Sierra Nevada.

Er saß auf der Veranda und sah über die Ebene zu den Bergen hin und dachte, daß nicht das Gipfelweiß ihr den Namen verliehen hatte, sondern die unendliche Mandelbaumblüte des Frühjahrs, wenn sie das gesamte Bild füllen würde und in dem Licht, ohne nur die Spur eines Kontrastverlustes weiterleuchtend, in den Schnee überginge. Vor nicht einer Minute hatte er jemanden niedergeschossen, weil der ihm in diese seine Meditation hineingetreten war und den ruhenden Frieden der Aussicht gestört hatte. Ich nehme sicher an, daß er ich selbst war; wer der jetzt Tote war, weiß ich nicht, denke im nachhinein: irgend ein armer Bedienter. Ich sah ihn auch nicht mehr, obwohl er direkt vor ihm, diesem Mann, liegen mußte.
Neben ihm aber sie. Schmal, leise, intensiv. Sie hielt einen ledernen, grob mit ebenfalls ledernen Rundsenkeln umschlungenen Hut in der Hand, der eher in die Tropen paßte als in ein Westernszenario. Zudem das Bild Andalusien und Kalifornien vermischt. – Den Hut schenkte sie, die junge Frau, ihm jetzt.
„Das solltest du nicht tun“, sagte er. „Wenn ich nunmehr als ein Killer leben werde, dann wird er mir zum Wahrzeichen werden.“
„Wie schön. Gib ihn mir eines Tages zurück.“
„So werden sie dich für ihn erschießen, einfach weil man dich mit mir verwechselt aus der Entfernung.“
„Vielleicht ist das der Sinn.“
„Versehentlichkeit?“ fragte er.
„Für dich erschossen zu werden“, sagte sie, sah ihn aber noch immer nicht an, sondern, ruhig wie er, weiter bis zur Sierra hinüber. Indem ich diesen Hut mir nahm, den sie nur noch an der Krempe hielt, so daß er leicht zitterte, indem er ihn, dieser Mann, aus ihrer linken so sehr schmalen, zur Seite gestreckten Hand also annahm und ihn sich aufsetzte, erwachte ich.

[29. auf den 30. September.]

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