Rossinis Lärmbelästigungen. PP195, 25. Juli 2014: Freitag. Dazu abernächstes von der Leiste.

(9.10 Uhr, Arbeitswohnung.
Rossini, La gazza ladra.)

Bin auf dem Rossini-Trip, eine alte Doppel-LP aus dem Erbe meiner Mutter setzte mich drauf. Das führte dann zum erbosten Vormeinertürstehen einer Nachbarin der Hinterhäuser: Ich beschallte den gesamten Hof. Usw. Jedes Jahr müsse sie sich beklagen, habe auch schon ein „Lärmbelästigungsprotokoll“ aufgesetzt und werde im Zweifel die Polizei rufen. Ich solle meine Fenster zumachen usw. Mir kochte der Bauch hoch, wiewohl sie wahrscheinlich recht hat; andererseits ist es für mich noch nie ein Problem gewesen, wenn Nachbarn laut warn, auch nicht, wenn da Techno tölt, nicht einmal bei Pop. Im Gegenteil, ich empfand das immer als ausgleichsgerecht. Und die Welt i s t Klang. Jetzt komm ich mir vor, als müßte ich auf Zehenspitzen durch die Arbeitswohnung, hab immerhin die Kopfhörer nun auf den Ohren, was bei der Wärme nicht unbedingt angenehm ist; außerdem mag ich es, wenn sich Töne und Luft vermengen. Aber die Löwin redete mir ins musikantische Herz. Dennoch bleibt mein Eindruck der einer zunehmenden Verbürgerlichung, jetzt eben auch schon hier auf dem oberen Prenzlauer Berg, der so sehr vermünchnert eigentlich noch gar nicht ist. Was die Szene einmal ausgemacht hat, jedenfalls, wird durch eben die zertreten, die wegen dieser Szene hergezogen sind: eine bekannte Entwicklung. Was mich an den Bürgerlichen, a l l e n, stört, ist ihre mangelnde Wildheit, die aber von der Wildheit schmarotzen will, sie sozusagen als Konsumartikel versteht, den man wegstellen und ausschalten kann:: Verfügbarkeit. Warum ziehen diese Leute nicht nach Friedenau? Da i s t es ruhig.
Egal.

Gestern war der Verleger des Mitteldeutschen Verlages hier; wir besprachen das Neapel-Buch, zu dem es nun tatsächlich kommen wird: Abgabe Herbst 2015, Erscheinungsdatum Frühjahr 2016. Es geht jetzt nur noch um die Höhe des Vorschusses, damit ich gleich nach Abgabe des Sterberomans mit dieser nächsten Abeit anfangen kann. Und für den Funk die nächsten zwei Hörstück-Vorschläge formuliert. Wobei ich fürchten muß, daß es im kommenden Jahr vielleicht nur ein Stück geben wird, weil besonders im WDR der Rotstift rast; das wäre ökonomisch für mich bitter, ja würde heikel sogar. Immerhin bin ich, je nach Bescheid des >>>> Finanzamtes, bis April oder sogar Mai nächsten Jahres „durch“finanziert. Diesmal, immerhin, erweist es sich als kleiner Segen, daß ich vergleichsweise hoch vorausbezahlt habe und nun kein finanzielles Kataströphchen fürchten muß. Dennoch, nach der Nachricht vom Funk, die mich schon vorgestern erreichte, erwachte ich morgens mit heftigen Bauchschmerzen. Das kenn ich gut von mir, daß ich so auf etwas reagiere, in das ich nicht eingreifen zu können fürchte. Bis gestern mittag hatte ich mit den Krämpfen zu tun, aber sie waren ertragbar; ich kenne sie schlimmer. Eine trotzdem ziemlich blöde Autoaggression. Gut, vorbei. Und sowie jetzt ich dieses PP eingestellt haben werde, radle ich zum Finanzamt los, um meine Erklärung abzugeben – abgeben hier im, mit sämtlichen Belegen, einfachen, tatsächlichen Sinn. Die Sonne kommt wieder heraus, soeben, nachdem es von gestern abend durch die ganze Nacht herrlich-fast-tropisch-gegossen hat; ich liebe heftigen Regen, wenn die Fenster offenstehen können, auch wenn sie das jetzt nur noch, Rossinis wegen, sehr eingeschränkt dürfen. Natur, Stadt und Kultur amalgamieren, und die Gedanken und das Schwitzen. Privatheit ist immer auch Gefängnis, ja Gefängnisz e l  le.

Zwei gute Abende hab ich nun noch vor mir, heute abend Treffen mit >>>> Schütte. Wenn wir draußen sitzen können, werde ich rasend glücklich sein. Ab Sonntag mittag dann die OP-Vorbereitung; ich soll nun bereits am Montag früh um sieben im Krankenhaus antreten, komme um die Darmspiegelung jetzt doch nicht herum. Der abermals angenehm junge Arzt legte sie mir mit klugen Worten nahe. So daß ich ab Sonntag ein Abführmittel trinken muß und bitte die Nähe der Toilette nicht meiden möge. Immerhin habe ich durchgesetzt, daß ich für die OP-selbst bei vollem Bewußtsein bleiben kann, also nicht totalnarkotisiert werde. Ich will sie einfach miterleben und mir nicht Zeit aus meinem Leben herausschneiden lassen. „Wir haben damit gar keine Erfahrungen, aber machen Sie mal.“ „Wie lange wird der Eingriff dauern?“ „Dreißig bis vierzig Minuten, schätze ich. Man muß sich nach dem Bauchschnitt ja erstmal nach unten durcharbeiten.“ Das fand ich einen g u t e n Satz. „Aber Sie werden nicht mehr sehen als ein blaues Tuch vor sich, und einen Monitor haben wir nicht.“ „Schade, doch wenigstens kann ich hören, was Sie sprechen. Und im Zweifel auch mal was sagen.“
Die Betäubung wird in die unteren Wirbel gesetzt, wo es kein Mark mehr gibt, „nur“ noch Nervenstränge. Für ein paar Stunden werde ich dann unterhalb des Bauchnabels gelähmt sein, eine Erfahrung, auf die ich ziemlich gespannt bin. „Und bitte, wenn Sie danach zum ersten Mal wieder aufstehen: unbedingt die Gehhilfe nutzen.“ Vielleicht werde ich diese Erfahrung in den Sterberoman einfließen lassen. Auf jeden Fall will ich sie, jede, m a c h e n. Und während der Kolo und der OP, für die ich am Dienstag dann auf dem Tisch liegen werde, mein Aufnahmegerät mitlaufen lassen; wer weiß, für wiederum welches spätere Hörstück ich diese Atmos nutzen kann.

Jan Röhnerts „Thrakisches Tagebuch“ ist angekommen, eine sehr sehr schöne Ausgabe von >>>> Faustkultur:


>>>> Bestellen.

Ich will das Buch ins Krankenhaus mitnehmen und hier später drüber schreiben, allerdings vorher noch>>>> meine Lawrence-Lektüre abgeschlossen haben. Auch Eckers neues Buch, im vergangenen Frühjahr erschienen, werde ich mitnehmen. Was mich daran erinnert, daß ich meine Rezension zu seinem fulminanten >>>> Fahlmann nun ebenfalls in Der Dschungel einstellen kann, nachdem >>>> Volltexts neue Ausgabe erschienen und die alte zur Historie gelegt worden ist.

Dies erstmal für heute, wahrscheinlich.

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