10.10 Uhr,
Berlin.
Berlin.
Liebe Leserin,
lieber Leser,
ich beziehe mich auf das von einigen von Ihnen >>>> dort geführte Gespräch und bedanke mich für Ihre Ideen und Ihr Beimirsein. Sie werden sich gefragt haben, weshalb ich so gar nicht reagiere, auch insgesamt derzeit wenig in Der Dschungel schreibe. Der Grund liegt in einer deftigen, ich sag mal, Frustration, die sich aus der Reflexlosigkeit meiner Arbeit, namentlich >>>> Argos ergibt. Selbst, wenn ich deutlich vorherahnte, daß auch dieser Roman wieder im „klassischen“ Feuilleton keinerlei Beachtung finden würde, ist es doch etwas anderes, sich mit dem Fakt konfrontiert zu sehen; denn in uns schläft ja doch immer Hoffnung, und die wird, eben trotz des Voraus„wissen“s, enttäuscht. Das lateinische Wort „frustra“ bedeutet „vergeblich“. Vergeblichkeit ist das Grundgefühl, dem ich mich momentan ausgeliefert fühle. Ich bin mir nach wie vor bewußt, welchen Beitrag ich zu einer Literaturästhetik der Gegenwart geleistet habe und vielleicht auch weiterleisten werde; es gibt nicht sehr viele heutige Autor:innen, auch weltweit nicht, die mit derartigem Einsatz gearbeitet haben und arbeiten wie ich und ein derart weites Œuvre vorzeigen können. Um so tiefer fühle ich mich – nicht freilich von Ihnen – mißachtet. Man kann dem einige Jahre, auch Jahrzehnte trotzen, aber irgendwann wird es zu viel, und man will sich zurückziehen, allein, um sich zu schützen: um die Seele zu schützen.
In diesem Zustand bin ich derzeit. Dabei müßte es längst darum gehen, nicht nur im deutsch-deutschen Kleinen vor sich hinzuwurschteln, sondern selbstverständlich habe ich immer auch in die internationalen Ränge gewollt. Dahin führt der Weg aber ausschließlich über die Feuilletons, die mir indessen jede Tür hinaus verbarrikadiert haben. Und ich muß einzusehen lernen, daß ich dagegen nicht mehr ankommen werde. Ich muß mich abzufinden lernen. Das ist ein mühsamer und schmerzlicher Prozeß. Den nicht verdrängend, sondern ihn für mich selbst durchlebend, ist Die Dschungel mir nun geradezu eine weitere Last.
Hinzu kommt ein irrer Arbeitsdruck, weil vor Beginn der Reise – am 29. dieses Monats werde ich nach Australien fliegen, um in Fremantle an Bord zu gehen – nicht nur >>>> dieses Hörstück sendefertig sein muß, sondern auch das Lektorat, das ich angenommen habe. Dazu kommen einige Vorbereitungen für die Reise, komplizierte, weil, wie Sie wissen, ich seit langem kein eigenes Konto mehr habe und deshalb logischerweise auch keine Kreditkarte. Ich muß mit Bargeld kalkulieren, zumal in anderen Währungen; die „alte“ Spielart, mit Reiseschecks zu operieren, die man vorher ersteht, ist auf dem Schiff zum Beispiel nicht akzeptiert. Dies „punktet“ nun vor allem auf die Frage nach der Internet-Verbindung, die so relativ preiswert, wie >>>> Herr Schlaumayr errechnet hat, möglicherweise doch nicht ist; jedenfalls ergab eine Anfrage bei T-mobile eine geradezu erschrockene Warnung. Da ich am Ende der Reise jeglichen Konsum, zu dem auch die Internetverbindungen gehören würden, in australischen Dollars bezahlen muß, werden Sie verstehen, daß ich darauf angewiesen bin, einigermaßen verläßlich kalkulieren zu können.
Es bliebe freilich die Möglichkeit, in den angelaufenen Häfen Internet-Cafés zu besuchen, aber während der gesamten Reise sind das nicht mehr als sieben oder acht Stationen, und Sie werden nicht wirklich von mir erwarten wollen, die vier- bis achtstündigen Landgänge statt eben mit dem Land mit solchen Internet-Aktionen zu verbringen. Zudem habe ich in den sechs Wochen nicht nur einen gesamten Roman zumindest deutlich zu skizzieren, weil er bereits im Oktober fertig und abgegeben sein muß, sondern auch ein Hörstück zu schreiben, dessentwegen diese Reise überhaupt nur unternommen werden kann und das bereits im September ausgestrahlt werden wird. Doch gerade für den Roman ist es eine entscheidende Frage, daß ich mich selbst zu dem alten Mann machen werde, und mich so empfinden werde, der dieses Buch niederschreibt. Der Wechsel zwischen Erzählfigur und einem Autor, der für ein Hörstück aufnimmt, Interviews führt, bereits mit den Tönen operiert und ständig zugleich seine Ausgaben im strengen Blick haben muß, wird heftig genug sein. Hinzu kommt eine gewisse Angst, die ich vor dem Roman habe; ich spüre bereits jetzt, wie er auf mich einwirkt.
Dennoch: Noch ist es offen, ob ich nicht für den WDR alle einzwei Tage berichten soll; falls dies als Auftrag käme, wider mein jetziges Erwarten, dann m ü ß t e ich entsprechend disponieren. Aber unter uns gesagt: Momentan ist es mir lieber, es kommt nicht dazu – auch, weil ich nicht mehr das Zirkuspferd spielen mag, das sich zum Gaudi des Betriebes auf eine Weise abschindet, unter der die meisten meiner Kollegen und zumal die Hämer des Betriebes schon vor Jahren in die Knie gegangen wären. Daß ich da ein wenig müde wurde, bitte, sehn Sie mir das nach. Vergeblichkeit ist kein guter Gegner, nicht einmal einer, vor dem man Achtung haben kann.
Sehen Sie‘s doch so: Ist es nicht ein Wunder, daß ich, wiewohl ich im Literaturbetrieb überhaupt nicht vorkomme, nicht einmal mehr jetzt in den Veranstaltungen zu Literatur & Netz, seit endlich begriffen wurde, daß hier wahrscheinlich die Zukunft der Dichtung sich findet, – daß ich also trotz der fortgesetzten Mißachtung und trotz meiner aus ihr resultierenden, unterdessen nicht mehr zu leugnenden Müdigkeit überhaupt einen neuen Roman beginne? Es kostet mich derzeit sehr viel Kraft, ihm noch entgegenzubringen, was jedes neue Buch erwarten darf und muß: den künstlerischen Enthusiasmus. Und ich bringe ihn ihm entgegen, aber wider besseres Wissen – was bedeutet: wider schlechtere Erfahrung.*
lieber Leser,
ich beziehe mich auf das von einigen von Ihnen >>>> dort geführte Gespräch und bedanke mich für Ihre Ideen und Ihr Beimirsein. Sie werden sich gefragt haben, weshalb ich so gar nicht reagiere, auch insgesamt derzeit wenig in Der Dschungel schreibe. Der Grund liegt in einer deftigen, ich sag mal, Frustration, die sich aus der Reflexlosigkeit meiner Arbeit, namentlich >>>> Argos ergibt. Selbst, wenn ich deutlich vorherahnte, daß auch dieser Roman wieder im „klassischen“ Feuilleton keinerlei Beachtung finden würde, ist es doch etwas anderes, sich mit dem Fakt konfrontiert zu sehen; denn in uns schläft ja doch immer Hoffnung, und die wird, eben trotz des Voraus„wissen“s, enttäuscht. Das lateinische Wort „frustra“ bedeutet „vergeblich“. Vergeblichkeit ist das Grundgefühl, dem ich mich momentan ausgeliefert fühle. Ich bin mir nach wie vor bewußt, welchen Beitrag ich zu einer Literaturästhetik der Gegenwart geleistet habe und vielleicht auch weiterleisten werde; es gibt nicht sehr viele heutige Autor:innen, auch weltweit nicht, die mit derartigem Einsatz gearbeitet haben und arbeiten wie ich und ein derart weites Œuvre vorzeigen können. Um so tiefer fühle ich mich – nicht freilich von Ihnen – mißachtet. Man kann dem einige Jahre, auch Jahrzehnte trotzen, aber irgendwann wird es zu viel, und man will sich zurückziehen, allein, um sich zu schützen: um die Seele zu schützen.
In diesem Zustand bin ich derzeit. Dabei müßte es längst darum gehen, nicht nur im deutsch-deutschen Kleinen vor sich hinzuwurschteln, sondern selbstverständlich habe ich immer auch in die internationalen Ränge gewollt. Dahin führt der Weg aber ausschließlich über die Feuilletons, die mir indessen jede Tür hinaus verbarrikadiert haben. Und ich muß einzusehen lernen, daß ich dagegen nicht mehr ankommen werde. Ich muß mich abzufinden lernen. Das ist ein mühsamer und schmerzlicher Prozeß. Den nicht verdrängend, sondern ihn für mich selbst durchlebend, ist Die Dschungel mir nun geradezu eine weitere Last.
Hinzu kommt ein irrer Arbeitsdruck, weil vor Beginn der Reise – am 29. dieses Monats werde ich nach Australien fliegen, um in Fremantle an Bord zu gehen – nicht nur >>>> dieses Hörstück sendefertig sein muß, sondern auch das Lektorat, das ich angenommen habe. Dazu kommen einige Vorbereitungen für die Reise, komplizierte, weil, wie Sie wissen, ich seit langem kein eigenes Konto mehr habe und deshalb logischerweise auch keine Kreditkarte. Ich muß mit Bargeld kalkulieren, zumal in anderen Währungen; die „alte“ Spielart, mit Reiseschecks zu operieren, die man vorher ersteht, ist auf dem Schiff zum Beispiel nicht akzeptiert. Dies „punktet“ nun vor allem auf die Frage nach der Internet-Verbindung, die so relativ preiswert, wie >>>> Herr Schlaumayr errechnet hat, möglicherweise doch nicht ist; jedenfalls ergab eine Anfrage bei T-mobile eine geradezu erschrockene Warnung. Da ich am Ende der Reise jeglichen Konsum, zu dem auch die Internetverbindungen gehören würden, in australischen Dollars bezahlen muß, werden Sie verstehen, daß ich darauf angewiesen bin, einigermaßen verläßlich kalkulieren zu können.
Es bliebe freilich die Möglichkeit, in den angelaufenen Häfen Internet-Cafés zu besuchen, aber während der gesamten Reise sind das nicht mehr als sieben oder acht Stationen, und Sie werden nicht wirklich von mir erwarten wollen, die vier- bis achtstündigen Landgänge statt eben mit dem Land mit solchen Internet-Aktionen zu verbringen. Zudem habe ich in den sechs Wochen nicht nur einen gesamten Roman zumindest deutlich zu skizzieren, weil er bereits im Oktober fertig und abgegeben sein muß, sondern auch ein Hörstück zu schreiben, dessentwegen diese Reise überhaupt nur unternommen werden kann und das bereits im September ausgestrahlt werden wird. Doch gerade für den Roman ist es eine entscheidende Frage, daß ich mich selbst zu dem alten Mann machen werde, und mich so empfinden werde, der dieses Buch niederschreibt. Der Wechsel zwischen Erzählfigur und einem Autor, der für ein Hörstück aufnimmt, Interviews führt, bereits mit den Tönen operiert und ständig zugleich seine Ausgaben im strengen Blick haben muß, wird heftig genug sein. Hinzu kommt eine gewisse Angst, die ich vor dem Roman habe; ich spüre bereits jetzt, wie er auf mich einwirkt.
Dennoch: Noch ist es offen, ob ich nicht für den WDR alle einzwei Tage berichten soll; falls dies als Auftrag käme, wider mein jetziges Erwarten, dann m ü ß t e ich entsprechend disponieren. Aber unter uns gesagt: Momentan ist es mir lieber, es kommt nicht dazu – auch, weil ich nicht mehr das Zirkuspferd spielen mag, das sich zum Gaudi des Betriebes auf eine Weise abschindet, unter der die meisten meiner Kollegen und zumal die Hämer des Betriebes schon vor Jahren in die Knie gegangen wären. Daß ich da ein wenig müde wurde, bitte, sehn Sie mir das nach. Vergeblichkeit ist kein guter Gegner, nicht einmal einer, vor dem man Achtung haben kann.
Sehen Sie‘s doch so: Ist es nicht ein Wunder, daß ich, wiewohl ich im Literaturbetrieb überhaupt nicht vorkomme, nicht einmal mehr jetzt in den Veranstaltungen zu Literatur & Netz, seit endlich begriffen wurde, daß hier wahrscheinlich die Zukunft der Dichtung sich findet, – daß ich also trotz der fortgesetzten Mißachtung und trotz meiner aus ihr resultierenden, unterdessen nicht mehr zu leugnenden Müdigkeit überhaupt einen neuen Roman beginne? Es kostet mich derzeit sehr viel Kraft, ihm noch entgegenzubringen, was jedes neue Buch erwarten darf und muß: den künstlerischen Enthusiasmus. Und ich bringe ihn ihm entgegen, aber wider besseres Wissen – was bedeutet: wider schlechtere Erfahrung.
Ihr ANH
P.S.: Die nächste >>>> Kammermusik wird es morgen geben.
… Lieber Alban, Sie sollen doch nicht aufgeben! Ich kann die Frustration natürlich verstehen, o, wie gut ich sie verstehen kann, aber die anderen sollen doch nicht siegen.
Allerdings kann ich gut verstehen, dass man sich auf ein, zwei Projekte beschränken muss, auch sich in die Abgeschiedenheit verabschieden will.
Solange Sie den neuen Roman schreiben, ist alles halb so wild.
(Und es werden andere Feuilletonisten kommen, nicht alle halten so lange durch wie Karasek).
Wie Jean-Jacques Rousseau schon sagte: „Bei unserer Geburt treten wir auf den Kampfplatz und verlassen ihn bei unserem Tode“. Und es wird nicht gekniffen (;
@Rousseau zum Kampfplatz. Für die einen mehr, für andre sehr sehr sehr viel weniger. Und für manche gar nicht.
. . . wenn du die Augen öffnest, werden wir uns erneut bewegen zwischen den Stunden und ihren Erfindungen. Werden uns bewegen zwischen den Erscheinungsbildern, werden der Zeit vertrauen und ihren Verbindungen. Vielleicht werden wir die Türen des Tages öffnen. Dann werden wir das Unbekannte betreten.
Octavio Paz
@unkown Für William Boyds Wiener in „Eine große Zeit“ ist der Freitod eine vollkommen vernünftige Lösung, niemand wird deswegen verdammt. Der Wiener denkt: Selbstmord – das Wort spricht für sich. „Eine durchaus ehrenwerte Art, diese Welt zu verlassen.“
Ich persönlich bevorzuge die Einstellung Thomas Manns im Felix Krull, wo geschrieben steht, dass wer sich vom Leben vor Ablauf der Zeit verabschiedet, als Feigling gilt. ( Mann beschreibt dies als liederliche Aufführung)
Lieber Herr Herbst, ich zähle auf Sie.
Beste Grüße
Ihre Pendlerin
@Pendlerin. Seien Sie ganz beruhigt; in diesen Belangen teile ich, in anderen allerdings nicht, Thomas Manns Meinung. Doch lassen sich ja gut auch andere Leben denken. Ich bin nicht der einzige, der mit Rückzügen spielt, und wäre es ebenfalls nicht, realisierte ich ihn. Denken Sie an T.H.Lawrence, der mir, denke ich bisweilen, nicht völlig unverwandt war. Es ist sehr reizvoll und ehrbar, für sich allein ein Stück Land zu bewirtschaften, Bäume zu pflanzen oder meinethalben nur zu fischen.
Aber, wie gesagt, das sind Gedankenspiele.
Gedankenspiele sind völlig in Ordnung. Als ich ihre Antwort las, fielen mir diese Zeilen (s.u.) von Julian Barnes aus Flauberts Papagei ein. Weiß der Fuchs warum. Nehmen Sie diese Zeilen mit auf die Reise. Was Ihnen an Thomas Mann nicht gefällt, interessiert mich schon sehr. Aber nun der Barnes. Für Sie.
„Unter den Seefahrern gibt es solche, die neue Welten entdecken, der Erde Erdteile und den Gestirnen Sterne hinzufügen: die sind die Meister, die Großen, die ewig Herrlichen. Dann gibt es jene, die aus den Stückpforten ihrer Schiffe Entsetzen speien, kapern, reich und fett werden. Andere machen sich unter fremden Himmeln auf die Suche nach Gold und Seide, wieder andere versuchen bloß, Lachs zu fangen für die Gourmets und Kabeljau für die Armen. Ich bin der unscheinbare und geduldige Perlenfischer, der in die tiefsten Tiefen taucht und wieder hochkommt mit leeren Händen und blauen Gesicht. Eine schicksalhafte Verlockung zieht mich in die innersten Schlünde, wo für die Starken immer etwas zu holen ist. Ich werde mein Leben damit verbringen, den Ozean der Kunst zu betrachten, wo andere navigieren oder kämpfen; und ab und zu werde ich mich damit vergnügen, auf dem Grund nach jenen grünen und gelben Muscheln zu tauchen, die keiner haben will. Die werde ich dann auch für mich behalten und damit die Wände meiner Hütte schmücken.“
gelesen in „Flauberts Papagei“ von Julian Barnes
Unabhängig Man kann ja nicht zuletzt bei Ihnen lernen (und lesen), dass Kunst das Stimulans des Lebens ist. Und wie käme einer wie Sie ohne diesen Stachel aus? Ungeachtet eines nicht grundlos halbseitig gelähmten Feuilletons werden Sie weiter schreiben, Feste, Schreibfeste feiern:- alles, außer Festen, ist Wahnsinn.
Apropos unsympathische, weinerliche, geltungssüchtige alte Männer:
„In seinen Aufzeichnungen ist er unausgesetzt damit befasst, die eigene Bedeutung zu messen, über einen möglichen Verlust dieser Bedeutung nachzudenken, seine Bedeutung mit der Bedeutung anderer Literaturbetriebsmenschen zu vergleichen und anderen Menschen vorzuwerfen, dass sie seine Bedeutung nicht angemessen zu würdigen wüssten und nur mit der Behauptung ihrer eigenen Bedeutung beschäftigt seien.
Das Personal dieser Tagebücher beschreibt Raddatz als klein, heuchlerisch, gierig und hässlich, sich selbst nimmt er davon nicht aus, mal bewusst, mal unabsichtlich. Und das zu lesen ist, wie eingangs gesagt, entsetzlich, man kriegt sofort Depressionen. Raddatz über sich: „ICH indes lebe nun aus 12. Hand, also kaum noch, ein aufgehörter Schriftsteller, der sich von einem Nachwort zu einer Lesung zu einem Essaychen hangelt, dessen innere Batterie (jedenfalls im Moment) leer ist.“ Jenen Satz kann man in circa 3000 Variationen lesen.“
Lieber Herr Herbst, grippehalber lese ich das erst heute. Und erschrecke ein wenig. Ich danke DerDschungel und dem Autor so viel (Ich lasse das ´ver´ vor dem ´danke´weg, denn ich empfinde, die Silbe entstellt beinahe jedes Wort.) Ich werde Sie vermissen, wenn Sie unterwegs sind und warten auf das, was Sie von der Reise mitbringen an Erzählungen.
Sie wissen es ja, ohne es – wohl? – wissen zu wollen: Das Leben als Kampf zu begreifen, halte ich nicht für zwingend, sondern für eine Wahl. Keine kluge, zumal. Ginge es nicht darum, um den Kampf und den „Sieg“, nicht einmal ganz hinten, im hintersten Hinterstübchen, dann nämlich wären Sie zwar nicht frei von den Selbstzweifeln, die immer wiederkehren, aber frei die Autorität da zu suchen und anzuerkennen, wo Sie wollen, nicht da, wo die Macht ist. Ich weiß schon, was Sie entgegen würden: Dass die Macht real ist und wirkt. Bestreite ich das? Dennoch findet ein anderes Spiel auf demselben Brett statt und Sie können wählen, ob Sie es sehen und sich daran erfreuen: die Anerkennung, das Lob und die Bedeutung, die Sie und Ihr Werk woanders haben als „im Betrieb“, die Anschlüsse, die schon jetzt hergestellt und gesucht werden – in der Literaturwissenschaft, in der Kybernetik, bei jungen Autorinnen und Autoren. Das ist kein Spiel um die Macht „im Betrieb“, das auf dieser Ebene läuft, sondern eines darum, was und wie fortwirkt. Wenn Sie mich fragen: Es ist das einzige Spiel, das hierbei zählt.
Und dennoch: Ich verstehe die Frustration. Lassen Sie sie raus. Und: Weiter!
Ich erinnere auch an Ihre „kleinerenn Schriften“, die m i r so viel bedeuten „Meere“ und „Die sizilische Reise“ und die „Orgelpfeifen von Flandern“, die Lyrik („Die Aeolia“, „Der Engel Ordnungen“, „Die Bamberger Elegien“) und das Mammut-Werk, das mich – zugegeben – immer noch ein wenig überfordert, überspült fast, von Wolpertinger bis Argo. Das wird Eingang finden in jene Literatur, die jenseits der Print-Welt entsteht, die wir noch nicht kennen und vielleicht nicht einmal verstehen würden. Aber Sie haben eine Brücke gebaut, über die Kulturgut dorthin gelangen kann. Dessen bin ich gewiss. Und dankbar dafür.
Reisen Sie gut. Kehren Sie glücklich heim.
Alles Liebe
M.