Europajournal mit Verschiebung: dem, von Britten vertont, Sommernachtstraum in der Komischen Oper entgegen. Am Sonntag, dem 15. September 2013. In einem Fluß.

8.45 Uhr:
[Arbeitswohnung. Britten für Shakespeare, A Midsummer Night’s Dream.]
Erster Latte macchiato.
Erste Morgenpfeife.
Nach anderthalb Stunden Intervalltraining Brustschwimmen/Kraulen. Im Ohr das Meer. Die Schultern ziehen. Der Kreislauf ist matt. Denn ich habe das nie gekonnt und nur selten versucht: zu kraulen. Jetzt bringe ich’s mir bei. Anfangs kommt man ziemlich aus der Puste. Hartnäckig bleiben. Auf Technik achten. Sich alles abgucken, was ein anderer Schwimmer tut, der einzige mit mir auf der Bahn, der aber wie ein Pfeil durchs Wasser gleitet. Nach einer Viertelstunde wahrscheinlich komischer, weil täppischer Versuche krieg ich schon eine ganze Bahn hin. Die Bahn per Brustschwimmen zurück. Neuerliches Kraulen nach dem abermaligen Umkehren. Jetzt merke ich, was ich getan hab. Ich könnt jetzt ohne weiteres eine Stunde schlafen.
(„Man ist doch kein Mensch mehr!“ schimpfte die Frau an der Kasse des Schwimmbads, graue Raucherinnenhaut, die Depressivität der Erniedrigten in ihren Augen. „Um halb vier aufstehen, wenn man von Karow herkommen muß…“ Daß das Bad nun auch sonntags ab sechs geöffnet hat, neue Winter-Öffnungszeiten, kommt mir freilich entgegen. Zumal drei Schwimmer eine Stunde lang ganz für sich alleine waren. Dennoch, ich kann die Frau verstehen.)

Ist aber keine Zeit fürs Schlafen, heut abend muß der Entwurf des Konzeptes fertig sein. Dann geh ich >>>> in die Oper. Ich liebe dieses Stück, dem ich >>>> im Wolpertinger eine lange Prosavariation gewidmet habe, und freue mich also wahnsinnig drauf. Morgen werde ich von dem Abend erzählen. Zuerst aber war, soeben, ein Textstück zu verschieben. Ich meine meine („meine meine“: süß!) Besprechung der Lyrik Katharina Schultens’; ich las sie gestern nacht noch Broßmann vor, als wir uns auf einen Absacker am Beaker’s getroffen haben. „Ich glaube“, sagte er, „ich bestelle mir morgen ein Buch.“ Da schon dachte ich, ich müsse die, nun ja, „Besprechung“ aus dem Arbeitsjournal herauslösen und >>>> in diesen eigenen Beitrag umformatieren. Selbstverständlich habe ich ins gestrige Arbeitsjournal eine entsprechende Bemerkung nachgetragen. Es ist angemessen, Rezensionen in die Umstände ihrer Entstehung einzubetten, aber später sollten sie für sich stehen, schon damit ggbf. die Verlage etwas mit ihnen anfangen können, ohne daß gleich wieder ich mit im Vordergrund stehe.
Gut, erledigt. Nun findet sich der Text auch in der „richtigen“ Rubrik, wiewohl ich bekanntlich ein Freund der Vermischungen bin, und dies nicht nur in ästhetischen Belangen. Die Dinge und Verhältnisse sind niemals getrennt. Seit ich bewußt Erzählungen schreibe, habe ich diesen Umstand mitten ins Zentrum meiner Arbeit gestellt. Das hatte und hat formale Folgen: man muß von Konsequenzen sprechen.
Erster Cigarillo des Tages.
Ebenfalls gestern nacht: Entschluß, bereits jetzt, egal ob Kreufahrt oder nicht, mit der Niederschrift des Sterbebuches, also mit Traumschiff, zu beginnen: vielleicht zweidrei Seiten Prosa, vor allem aber schon Skizzierung des Handlungsverlaufs und besonders einiger Personen. Heute morgen wiederum kam mir der Gedanke, fiktive Häfen zu nennen, fiktive Länder und auf See fiktive Koordinaten; als führe man übersee auf einem anderen Planeten; aber jeder Name und jede Angabe müßte den Eindruck dokumantarischer Realität vermitteln. Ist aber wirklich nur ein Gedanke, den ich erstmal ausprobieren werde. Möglicherweise, falls ich dann doch noch eine weitere Keuzfahrt an – hä! riefe hier >>>> Dr. Lipom – Land ziehen sollte, tausche ich später diese fiktiven Namen gegen reale wieder aus. Immerhin, es beginnt, sich zu formen. – Zuvor aber noch, heute, das Europa-Konzept, an dem so oder so, auch wenn es angenommen werden sollte, in den nächsten zwei Wochen noch einiges zu schleifen sein wird. So daß ich mit dem neuen Roman nach der Frankfurter Buchmesse und der Produktion des >>>> Neapel-Hörstücks beginnen kann, die vom 14. bis 20. Oktober stattfinden soll.

Wenn ich, übrigens, jetzt immer häufiger eine meiner islamischen Kappen trage, so bedeutet das nicht, daß ich Moslem geworden sei, wohl aber, daß mich etwas am Islam fasziniert; ich weiß gar nicht genau, was; vielleicht: daß überhaupt noch geglaubt wird; dazu das mythische Element, das mich auch für den Katholizismus so einnimmt. Ob das geht: gottlos zu glauben? (Berlioz war Atheist und schrieb eine der schönsten Totenmessen, die es gibt.) – Neben mir liegt der Koran; ich habe mir vorgenommen, jeden Tag ein paar Suren zu lesen, chronologisch, bis das Buch durch ist. So habe ich es auch mit der Bibel gehalten. Es kann nicht angehen, daß wir die Fundamente dessen nicht kennen, mit dem wir ständig beschäftigt sind. Schon gar nicht kann es angehen, daß wir die Grundlagen unserer eigenen Kultur nicht kennen. Wir stehen in einem Fluß und sollten das auch spüren.
Guten Morgen.

15 Uhr:
[Britten, Ein Sommernachtstraum auf Shakespeare/Schlegel.
Oper Frankfurtmain am 14.7.1989 unter Gary Bertiny (Mitschnitt).]


Die „Opernzeitung Frankfurt“ vom Juni/Juli 1989.
(Im Bild oben rechts Jochen Kowalski und David Bennent.)

Tiefster Mittagsschlaf. Und eben, als ich >>>> das da las, dachte ich, wenn >>>> der Meyer kombinas gesammelte Kommentare lesen sollte, bricht er wahrscheinlich in schallendes Gelächter aus.
Aber daswegen melde ich mich nicht. Sondern ich habe das Europa-Konzept fertigbekommen und werde es gleich nach Vilnius schicken. Nun kommt es drauf an, was man dazu dort wird.

Zwischendurch den unmittelbar lockenden Einfall gehabt, über die Zauberin >>>> Schultens ein >>>> open:Wortlaut zu schreiben und zu inszenieren, so, wie ich das auch über, um nur die Lyriker:innen zu nennen, >>> Danz und >>>> Filips getan habe. Sofort an meine Redakteurin geschrieben. Schultens zweites Buch wird im kommenden Frühjahr erscheinen; da würde das wunderbar passen.

Jetzt noch einmal das Konzept-Exposé durchlesen und dann: – auf den Weg damit.

2 thoughts on “Europajournal mit Verschiebung: dem, von Britten vertont, Sommernachtstraum in der Komischen Oper entgegen. Am Sonntag, dem 15. September 2013. In einem Fluß.

  1. Opernprogramme. Wie gut, dachte ich gerade, daß ich sämtliche Programmhefte der von mir besuchten Vorstellungen, und außerdem die zugehörigen Operrnzeitungen, aufbewahre. Ganze Bildfolgen steigen in mir auf, wenn ich sie nach Jahren wieder anseh:

    (Teils stehen sie im Regal, teils aber, immer wieder überraschend, habe ich sie direkt in die Schallplattenhüllen bzw. -alben eingelegt. Leider geht das bei CDs und DVDs heute nicht mehr.)

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