Who? A pale face surrounded by heavy odorous furs. Her movements are shy and nervous. She uses quizzing-glasses. Yes: a brief syllable. A brief laugh. A brief beat of the eyelids.(Das hier kursive Yes ist in der Handschrift unterstrichen.)
31 thoughts on “A pale face. James Joyce: Giacomo Joyce. Neuübersetzung (1).”
Ein blasses Gesicht. Joyce-Version ANHs.
Wer? Ein blasses Gesicht, von schweren geruchvollen Pelzen umgeben. Die Bewegungen scheuend, nervös. Sie verwendet ein Lorgnon*. Ja: Eine kurze Silbe. Ein kurzer Lacher. Ein kurzer Schlag der Augenlider.
[Auch Klaus Reichert fällt >>>> hier nichts Treffenderes ein.
Das ist schade, weil das „quizzing-glasses“ des englischen Satzes
den Brillencharakter erhält – daß es eben zwei Sehgläser sind;
der Begriff selbst unterschlägt es, vor allem, wenn der Gegenstand in
Vergessenheit geriet. Sogar ich mußte für „Lorgnon“ nachschlagen.
Etwa ist es grundsätzlich falsch, an ein Monokel zu denken. Die an
einem Stiel gehaltene, „Lorgnon“ genannte Brille paßt darüber hinaus zu
der beobachteten Weiblichkeit. Störender ist für mich aber das Fremdwort
im deutschen Text. – Zu meinen übrigen Entscheidungen äußere ich mich
in der Diskussion.]
Warum nicht für „glasses“ einfach „Augengläser“ verwenden, da hat man doch das mit den zwei Gläsern, wenn es denn wirklich zwei sein sollen? Glasses ist ja im Englischen unter Umständen so etwas wie im Deutschen das mit den Hosen, die man trägt, obwohl man nur e i n e Hose anhat. Das „quizzing“ ist natürlich ein Problem, weil es darauf abzielt zu betonen, daß sie die Augengläser wohl im Regelfall zum Zweck des fragenden Guckens auf Texte vor die Augen hält, so wie man das mit einem Monokel machen kann, wenn auch nicht in bezug auf Texte. „Sie benutzt Befragungs-Augengläser“ kann man aber natürlich nicht sagen im Deutschen! Unlösbar!? Oder soll die Mehrzahl nur andeuten, daß sie nicht immer das selbe Glas benutzt, sondern immer ein jeweils herumliegendes, ohne ein eigenes zu besitzen? Dann ginge es nie um zwei Augengläser, denn „lorgnette“ (englisch für Lorgnon) schreibt Joyce ja nicht. Es sei denn, sie würde zwei Einzelgläser beidhändig vor die Augen halten, was aber so absonderlich wäre, daß es betont werden müßte. Oder aber „quizzing-glasses“ ist einfach nur ironisch für „Lesebrille“, wofür es im Deutschen wohl aber kein ironisches Synonym gibt. http://www.college-optometrists.org/en/knowledge-centre/museyeum/online_exhibitions/spectacles/quizzers.cfm
„Quizzing-glasses“ ist tatsächlich ein englisches Wort für „Lorgnon“; „lorgenette“ wollte Joyce wahrscheinlich aus demselben Grund nicht haben, der mich in der deutschen, meiner wie Reicherts, Übertragung an „Lorgnon“ stört. Vor Augen haben wir eine Brille ohne Flügel, die stattdessen vermittels eines wahrscheilich feinen, ziselierten Handgriffs vor die Augen genommen wird – womit sich ja auch erotisch – und darauf läuft der Text zu – ausgesprochen gut spielen läßt, so, wie man mit einer Wade, die sich „versehentlich“ unterm langen Rock gezeigt hat, spielen konnte.
Lorgnon In einem Buch über die Brille im Film (irgendwo bei google-books) wird die Typisierung der Charaktere im Stummfilm aufgezählt:
„- Ärzte, Schriftsteller und sonstige Akademiker trugen Brille.
– Ältere Männer trugen Zwicker.
– Großbürger und Adlige trugen Monokel – ihre Frauen Lorgnon.“
Lorgnon paßt also zu den schweren Pelzen, zu dem „a person of quality“ weiter unten, zu „your ladyship“: ein Objekt, daß etwas über den Stand aussagt.
Oder Joyce macht auch ein Anspielung, weil die Frau doch aus gutem Haus ist, so daß er die Ähnlichkeit von glasses und classes betont. Dann ist es aber erst recht nicht angemessen zu übersetzen.
@Schlinkert und parallalie. Augengläser ff. Dann wäre „Lorgnon“ passend, weil sich Klassen-Distanz über die Wort-Distanz (Fremdwort gegenüber „Eigenem“) herstellte; dennoch fehlt dem Ton etwas. Vielleicht gar nicht den Begriff nehmen, sondern eine kurze Beschreibung des Gegenstandes.
„to quiz“ bedeutet übrigens sowohl „durch ein Monokel schauen“ wie „sich belustigen“, ja: „etwas spöttisch anschauen“ – womit man die junge Dame plötzlich sehr viel näher charakterisierte, als wenn man ihr das aus heutiger Sicht altertümliche Lorgnon beigibt. Das Lorgnon macht diese in Wirklichkeit s e h r junge Frau (die, wie wir später mitbekommen, fast sogar noch ein Mädchen ist) seltsam alt. Wir müßten die verwöhnte Schnippischkeit, vielleicht auch Zickigkeit ihrer Erscheinung fassen. Genau das hat Joyce mit „quizzing-glasses“ getan.
Sie hätte dann etwas frech Fragendes und Spöttisches und würde die Älteren also nachäffen, indem sie deren Getue nachmacht! Lorgnon paßt aber eben trotzdem nicht, weil es nur auf Altertümliches verweist, ohne den neuen Kontext anzudeuten.
lorgnon Wäre dann „Klemmer“ nicht passend zu dieser gar so jungen Frau ?, die trotz Benutzung der dandyartigen Lesehilfe, die ja ursprünglich eine Nietbrille (sic) war,“immer auf der Hut sein“, neugierig wie G.A.Petschorin ?
Klemmer grad eben nicht; das wäre besonders in sinnlicher Hinsicht falsch, weil das Wort den Gegenstand genau etwas tun läßt, was ein Lorgnon ausschließt: berühren. Der Klemmer klemmt eben sogar. Ein Lorgnon wird, allenfalls und je nur höchst flüchtig, von den Wimpern liebkost.
Wer? Ein blasses Gesicht in schweren, duftigen Pelzen. Ihre Bewegungen scheu und aufgeregt. Vor den Augen ein Lorgnon. Ja: eine kurze Silbe. Ein kurzes Lachen. Ein kurzer Schlag der Augenlider.
Ich hab‘ mich für „vor den Augen ein Lorgnon“ entschieden, es paßt in die Aufzählung der Wahrnehmungen und schieb sich so gleichsam zwischen die Dinge. Auch weil ich wie ANH das „sind“ nach den „Bewegungen“ weggelassen habe.
Meine vorläufige Version: Wer? Ein blasses Gesicht umrahmt von schwer duftenden Pelzen. Ihre Bewegungen sind schüchtern und nervös. Sie benutzt diese Augengläser. Ja: Eine kurze Betonung. Ein kurzes Lachen. Ein kurzes Klimpern der Augenlider.
„Kurzes Klimpern“ geht nicht. 1) Es verniedlicht, ist absolut unerotisch. Meine Inention für die Neuübersetzung ist aber gerade, den Eros zu stärken, von dem mir bei Reichert zu viel fehlt. Der Giacono Joyer erzählte eine erotische Geschichte.
2) Das Klimpern unterschlägt, daß das von Joyce gewählte Wort „beat“ auch auf den Herzschlag anspielt – nämlich seinen.
@parallalie. Ist das „aufgeregt“ nicht eine Spur zu dick? Nervosität paßt auch, für diese junge Frau, besser in den erotischen Kontext, zumal wird auf Pferde angespielt, Heißblüter, die man ganz ebenfalls „nervös“ nennt. Überdies sind einem sofort die erregend schmalen Fesseln der Beine vor Augen.
„Duftig“ ist sehr schön, aber nimmt vom „schwer“ der Pelze wieder etwas weg, das ich versucht habe, im „duftvollen“ zu bewahren.
@ANH im grunde sperrte ich mich gegen den direkten weg zum „nervös“, es geht wohl eher in richtung von „fuchtelig“ oder „fahrig“, ein bißchen „linkisch“. – was pelze anbetrifft, so haben sie trotz ihrer Schwere, doch noch etwas flauschiges und leichtes im haarigen gewirr, insofern scheint mir das kein widerspruch.
@ANH: Sie haben recht, Klimpern geht nicht, das ist zu mädchenhaft. „Schlag der Augenlider“ finde ich aber auch zu stark, weil so ein Augenlid ja kein Flügel ist. „Schließen“ ginge, dann wäre aber die Verbindung zum Herzschlag nicht gegeben. Um das Schlagen kommt man also nicht herum, doch ich würde dann auch „Ein kurzes Schlagen der Augenlider“ schreiben, denn es geht ja um ein Auf und ein Zu, sonst wäre es nur ein Schließen und nicht als Schlagen zu erkennen.
@parallalie @ANH Allerdings sind die ersten beiden „kurz“ mit dem Heben der Stimme verbunden, das dritte aber eher zunächst mit dem Senken des Augenlids. Ein Takt ist natürlich trotzdem darin, keine Frage.
Eigentlich ist es ja ein kurzes Auf und Ab, ein Senken und Heben. „Ein kurzes Auf und Ab der Augenlider“ würde es wohl treffen, hört sich aber fürchterlich an.
ich fürchte wir wollen unser herauslesen in den text bringen, der muß aber für sich selbst funktionieren, alles andeuten, und nicht mehr sagen, als er hergibt. allein wichtig ist, daß das flirren zwischen den worten funktioniert, ohne sie mehr zu explizieren als sie selbst es tun. – auch ich hatte schwierigkeiten mit dem „beat“, war auch beim „senken“ gelandet (weiter unten taucht’s in einem „beat and lift“ tatsächlich noch einmal auf), aber da ist nun mal der lidschlag.
(Das@parallalie wird sich, chemisch gesprochen, ausfällen. Vor allem, wenn die Arbeit intensiver werden wird. Ich lege ohnedies die Vorschläge zugrunde, die wir beide bereits in Amelia vorformuliert haben, als wir Reicherts Übersetzung abklopften.)
Ich lese eben die Formulierung „auf- und zuschlupfende Lider“ (In Nora Bossongs ‚Webers Protokoll‘, S.189) – das würde vielleicht besser passen als das bisher Vorgeschlagene. Ist nur so eine (verspätete) Idee.
Ein interessantes Projekt, das ich gerne verfolgen werde. Und gleich hiermit einzusteigen versuche:
Das ’nervous‘, gerade wenn es im Kontext von Pferden stehen könnte, wäre eher schlecht mit ’nervös‘ übersetzt, sondern korrekter und besser mit ‚empfindlich/empfindsam‘. A nervous horse ist kein nervöses, sondern ein extrem leicht auf Hilfen des Reiters reagierendes Pferd.
Das ‚quizzing-glasses‘ würde ich eher mit ‚Sehhilfe‘ (Singular, wie durch glasses fast erzwungen) übersetzen. Irgend eine ‚U/Non-U‘ Assoziation scheint mir dem Wort im Englischen fremd und hier arg angedichtet, vielmehr liegt die Betonung auf dem technisch-funktionalen Aspekt des Spekulierens, vielleicht so wie bei den deutschen ‚Spekuliergläsern‘. Lorgnon schießt für mich zu weit über das Ziel (die Quelle) hinaus, Joyce formuliert da für mein Ohr erheblich eleganter und weniger bemüht.
Die letzte Zeile gewänne im Deutschen durch eine etwas freiere Übersetzung, etwa wie ‚Ja: nur eine Silbe. Nur ein Lachen. Nur ein Schlag der Augenlider‘
an dem Tempo, welches dem ‚Ja: eine kurze Silbe. Ein kurzes Lachen. Ein kurzer Schlag der Augenlider‘
für mein Gefühl zu sehr abgeht. Obendrein würde mit dem ’nur‘ (oder einer besseren Lösung) noch der Beiklang von Instruktionen hinein genommen, welcher dem ‚brief‘ im Englischen anhaftet, dem ‚kurz‘ im Deutschen aber eher fehlt (obwohl in ‚kurz ab‘ so eben noch vorhanden).
„nur“ das „nur“ setzte aber schon eine vorgeschichte voraus, eine enttäuschte erwartung, all das aber ist dort nicht. „sehhilfe“ ist mir so technisch wie „gehhilfe“ für krücken. ich glaube, das lorgnon scheint deshalb nicht zu klingen, weil es nicht mehr benutzt wird, aber wir sind am Anfang des 20. jahrhunderts in einem remoten k.u.k.-winkel (nicht später als 1914, so Ellmann), noch vorm WK I. das mit dem „brief“ war mir auch schon aufgefallen, dort steht kein „short“. dennoch: im kurzen wahrnehmen der erscheinung mag dennoch im „kurzen schlag“ ein abnicken auch liegen.
Der Einwand eines Vorausgesetzten trifft jedoch das originale ‚Ja‘ nicht minder.
Ich denke, das ’nur‘ (mit dem ich ebenfalls nicht uneingeschränkt glücklich wäre) erzeugt unterschwellig eine Erwartung, indem es eine Verkürzung andeutet, ohne zu sagen, was eigentlich verkürzt wurde, so wie das ‚ja‘ eine Zustimmung darstellt, ohne daß der damit bejahte Inhalt bereits sichtbar ist.
Wäre tatsächlich ein Lorgnon gemeint, hätte Mr. Jocye das Ding ohne weiteres als ‚lorgnon‘ bezeichnen können, die Umschreibung ‚quizzing-glasses‘ ist ja eben technisch und vermutlich deswegen mit Absicht dem anderen Wort vorgezogen worden.
Gerade falls die Dame aus der englischen Oberschicht des beginnenden 20. Jahrhunderts stammt, wären solche technisch-kapriziösen Ausdrücke sehr angebracht, da man es in diesen Kreisen liebte, sich in der Sprache auf sehr eigenwillige Weise ‚modern-unmodern‘ zu geben und eine funktional korrekte, aber altmodisch umständliche Beschreibung einer nicht vom eigenen Personal in Handarbeit hergestellten Apparatur ein häufig verwendetes Unterscheidungsmerkmal gegenüber jenen Menschen war (und ist), die sich sprachlich brav an jede neue Mode anpassen und die geläufigen Worte für die alltäglichen Geräte verwenden.
@Sumuze zur nervösen Sehilfe. Ja, „Sehhilfe“ scheint mir auch angebrachter zu sein, nur daß das Wort längst wieder zeitgenössisch geworden ist, über die in Ramschläden billig feilgehaltenen und sehr oft benutzen „Lesehilfen“ nämlich, so daß wir irgendwie den filigranen Stiel mit hineinbekommen müßten, an dem diese Sehgläser vor die Augen gehalten werden. Dann wäre der „alte“ Zusammenhang wieder da.
Was das „nervös“ anbelangt, so schwingt darin für mich genau das schon mit, was Sie dagegen einwenden. „Nervös“ ist nicht (nur) ein Adjektiv, das eine psychischer Disposition meint, sondern eben auch eines, das Schnelligkeit und höchste Sensibilität meint bei einer dazugehörenden Unruhe in den Beinen. Das wollte ich gerne erhalten, deshalb meine Entscheidung für „nervös“. Eine Schnelligkeit und seismografische Empfindlichkeit der „Nerven“. Bei einem „nervösen Pferd“ sehe ich sofort einen kleinen Araber vor mir, dem jede Tumbheit des Kaltblüters abgeht. Ich habe diese Nervosität in meinem Übersetzungsvorschlag schon vorher angespielt, indem ich Joyces Ganzsatz „Her movements are shy and nervous“ synkopiere: „Die Bewegungen scheuend, nervös.“ Und tatsächlich ist das „nervöse Pferd“ nicht nur eines, das auf Hilfen des Reiters reagiert, sondern der Fluchtcharakter des Wildpferds, das jederzeitige Wittern und Unruhigwerden, der Freßfeinde wegen, ist darin mitgemeint. Dieses Wilde hat sich in ihm – in ihr, dem Mädchen – erhalten, völlig anders als bei einem Holsteiner, der auch die Peitsche stur erträgt, und auch anders als beim American Quarter Horse. Hier wird in der Tat auf Klasse=Rasse abgestellt, in diesem kleinen Eingangstext.
heavy odorous furs Was soll erotisch sein an einem Gesicht, das von Pelzen eingerahmt ist ? Und wirklich von Pelzen ? Ist es eine rauchige (rauhe) Kapuze, ist es nicht gar Eigenhaar, das duftet – ich erinnere frühkindliche Tage im heimischen Kuhstall, der zu jeder Zeit, winters wie sommers von einer schweren, duftigen Wärme war (noch heute für mich ein zutiefst erotisches Bild, zumal die frühe Anngebetete barfuß in Gummistiefeln im Mist rumstakte, über sich nichts als eine ärmellose Kittelschürze geworfen und einige Knöpfe noch nichtmal eingelocht; wenn sie die Arme mit der Forke bewegte, glitzerten Schweißperlen auf ihren Achselpelzen), in der es sich wohlfühlen (sic) ließ. Entscheidend aber – und dieses Empfinden ins Heute gerettet ! – daß die Steinwände durch die Feuchtigkeit der warmen Tierkörper mit einem weichen, schmierigem Pelz überzogen waren, der duftete…es steht da nicht, doch könnte das Milchgesicht nicht ein warmer, pelziger Geruch umgeben, wie eine Gloriole ?
Nebenbei, das Projekt wird sich wohl einige Zeit hinziehen 😉
@Friedbert zur Wärme. Ihre Erinnerung ist, vor allem in Ihrer Beschreibung, sehr gut nachfühlbar. Nur ist das Exterieur des Giacomo Joyce nicht im entferntesten bäuerlich.
Ich habe die einzelnen Abschnitt nicht gezählt, aber wenn wir jeden Tag einen „schaffen“, dann rechne ich mit ein bis zwei Monaten. Es kann aber sein, daß uns komplizierte Passagen länger als einen Tag aufhalten. Ich will auch gar kein Ende festlegen; dazu sind wir alle gleichzeitig zu sehr in noch viele ganz andere Arbeiten eingespannt.
Ein blasses Gesicht. Joyce-Version ANHs.
Ja: Eine kurze Silbe. Ein kurzer Lacher. Ein kurzer Schlag der Augenlider.
[Auch Klaus Reichert fällt >>>> hier nichts Treffenderes ein.
Das ist schade, weil das „quizzing-glasses“ des englischen Satzes
den Brillencharakter erhält – daß es eben zwei Sehgläser sind;
der Begriff selbst unterschlägt es, vor allem, wenn der Gegenstand in
Vergessenheit geriet. Sogar ich mußte für „Lorgnon“ nachschlagen.
Etwa ist es grundsätzlich falsch, an ein Monokel zu denken. Die an
einem Stiel gehaltene, „Lorgnon“ genannte Brille paßt darüber hinaus zu
der beobachteten Weiblichkeit. Störender ist für mich aber das Fremdwort
im deutschen Text. – Zu meinen übrigen Entscheidungen äußere ich mich
in der Diskussion.]
Warum nicht für „glasses“ einfach „Augengläser“ verwenden, da hat man doch das mit den zwei Gläsern, wenn es denn wirklich zwei sein sollen? Glasses ist ja im Englischen unter Umständen so etwas wie im Deutschen das mit den Hosen, die man trägt, obwohl man nur e i n e Hose anhat. Das „quizzing“ ist natürlich ein Problem, weil es darauf abzielt zu betonen, daß sie die Augengläser wohl im Regelfall zum Zweck des fragenden Guckens auf Texte vor die Augen hält, so wie man das mit einem Monokel machen kann, wenn auch nicht in bezug auf Texte. „Sie benutzt Befragungs-Augengläser“ kann man aber natürlich nicht sagen im Deutschen! Unlösbar!? Oder soll die Mehrzahl nur andeuten, daß sie nicht immer das selbe Glas benutzt, sondern immer ein jeweils herumliegendes, ohne ein eigenes zu besitzen? Dann ginge es nie um zwei Augengläser, denn „lorgnette“ (englisch für Lorgnon) schreibt Joyce ja nicht. Es sei denn, sie würde zwei Einzelgläser beidhändig vor die Augen halten, was aber so absonderlich wäre, daß es betont werden müßte. Oder aber „quizzing-glasses“ ist einfach nur ironisch für „Lesebrille“, wofür es im Deutschen wohl aber kein ironisches Synonym gibt.
http://www.college-optometrists.org/en/knowledge-centre/museyeum/online_exhibitions/spectacles/quizzers.cfm
„Quizzing-glasses“ ist tatsächlich ein englisches Wort für „Lorgnon“; „lorgenette“ wollte Joyce wahrscheinlich aus demselben Grund nicht haben, der mich in der deutschen, meiner wie Reicherts, Übertragung an „Lorgnon“ stört. Vor Augen haben wir eine Brille ohne Flügel, die stattdessen vermittels eines wahrscheilich feinen, ziselierten Handgriffs vor die Augen genommen wird – womit sich ja auch erotisch – und darauf läuft der Text zu – ausgesprochen gut spielen läßt, so, wie man mit einer Wade, die sich „versehentlich“ unterm langen Rock gezeigt hat, spielen konnte.
Lorgnon In einem Buch über die Brille im Film (irgendwo bei google-books) wird die Typisierung der Charaktere im Stummfilm aufgezählt:
„- Ärzte, Schriftsteller und sonstige Akademiker trugen Brille.
– Ältere Männer trugen Zwicker.
– Großbürger und Adlige trugen Monokel – ihre Frauen Lorgnon.“
Lorgnon paßt also zu den schweren Pelzen, zu dem „a person of quality“ weiter unten, zu „your ladyship“: ein Objekt, daß etwas über den Stand aussagt.
Oder Joyce macht auch ein Anspielung, weil die Frau doch aus gutem Haus ist, so daß er die Ähnlichkeit von glasses und classes betont. Dann ist es aber erst recht nicht angemessen zu übersetzen.
Na, ich glaube, er guckt erst mal, was das für Eine ist, und sucht nach äußeren Signalen.
@Schlinkert und parallalie. Augengläser ff. Dann wäre „Lorgnon“ passend, weil sich Klassen-Distanz über die Wort-Distanz (Fremdwort gegenüber „Eigenem“) herstellte; dennoch fehlt dem Ton etwas. Vielleicht gar nicht den Begriff nehmen, sondern eine kurze Beschreibung des Gegenstandes.
„to quiz“ bedeutet übrigens sowohl „durch ein Monokel schauen“ wie „sich belustigen“, ja: „etwas spöttisch anschauen“ – womit man die junge Dame plötzlich sehr viel näher charakterisierte, als wenn man ihr das aus heutiger Sicht altertümliche Lorgnon beigibt. Das Lorgnon macht diese in Wirklichkeit s e h r junge Frau (die, wie wir später mitbekommen, fast sogar noch ein Mädchen ist) seltsam alt. Wir müßten die verwöhnte Schnippischkeit, vielleicht auch Zickigkeit ihrer Erscheinung fassen. Genau das hat Joyce mit „quizzing-glasses“ getan.
Sie hätte dann etwas frech Fragendes und Spöttisches und würde die Älteren also nachäffen, indem sie deren Getue nachmacht! Lorgnon paßt aber eben trotzdem nicht, weil es nur auf Altertümliches verweist, ohne den neuen Kontext anzudeuten.
lorgnon Wäre dann „Klemmer“ nicht passend zu dieser gar so jungen Frau ?, die trotz Benutzung der dandyartigen Lesehilfe, die ja ursprünglich eine Nietbrille (sic) war,“immer auf der Hut sein“, neugierig wie G.A.Petschorin ?
Klemmer grad eben nicht; das wäre besonders in sinnlicher Hinsicht falsch, weil das Wort den Gegenstand genau etwas tun läßt, was ein Lorgnon ausschließt: berühren. Der Klemmer klemmt eben sogar. Ein Lorgnon wird, allenfalls und je nur höchst flüchtig, von den Wimpern liebkost.
Meine vorläufige Version
Ja: eine kurze Silbe. Ein kurzes Lachen. Ein kurzer Schlag der Augenlider.
Ich hab‘ mich für „vor den Augen ein Lorgnon“ entschieden, es paßt in die Aufzählung der Wahrnehmungen und schieb sich so gleichsam zwischen die Dinge. Auch weil ich wie ANH das „sind“ nach den „Bewegungen“ weggelassen habe.
Meine vorläufige Version: Wer? Ein blasses Gesicht umrahmt von schwer duftenden Pelzen. Ihre Bewegungen sind schüchtern und nervös. Sie benutzt diese Augengläser.
Ja: Eine kurze Betonung. Ein kurzes Lachen. Ein kurzes Klimpern der Augenlider.
„Kurzes Klimpern“ geht nicht. 1) Es verniedlicht, ist absolut unerotisch. Meine Inention für die Neuübersetzung ist aber gerade, den Eros zu stärken, von dem mir bei Reichert zu viel fehlt. Der Giacono Joyer erzählte eine erotische Geschichte.
2) Das Klimpern unterschlägt, daß das von Joyce gewählte Wort „beat“ auch auf den Herzschlag anspielt – nämlich seinen.
@parallalie. Ist das „aufgeregt“ nicht eine Spur zu dick? Nervosität paßt auch, für diese junge Frau, besser in den erotischen Kontext, zumal wird auf Pferde angespielt, Heißblüter, die man ganz ebenfalls „nervös“ nennt. Überdies sind einem sofort die erregend schmalen Fesseln der Beine vor Augen.
„Duftig“ ist sehr schön, aber nimmt vom „schwer“ der Pelze wieder etwas weg, das ich versucht habe, im „duftvollen“ zu bewahren.
@ANH im grunde sperrte ich mich gegen den direkten weg zum „nervös“, es geht wohl eher in richtung von „fuchtelig“ oder „fahrig“, ein bißchen „linkisch“. – was pelze anbetrifft, so haben sie trotz ihrer Schwere, doch noch etwas flauschiges und leichtes im haarigen gewirr, insofern scheint mir das kein widerspruch.
@ANH: Sie haben recht, Klimpern geht nicht, das ist zu mädchenhaft. „Schlag der Augenlider“ finde ich aber auch zu stark, weil so ein Augenlid ja kein Flügel ist. „Schließen“ ginge, dann wäre aber die Verbindung zum Herzschlag nicht gegeben. Um das Schlagen kommt man also nicht herum, doch ich würde dann auch „Ein kurzes Schlagen der Augenlider“ schreiben, denn es geht ja um ein Auf und ein Zu, sonst wäre es nur ein Schließen und nicht als Schlagen zu erkennen.
@Schlinkert ist aber doch schon in der reihe „kurz“ „kurz“ „kurz“ mehr als verdeutlicht.
Lidschlag. Weshalb eigentlich nicht das „eye“ vom „lid“ in den „beat“ vorziehen, also im Deutschen. Dann wäre das Gemeinte sehr genau erfaßt:
„Ein kurzer Augenschlag der Lider“. Wen, ecco!, schlagen die Lider?
@parallalie @ANH Allerdings sind die ersten beiden „kurz“ mit dem Heben der Stimme verbunden, das dritte aber eher zunächst mit dem Senken des Augenlids. Ein Takt ist natürlich trotzdem darin, keine Frage.
Eigentlich ist es ja ein kurzes Auf und Ab, ein Senken und Heben. „Ein kurzes Auf und Ab der Augenlider“ würde es wohl treffen, hört sich aber fürchterlich an.
ich fürchte wir wollen unser herauslesen in den text bringen, der muß aber für sich selbst funktionieren, alles andeuten, und nicht mehr sagen, als er hergibt. allein wichtig ist, daß das flirren zwischen den worten funktioniert, ohne sie mehr zu explizieren als sie selbst es tun. – auch ich hatte schwierigkeiten mit dem „beat“, war auch beim „senken“ gelandet (weiter unten taucht’s in einem „beat and lift“ tatsächlich noch einmal auf), aber da ist nun mal der lidschlag.
(Das@parallalie wird sich, chemisch gesprochen, ausfällen. Vor allem, wenn die Arbeit intensiver werden wird. Ich lege ohnedies die Vorschläge zugrunde, die wir beide bereits in Amelia vorformuliert haben, als wir Reicherts Übersetzung abklopften.)
Ich lese eben die Formulierung „auf- und zuschlupfende Lider“ (In Nora Bossongs ‚Webers Protokoll‘, S.189) – das würde vielleicht besser passen als das bisher Vorgeschlagene. Ist nur so eine (verspätete) Idee.
S e h r @Schlinkert schöne Idee! In die Richtung weitersinnen. Ja.
(Nein, hier kommt noch lange nichts zu spät.)
Ich sinne immer! .
Ein interessantes Projekt, das ich gerne verfolgen werde. Und gleich hiermit einzusteigen versuche:
Das ’nervous‘, gerade wenn es im Kontext von Pferden stehen könnte, wäre eher schlecht mit ’nervös‘ übersetzt, sondern korrekter und besser mit ‚empfindlich/empfindsam‘. A nervous horse ist kein nervöses, sondern ein extrem leicht auf Hilfen des Reiters reagierendes Pferd.
Das ‚quizzing-glasses‘ würde ich eher mit ‚Sehhilfe‘ (Singular, wie durch glasses fast erzwungen) übersetzen. Irgend eine ‚U/Non-U‘ Assoziation scheint mir dem Wort im Englischen fremd und hier arg angedichtet, vielmehr liegt die Betonung auf dem technisch-funktionalen Aspekt des Spekulierens, vielleicht so wie bei den deutschen ‚Spekuliergläsern‘. Lorgnon schießt für mich zu weit über das Ziel (die Quelle) hinaus, Joyce formuliert da für mein Ohr erheblich eleganter und weniger bemüht.
Die letzte Zeile gewänne im Deutschen durch eine etwas freiere Übersetzung, etwa wie
‚Ja: nur eine Silbe. Nur ein Lachen. Nur ein Schlag der Augenlider‘
an dem Tempo, welches dem
‚Ja: eine kurze Silbe. Ein kurzes Lachen. Ein kurzer Schlag der Augenlider‘
für mein Gefühl zu sehr abgeht. Obendrein würde mit dem ’nur‘ (oder einer besseren Lösung) noch der Beiklang von Instruktionen hinein genommen, welcher dem ‚brief‘ im Englischen anhaftet, dem ‚kurz‘ im Deutschen aber eher fehlt (obwohl in ‚kurz ab‘ so eben noch vorhanden).
„nur“ das „nur“ setzte aber schon eine vorgeschichte voraus, eine enttäuschte erwartung, all das aber ist dort nicht. „sehhilfe“ ist mir so technisch wie „gehhilfe“ für krücken. ich glaube, das lorgnon scheint deshalb nicht zu klingen, weil es nicht mehr benutzt wird, aber wir sind am Anfang des 20. jahrhunderts in einem remoten k.u.k.-winkel (nicht später als 1914, so Ellmann), noch vorm WK I. das mit dem „brief“ war mir auch schon aufgefallen, dort steht kein „short“. dennoch: im kurzen wahrnehmen der erscheinung mag dennoch im „kurzen schlag“ ein abnicken auch liegen.
Der Einwand eines Vorausgesetzten trifft jedoch das originale ‚Ja‘ nicht minder.
Ich denke, das ’nur‘ (mit dem ich ebenfalls nicht uneingeschränkt glücklich wäre) erzeugt unterschwellig eine Erwartung, indem es eine Verkürzung andeutet, ohne zu sagen, was eigentlich verkürzt wurde, so wie das ‚ja‘ eine Zustimmung darstellt, ohne daß der damit bejahte Inhalt bereits sichtbar ist.
Wäre tatsächlich ein Lorgnon gemeint, hätte Mr. Jocye das Ding ohne weiteres als ‚lorgnon‘ bezeichnen können, die Umschreibung ‚quizzing-glasses‘ ist ja eben technisch und vermutlich deswegen mit Absicht dem anderen Wort vorgezogen worden.
Gerade falls die Dame aus der englischen Oberschicht des beginnenden 20. Jahrhunderts stammt, wären solche technisch-kapriziösen Ausdrücke sehr angebracht, da man es in diesen Kreisen liebte, sich in der Sprache auf sehr eigenwillige Weise ‚modern-unmodern‘ zu geben und eine funktional korrekte, aber altmodisch umständliche Beschreibung einer nicht vom eigenen Personal in Handarbeit hergestellten Apparatur ein häufig verwendetes Unterscheidungsmerkmal gegenüber jenen Menschen war (und ist), die sich sprachlich brav an jede neue Mode anpassen und die geläufigen Worte für die alltäglichen Geräte verwenden.
@Sumuze zur nervösen Sehilfe. Ja, „Sehhilfe“ scheint mir auch angebrachter zu sein, nur daß das Wort längst wieder zeitgenössisch geworden ist, über die in Ramschläden billig feilgehaltenen und sehr oft benutzen „Lesehilfen“ nämlich, so daß wir irgendwie den filigranen Stiel mit hineinbekommen müßten, an dem diese Sehgläser vor die Augen gehalten werden. Dann wäre der „alte“ Zusammenhang wieder da.
Was das „nervös“ anbelangt, so schwingt darin für mich genau das schon mit, was Sie dagegen einwenden. „Nervös“ ist nicht (nur) ein Adjektiv, das eine psychischer Disposition meint, sondern eben auch eines, das Schnelligkeit und höchste Sensibilität meint bei einer dazugehörenden Unruhe in den Beinen. Das wollte ich gerne erhalten, deshalb meine Entscheidung für „nervös“. Eine Schnelligkeit und seismografische Empfindlichkeit der „Nerven“. Bei einem „nervösen Pferd“ sehe ich sofort einen kleinen Araber vor mir, dem jede Tumbheit des Kaltblüters abgeht. Ich habe diese Nervosität in meinem Übersetzungsvorschlag schon vorher angespielt, indem ich Joyces Ganzsatz „Her movements are shy and nervous“ synkopiere: „Die Bewegungen scheuend, nervös.“ Und tatsächlich ist das „nervöse Pferd“ nicht nur eines, das auf Hilfen des Reiters reagiert, sondern der Fluchtcharakter des Wildpferds, das jederzeitige Wittern und Unruhigwerden, der Freßfeinde wegen, ist darin mitgemeint. Dieses Wilde hat sich in ihm – in ihr, dem Mädchen – erhalten, völlig anders als bei einem Holsteiner, der auch die Peitsche stur erträgt, und auch anders als beim American Quarter Horse. Hier wird in der Tat auf Klasse=Rasse abgestellt, in diesem kleinen Eingangstext.
heavy odorous furs Was soll erotisch sein an einem Gesicht, das von Pelzen eingerahmt ist ? Und wirklich von Pelzen ? Ist es eine rauchige (rauhe) Kapuze, ist es nicht gar Eigenhaar, das duftet – ich erinnere frühkindliche Tage im heimischen Kuhstall, der zu jeder Zeit, winters wie sommers von einer schweren, duftigen Wärme war (noch heute für mich ein zutiefst erotisches Bild, zumal die frühe Anngebetete barfuß in Gummistiefeln im Mist rumstakte, über sich nichts als eine ärmellose Kittelschürze geworfen und einige Knöpfe noch nichtmal eingelocht; wenn sie die Arme mit der Forke bewegte, glitzerten Schweißperlen auf ihren Achselpelzen), in der es sich wohlfühlen (sic) ließ. Entscheidend aber – und dieses Empfinden ins Heute gerettet ! – daß die Steinwände durch die Feuchtigkeit der warmen Tierkörper mit einem weichen, schmierigem Pelz überzogen waren, der duftete…es steht da nicht, doch könnte das Milchgesicht nicht ein warmer, pelziger Geruch umgeben, wie eine Gloriole ?
Nebenbei, das Projekt wird sich wohl einige Zeit hinziehen 😉
@Friedbert zur Wärme. Ihre Erinnerung ist, vor allem in Ihrer Beschreibung, sehr gut nachfühlbar. Nur ist das Exterieur des Giacomo Joyce nicht im entferntesten bäuerlich.
Ich habe die einzelnen Abschnitt nicht gezählt, aber wenn wir jeden Tag einen „schaffen“, dann rechne ich mit ein bis zwei Monaten. Es kann aber sein, daß uns komplizierte Passagen länger als einen Tag aufhalten. Ich will auch gar kein Ende festlegen; dazu sind wir alle gleichzeitig zu sehr in noch viele ganz andere Arbeiten eingespannt.