Nach Paris. PP172, 3.Juni 2014: Dienstag.

(9.35 Uhr.
Haydn, Lerchen-D-Dur op. 65.)

Abermals >>>> dieses erklärt, weshalb ich hier kaum mehr schreibe. Ich habe überhaupt Schwierigkeiten zu scheiben – etwas, das ich noch nie erlebt habe, jedenfalls nicht in diesem Ausmaß. Es ist dabei nicht so, daß ich Angst „vor der weißen Datei“ hätte, auch an Einfällen mangelt es mir nicht, sehr wohl aber am Willen, sie auch auszuführen, was wiederum damit zusammenhängt, daß er doch ständig gegen Wände lief. Und es ist wichtiger, wenn ich jetzt meine anstehenden Arbeiten beginne, sei es noch so mühsam, als wenn ich mich hier einmal mehr auslasse, des Breiten oder des Schmalen, egal. Ich hab das Gefühl eines Endes, nicht des Lebens, Sterbebuch hin, Sterbebuch her, wohl indes eines langen, langen Abschnitts, einer tatsächlich nun Dekade, die mein Leben und meine Dichtung gemischt hat. Dessen erzählerischen Abschluß hat >>>> Argo gebracht, vollbracht, meine ich, und die verschwindend geringe Resonanz auf die gesamte Trilogie, die ja nicht von ungefähr die Zeit Der Dschungel einrahmt, zeigt deutlicher als nur mein ungefähres Mißbehagen, wie sehr sie gescheitert ist: beides. Dabei spielt es offensichtlich keine Rolle, welche narrativen Wege ich eröffnet habe, welches ästhetische Weiterdenken, aber auch, und besonders, –fühlen diese Literatur getragen hat und trägt. Ich spreche von der Modernität, einer, meinetwegen, Nach-Post-Modernität, die den klassisch-romantischen Anspruch auf Gesamtheit wieder fokussierte und es zugleich mit der Dichtung-als-Politik wieder ernstgenommen hat. All das ist nicht gefragt, ja wird als „alt“ verworfen, anstelle daß man sich dem Entertainment fügt, dem selbstverständlich – ich bin ein Mann meiner Zeit – auch ich mich, aber nur persönlich, füge, und nur zuweilen, wenn auch in, was ich zugeben muß, immer ausnehmenderer Weise. Es macht einen müd, alleinzustehen, fast allein, das ist wahr: Es denken und fühlen andere wie ich, manche, doch die es tun, spielen keine öffentliche Rolle. Ich habe ein Recht darauf zu sagen, jetzt sollen andere weitermachen; ich habe ein Recht darauf, mir Zeit zu nehmen, wenn meine Zeit es verlangt. Sehr viele Jahre war ich getrieben – und trieb etwas voran. Nun muß ich einfach mal mein Pausenbrot auspacken, wozu ich mich hinsetze und ein bißchen verschnaufe.
Was ich momentan zu Datei bringe, ist derart privat, daß es beinah völlig von mir gelöst zu sein scheint: „normale“, intime Arbeit eines Schriftstellers, der erst einmal mit sich selbst ausmacht, was er danach anderen zu lesen geben will, und der noch gar nicht weiß, was dies sein wird, und ob überhaupt.
Es ist nur konsequent, daß die Zugriffszahlen Der Dschungel rapide gesunken sind und weiterhin sinken. Es ist aber nicht nur konsequent, sondern es zeigt auch, daß sie in erster Linie als Novitätenkabinett gelesen wird, wenn überhaupt; auf die Tausenden von Seiten, die diesen Urwald bilden, geht kaum jemals wieder wer. Ich mag aber nicht länger Vorturner sein; allenfalls wäre Zeit, ins Trainerfach zu wechseln. Oder dem Verein den Rücken zu kehren. Daß er das gerne möchte, weiß ich: also, daß ich das tu. Werd ich nicht, aber das Spielbein wechseln. Und wenn mich die Süddeutsche in einer Lesungs-Ankündigung abfällig einen Tausendsassa nannte, antworte ich nun: nicht -sassa, sondern -füßer. Mein Haus hat viele Wohnungen.

Es gibt auch Gründe, ein bißchen aufzuatmen, etwa diesen:

Aber ich bezweifle, daß man das wahrnehmen wird. Dennoch, es ist – dieses und anderes – da. Auch war die Lesung in Paris sehr schön – und wunderbar, mit >>>> Prunier wieder zusammenzutreffen, der so viele gute Anstrengungen unternommen hat, meine Arbeit in Frankreich bekanntzumachen, und der aber, bislang, nicht anders dran gescheitert ist, als wie ich selbst es im eigenen Land bin.
Nein, ich werde n i c h t aufhören, das wäre sonst, als wollt ich nicht mehr vögeln. Bis dahin, liebe Feinde, bis es so weit ist, wird noch einiges Wasser die Spree hinunterlaufen, und die Seine, und den Amazonas. Sie andren aber, Freunde, verweise ich auf die Bücher, die publizierten und die, die noch werden. Denn das werden sie: werden, auch wenn ich nicht mehr über jede Seite Zeugnis ablegen will, Site für Site.

(Zu Paris hätt ich gern mehr geschrieben, doch möcht das „hätt ich gern“ nicht mehr.)

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