von der digitalen Bohème, vor allem aber eins, sie kann in aller Munde sein, anklicken muss sie darum trotzdem noch keiner. Das ist ein wenig, wie Herrndorf schreibt über Physik als ein Modell zur Beschreibung der Wirklichkeit, es ist das falsche Modell, weil es den menschlichen Faktor rausrechnet, und selbst der größte Nobelpreisträger hält nun mal der einfachsten Gewaltanwendung nicht stand. Sprich, mögen Sie auch noch so recht behalten und alle impliziten Autorentheorien mit, es klebt der Mensch so lang er liest an der unausrottbaren Idee von Identitäten und ihrer Selbstwerdung, das haben vermutlich die Griechen vor langer langer Zeit mal vermasselt, was wird das überhaupt noch an den Unis gelehrt, tz, Einheit von Dings, Bums und irgendwas, weg damit, tja, allein, es irrt der Mensch so lang er liest, und wieder mal Romeo und Julia aufspulen, dagegen kommt der größte Luhmann nicht so leicht an, und Elite-Panther ist vielleicht vom vorübergehen der Ständer, äh, Stäbe, aber schreibt Zuwachs, während ein paar versprengte Identitäsleugner noch Kornkreise in der Wüste deuten:).

    14. So etwas nennt man gemeinhin Dialog. Tennisspiel ist was anderes. Mich interessiert übrigens auch weder Blog noch Buch, ich denke aber, man sollte den nun veröffentlichten Roman Aléa Toriks seiner möglichen Wirkung nicht berauben, indem man seine Empörung in die Welt hinausposaunt, aus welchen Gründen auch immer. Das kann man auch für sich behalten oder es persönlich klären, jedenfalls dann, wenn man wissen muß, daß Schaden angerichtet wird.

    15. ach,klug, klüger, diadorim! (besonders das zitag von vogl) – und Danke auch für den Video-Link gestern, kannte ich nicht.

      …nur schade, dass Sie an keiner Schlampen-Demo teilnehmen täten. Es warlustig, besonders durchs Frankfurter Bahnhofsviertel zu ziehen hat Spaß gemacht. Und ich hatte auch gar keinen Bikini an, bloß ein Top, was ganz unspektakulär war (leider?).

    16. Das liegt daran, dass ich leider Menschenmasse genauso wenig mag wie der Herr Herbst, ist so, Obama, Fussball, Schlampen, Rolling Stones Konzert, alles unangenehm für mich.

    17. Obama und Rolling Stones – no go! Fußball – ich bin Süchtige (Es ist widerlich, aber ich kann es nicht lassen). Schlampen – finde ich schön! (So eine Masse war das gar nicht…)

    18. Gut, ich kündige dem Oberbeleuchter den Vertrag, eh Energieverschwendung, und kauf für die Romantik 3 Sack Stearinkerzen. Ich dachte, Zwielicht und verschwiegen Ecken braucht der Clubber, der braucht auch laute Musik, damit man sich nicht so gut versteht und die Körper sprechen, hm, also, ich bin außerstande Bücher ohne Licht zu lesen und Gemälde ohne Beleuchtung zu sehen, sorry for that, mea culpa. Ach ja, Clubs sind auch nicht so meins.
      Fussball, ich sage nur ein Spiel, Valencia gegen HSV und 3 Monate husten danach, nie wieder, zumindest nicht bei schlechtem Wetter.
      Krieg ich eigentlich eine Beförderung, wenn ich den Fall gelöst habe, oder werde ich vorzeitig in die Pension weggelobt?
      (Ich muss mich aber doch auch noch bedanken, dieses Blog hat daran mitgewirkt, dass ich Schaf mich nie wieder in einen Autor vergucken werde (gemeint ist nicht der Blogbetreiber), die halte ich nämlich inzwischen samt und sonders für nicht identitätsstabil, die sind heute der, und morgen wer anderes und übermorgen laborieren sie an irgendeinem post drug disease, schlicht, sie sind einfach nicht zu fassen, darauf hätte ich auch selbst kommen können, aber der falsche Konsens Effekt hats wohl verhindert. Lehrgeld bezahlt und Telekolleg bekommen:)

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