sag das den wispernden gespenstern mein herz
meine arbeiter werden es dir danken
und laß die hosenträger oben
und laß die jacke: an
Katharina Stevens, Samarium
Das beschäftigt mich weiter. Dabei hatte mich Sabine Scho >>>> schon vor zwei Jahren gewarnt und vor zwei Tagen deutlich nachgelegt: „… mir ist nach gürteltierfunktion, einrollen wollen“, schrieb sie mir bei Facebook, „aber trotzdem schön, wenn Sie auch zum Scheitern kommen wollen, die großartige Katharina Schultens liest ja auch!“ Nun ist mir, dem formal Konservativen, gegen neue Lyrik eine gewisse Skepsis eigen, für Romane bin ich leichter zu >>>> entflammen; auch wenn ich neue Gedichte gut finden kann, ihnen folgen und sie verstehen kann, bleibt meine Begeisterung meist kühl: rein intellektuell; ich sehe und höre das Spiel sehr wohl, es ist aber nicht meines, mein poetischer Körper läßt sie nicht rein, sondern draußen, als Objekte, vor der Seelentür stehen, die ich zwar öffne, wenn geklingelt wird, und ich spreche dann mit ihnen, vielleicht biete ich ihnen sogar einen Kaffee an, aber bringe den Becher raus auf den Hausflur. Ich habe Vorbehalte. Genau das zog mir gestern abend >>>> im Ausland den Boden unter den Füßen weg. Wahrscheinlich hatte ich ein Fenster offenstehen lassen in meiner mir vermeintlichen Sicherheit, so, wie es immer offensteht, wenn es draußen nicht allzu sehr stürmt; es stürmte aber, nur hatte ich an ein Gewitter, das aufzog, nicht geglaubt. Es kam auch so leise, erst nur als Erscheinung: schlank, hochgewachsen, filigran, das Stürmenwollen hinter einer viel zu großen Brille versteckt, aber die Knöchel allein der rechten schmalen Hand, die sich ums Mikrophon legte, hätten mir schon vor dem Sirenengesang die Ohren verschließen sollen, nur weg, nur weg, am Steuer festgebunden die Schären umschifft, von denen es durch das Fenster aber hereinklang:
ich hob die arme fuhr mit allen fingern tief ins haar
und aktivierte probehalber diesen einen blick
ihre zungen blitzen nur einen moment
unterhalb der ohrläppchen hervor
denn das genügte
Ja, das genügte. Es ist das Schlimme an den Sirenen, daß, hat man sie einmal gehört, jede Faser des eigenen Körpers auf sie konzentriert wird; man hört nicht mehr nur noch akustisch, sondern hört mit den Zellen der Haut, hört mit dem Haar zu; es hören die Organe:
morgens wenn es dämmerte ging ich gewöhnlich tanzen
es gab einen club der wechselte die treppenhäuser
Der Vortrag, wiewohl dunkel grundiert in der Stimme, hebt sich ins Licht an, das schwirrt und vermittels einer so feinen Grausamkeit perplex macht, daß man sie weiter- und immer weiterspüren möchte, ja zu der Tatze wird, in die sie sich einbohrt:
ich tanzte mit einem kollegen im bärenkostüm
ich trug die stiefel noch aus dem büro
Doch aber nicht nur sie dreht sich, sondern die Aussage auch, so daß man wie wachgeklatscht dasteht:
und wenn die drehung dann vollendet war öffnete
ich meine lider schließlich war ich noch im praktikum
Verdammt, man wurde erwischt! Sie aber, Circe, dreht sich aufs neue, nun aber in ihr Ältestes zurück:
man hatte mir zwei schlangen zugestanden
vor dem bereits die erste Strophe des Gedichtes unmißverständlich gewarnt hatte:
die wände waren reine screens
und nichts wurde vergessen
Schuld, Verhängnis, Verfallensein – alles gerät in den Strudel, der den Odysseus hinabsaugen will, ohne daß die Sirenen ihn, den Ozean, umrühren müssen; sie ändern nur unsern Kurs, locken mit sicher Scheinendem, Zahlen, Begriffen, Statistiken, Positivismen, auf die wir uns männlich verlassen:
kaum denkbar rauszugehen. glaubte wir stünden vorm büro
und hingen doch – einsehbar – gespickt auf der anzeige dort.
Allein schon dieses „eine nach dem anderen“! Wie elegant die Geschlechtercorrectness gelöst ist, befolgt und zugleich unterlaufen… Wie berauschend sich jede Komposition aus kalkulierter Verfügung über die Mittel in sensibelste Empfindung verwandelt, wie aus den technischsten Termini Seufzer werden können und Sehnsucht und Klagen einer von vornherein vergeblichen und so auch gewußten Hoffnung, zum Beispiel in „Prism“, was bereits ein Wortspiel ist, weil der Vortrag aus Prismen Gefängnisse macht:
wenn du mich suchst wo suchst du. suchst du mich im feld oder online.
suchst du mich treppab suchst du mich in meiner statusmeldung.
Weißt du
wie mein filter funktioniert. Weißt du welche standardeinstellung ich
wählte.
Doch damit nicht genug, daß sie den Social Networks genau die Seele g i b t, an die deren User so unbegriffen glauben, strömt sie sich wie persönlich, ganz persönlich da hinein und wird geradezu intim, weil gebethaft, Zwiesprach‘ mit dem HErrn:
(-/-/-/.) bitte lenke mein licht. bitte laß mich dich
kennenlernen. dein wille geschehe. dimitte debita nostra
(nobis!) und wenn ich niemand das geringste vergebe
Dazu eine Vortrags-Professionalität, die ganz nebenbei, fast, als wollte sie die Gedichte zurücknehmen, mit der eigenen Referentialität, der des auftretenden Selbstes, spielt: „Dieser Text funktioniert nur auf der großen Bühne, hier geht er schief“ – und trägt ihn gerade deshalb vor, diese Fingerknöchel, diese Fingerknöchel! und ich möchte hinter die Brille dieser Brillenschlange sehn, was sie versteckt, die eine von den beiden, die man der Zaub’rin „zugestanden“, die andre windet sich als Taille um die Taille hinauf und wird zum Hals, zum Zweig, so hat >>>> der alte Kaa all die Affen betört, als die wir in dem Raum sind – Reflexe der Tiere in Architektur, von denen Sabine Scho vorher vorgetragen hatte: bei ihr fast immer Dichtungen von Gefangenheit, bei Schultens aber einer Befreiung nach innen, glühende Transzendenz:
schatten schönster. allerliebster
treuloser idiot. du hast den zustand
unterschätzt. es steht so schlimm du bist
ein manifest inzwischen. schwimmst
Oh, ich vergaß das Wachs in den Ohren. Jetzt lenk ich das Schiff – und Sie auf ihm – in den Abgrund der Sprache, denn ich hatte das Unglück, G e d i c h t e zu hören – reine Gedichte, die unsauber sind: so irdisch, daß ich ihnen die Brille abnehmen will, die sie schützt:
bitte entlaß mich in methodenlosigkeit
bitte erlaube mir ein ungewaschnes kind
bitte versteh meine bilder miß zu identität
bitte finde mich: bitte finde mich nicht
*******************************
und aktivierte probehalber diesen einen blick
ihre zungen blitzen nur einen moment
unterhalb der ohrläppchen hervor
denn das genügte
Ja, das genügte. Es ist das Schlimme an den Sirenen, daß, hat man sie einmal gehört, jede Faser des eigenen Körpers auf sie konzentriert wird; man hört nicht mehr nur noch akustisch, sondern hört mit den Zellen der Haut, hört mit dem Haar zu; es hören die Organe:
es gab einen club der wechselte die treppenhäuser
Der Vortrag, wiewohl dunkel grundiert in der Stimme, hebt sich ins Licht an, das schwirrt und vermittels einer so feinen Grausamkeit perplex macht, daß man sie weiter- und immer weiterspüren möchte, ja zu der Tatze wird, in die sie sich einbohrt:
ich trug die stiefel noch aus dem büro
und wenn ich mich drehte bohrte ich den absatz
immer genau zwischen die zehen seiner tatzen
Doch aber nicht nur sie dreht sich, sondern die Aussage auch, so daß man wie wachgeklatscht dasteht:
ich meine lider schließlich war ich noch im praktikum
Verdammt, man wurde erwischt! Sie aber, Circe, dreht sich aufs neue, nun aber in ihr Ältestes zurück:
vor dem bereits die erste Strophe des Gedichtes unmißverständlich gewarnt hatte:
und nichts wurde vergessen
Schuld, Verhängnis, Verfallensein – alles gerät in den Strudel, der den Odysseus hinabsaugen will, ohne daß die Sirenen ihn, den Ozean, umrühren müssen; sie ändern nur unsern Kurs, locken mit sicher Scheinendem, Zahlen, Begriffen, Statistiken, Positivismen, auf die wir uns männlich verlassen:
und hingen doch – einsehbar – gespickt auf der anzeige dort.
ich hatte unsere größe vergessen und die relation
unserer größe zu der des geschehens. ich will aus.
raus hörten wir. eine nach dem anderen ging
und wechselte den stamm und dachte
x habe das system verlassen.
Allein schon dieses „eine nach dem anderen“! Wie elegant die Geschlechtercorrectness gelöst ist, befolgt und zugleich unterlaufen… Wie berauschend sich jede Komposition aus kalkulierter Verfügung über die Mittel in sensibelste Empfindung verwandelt, wie aus den technischsten Termini Seufzer werden können und Sehnsucht und Klagen einer von vornherein vergeblichen und so auch gewußten Hoffnung, zum Beispiel in „Prism“, was bereits ein Wortspiel ist, weil der Vortrag aus Prismen Gefängnisse macht:
suchst du mich treppab suchst du mich in meiner statusmeldung.
Weißt du
wie mein filter funktioniert. Weißt du welche standardeinstellung ich
wählte.
Doch damit nicht genug, daß sie den Social Networks genau die Seele g i b t, an die deren User so unbegriffen glauben, strömt sie sich wie persönlich, ganz persönlich da hinein und wird geradezu intim, weil gebethaft, Zwiesprach‘ mit dem HErrn:
kennenlernen. dein wille geschehe. dimitte debita nostra
(nobis!) und wenn ich niemand das geringste vergebe
so laß mich dennoch nicht allein
Dazu eine Vortrags-Professionalität, die ganz nebenbei, fast, als wollte sie die Gedichte zurücknehmen, mit der eigenen Referentialität, der des auftretenden Selbstes, spielt: „Dieser Text funktioniert nur auf der großen Bühne, hier geht er schief“ – und trägt ihn gerade deshalb vor, diese Fingerknöchel, diese Fingerknöchel! und ich möchte hinter die Brille dieser Brillenschlange sehn, was sie versteckt, die eine von den beiden, die man der Zaub’rin „zugestanden“, die andre windet sich als Taille um die Taille hinauf und wird zum Hals, zum Zweig, so hat >>>> der alte Kaa all die Affen betört, als die wir in dem Raum sind – Reflexe der Tiere in Architektur, von denen Sabine Scho vorher vorgetragen hatte: bei ihr fast immer Dichtungen von Gefangenheit, bei Schultens aber einer Befreiung nach innen, glühende Transzendenz:
treuloser idiot. du hast den zustand
unterschätzt. es steht so schlimm du bist
ein manifest inzwischen. schwimmst
nicht oben hast zu wenig masse um
zu schweben und du sinkst weil du
ein stein bist der vergessen hat daß er
ein schwarzes loch spielt in der nacht.
Oh, ich vergaß das Wachs in den Ohren. Jetzt lenk ich das Schiff – und Sie auf ihm – in den Abgrund der Sprache, denn ich hatte das Unglück, G e d i c h t e zu hören – reine Gedichte, die unsauber sind: so irdisch, daß ich ihnen die Brille abnehmen will, die sie schützt:
bitte erlaube mir ein ungewaschnes kind
bitte versteh meine bilder miß zu identität
bitte finde mich: bitte finde mich nicht
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[Die hier besungenen Gedichte entstammen einem noch
unveröffentlichten Buch >>>> dieser Dichterin .
Vorherige Publikation:
>>>> Bestellen.]
unveröffentlichten Buch >>>> dieser Dichterin .
Vorherige Publikation:
>>>> Bestellen.]
(Siehe hierzu auch. Die Erzählung im >>>> Arbeitsjournal des 14. Septembers 2013.)
gier stabil
Verdammt! Was ein guter Titel.
Ja, ja, jaaaa! Schultens kaum genug zu lobendes → gierstabil hielt ich, vom tollen Titel magnetisiert, bereits beim LCB-Sommerfest in der Hand. Und hätte es lieber direkt darin behalten, hätte ich bloß mehr Bargeld bei mir gehabt. Nach Erinnerung – danke! – durch diese absolut berechtigte Hymne habe ich’s nun umgehend bestellt.
Sehr bemerkenswert fand ich übrigens auch diesen Satz im → Interview auf B2 «(…) ich kam von der Musik und die Musik reichte nicht aus.» (Lustigerweise war das bei mir als Pubertierender damals genau umgekehrt, als ich mit ca. 14 anfing, schlechte Gedichte zu schreiben und mir’s dann in der Sprache zu eng wurde, zu papiern.) Die auffällige Musikalität der Gedichte trägt jedenfalls wesentlich zu meiner Begeisterung bei.
Es enthält wohl genau das, was der Titel an gehaltenem Zustand verspricht.
Und ich dachte als ich die Hymne las, da gibt einer das Steuer nicht aus der Hand, das doch offenbar sie übernommen und ihn mitsamt dem Schiff auf den Grund geholt hat.
Zu Schultens‘ „gierstabil“ sieh auch