Parallel zu den Reihenimpfungen war Ungefuggers Hygienisierungskampagne angelaufen, auch dies bereits während der ersten Legislaturperiode. Prostitution wurde verboten, zur Triebbefriedigung standen Videoskope und Orgasmatrone bereit. Pontarlier führte den Begriff der politischen Korrektheit ein, eine Art internalisierter Selbstzensur, die jegliches Handeln außerhalb einer vorgegebenen Norm nicht zwar i n, aber doch a n Ketten legte. Da die derart gebundenen Triebe in die eine, ihnen animalischerseits bestimmte Richtung nicht mehr konnten, der Energieerhaltungssatz jedoch auch diesbezüglich gilt, mußten sie anderswohin. Die Produktion bot sich an und wurde angeboten. Da machte jedermann gern mit, zumal es so demokratisch war; den Ängsten der Mehrheit ist einzelner Mut von Grund auf suspekt. Mut ist aber immer einzeln. Ungefugger wußte, was er tat. Und wusch sich jeden Tag in Transparenz und Correctness, bis seine Haut vom vielen Reiben ganz rot war. >>>> Buenos Aires. Anderswelt, S. 130.
2 thoughts on “Hygienisierung als Produktionsmotor. Buenos Aires‘ Sozialität. Argo. Anderswelt (289).”
Dazu die literarische Charakterisierung der in diese ökonomisch-soziale Verfaßtheit restlos eingeflochtenen Personen.
Hier am Beispiel der Zeuner: So war die EWG nicht nur an die Börse gegangen, sondern Multi geworden. Die Goltz hatte den ihr ergebenen Klaus Balmer hinübergeschickt, der seine schwierige Aufgabe zwar nicht gänzlich ohne Reibereien mit Allgheny’s großen Versicherern, aber letztlich erfolgreich anzupacken wußte, und zwar so sehr angemessen ihren eigenen Vorstellungen von produktiver Energie, daß sie zweidreimal mit dem Gedanken einer auch persönlichen Verbindung gespielt hatte; sie wußte ja, wie Balmer sie verehrte, – nicht ganz anders, übrigens, als sie selbst seinerzeit den Firmengründer und heutigen Präsidenten. Schon im Firmeninteresse war es vielleicht angeraten, den Aufsteiger, bevor er eigene Ambitionen entwickelte und sich von ihr und ihren Weisungen emanzipierte – Allegheny war weit -, auch anderweitig an sich zu binden und das Unternehmen mit der transthetischen Tochter ganz persönlich zusammenzuschweißen. An Hans Deters dachte sie schon seit langem nicht mehr oder wie an eine Jugendsünde, es waren seit ihrer letzten Begegnung mehr als neun Jahre vergangen – doch dann… dann saß sie mit einem Mal in Hannovers Bell’ Arte dem sichtlich gealterten Mann gegenüber und trug ein Kleid, das ihr gar nicht gehörte. Nicht einmal war dessen Schnitt ihr Stil, überhaupt waren ihr die Sachen obenrum zu eng. Jeder andere wäre schockiert gewesen, hätte womöglich aufgeschrieen oder wäre nervös hochgesprungen, hätte sich an Umhersitzende um Hilfe gewandt. Nicht so sie. Sie hatte gelernt, sich auf unerwartete Ereignisse unmittelbar einzustellen, schwierige Entscheidungen, auch solche, an denen Gedeih und Verderb des Unternehmens hingen, waren zu oft momentan zu fällen, als daß sie jetzt nicht automatisch in diesen ihr dann eigenen Ruhezustand gefallen wäre, ja in eine Kontemplation, welche die wenige zur Verfügung stehende Zeit gleichsam dehnte.>
Dazu die literarische Charakterisierung der in diese ökonomisch-soziale Verfaßtheit restlos eingeflochtenen Personen.