Christopher Eckers unheimlicher Großroman F a h l m a n n.

(Geschrieben für >>>> Volltext.
Dort erschienen in 4/13.)

Jede Pfütze Ozean.
>>>> Thetis.Anderswelt.
Bis hierher haben sich die Roman-
schriftsteller damit begnügt, die Welt
zu parodieren. Jetzt handelt es sich darum,
sie zu ersinnen.

>>>> Blanche oder Das Vergessen.
Man muß nur wollen. Und können.
>>>> Fahlmann.

Dieses Buch – so äußerte sich einer der derzeit wichtigsten, aber auch kenntnisreich-s­ten deutschen Kritiker der Gegenwart – sei eines der großen Lebensabenteuer der letzten zehn Jahre. Doch für den deutschen Buchpreis eigne es sich nicht, weil es sich nicht verkaufen werde. Der Buchpreis werde nur an potentielle Bestseller verge­ben.
Abgesehen von dem Armutszeugnis, das sich der Mann damit ausgestellt hat – eine Verbeugung bis zu den Knien vor dem Markt – gibt die erhellende Äußerung nicht nur Einblick in die heutige Praxis des Feuilletons, sondern leuchtet überaus scharf das Verhältnis von Markt und Wirkung aus. Das eigentlich zu Betrachtende bleibt hingegen im Schatten, also das Sprachkunstwerk selbst: Alle jene, die auf die öffentliche Stellungnahmen von Kritikern angewiesen sind, erfahren gar nicht mehr von seiner Existenz. Sondern ihnen nahegebracht wird nur noch, was sie sowieso schon kennen. Es geht, kurz gesagt, nicht mehr um Qualitäten, auch nicht einmal mehr um den Konsum, sondern allein noch um Umsatz. So werden Bücher selbst von den Experten zur Ware reduziert. Kaufgrund ist >>>> nicht mehr das, was Kunst eigentlich ausmacht, sondern ihre Erscheinung als „Plot“. Der schließt immer schon seine Ver­filmbarkeit ein, ja sie wird geradezu eine Voraussetzung für ihren Absatz.
Für manche Bücher – die besten – ist das fatal. So auch für Christopher Eckers Ro­man „Fahlmann“, der vor anderthalb Jahren im >>>> Mitteldeutschen Verlag erschienen, aber, wiewohl ein Riesenbuch von über 1000 Seiten, geradezu geheim geblieben ist; die Leute, die es kennen, sind an fünf Händen abzuzählen. Das ist schon deshalb skandalös, weil davon ausgegangen werden muß, daß sehr bewußt verschwiegen wurde und weiterhin wird – möglicherweise aus Angst, es könne dem so bequem in klingende Münze und unterdessen internationalen Einfluß umtauschbaren sogenannten Realismus ein empfindlicher Riß beigebracht werden.
Tatsächlich >>>> widerstrebt Verfilmbarkeit der poetischen Grundbewegung dieses Buches. Doch nicht nur deshalb gehört es zu den bedeutendsten deutschsprachigen Ro­manen der letzten Jahre, sondern weil es ihm gelingt, gleichzeitig die Gebote des Realismus zu beherzigen wie eben auch sie auszuhebeln. Ecker, gleichsam, „über­zieht“ den Realismus sogar; ich möchte sagen, er transzendiert ihn bis ins Verschwin­den. Und zwar, indem sein Erzähler, Georg Fahlmann, aus seinen Geschichten im­mer wieder herausspringt, oft mitten im Satz, und sie in inneren Monologen mit Ar­beitsanweisungen kommentiert: Wieso mache ich eigentlich kaum noch Absätze? Wann hat das angefangen? Und warum? Wird das wieder aufhören? Und wenn ja, wie? Absatz. Ebenso verspottet er gern die Lesererwartung: Aber als Fahlmann den Linienbus verläßt (…), findet er zur Erleichterung des geplagten Lesers zum traditio­nellen Erzählen zurück. Wobei er allesdies immer wieder in die Erzählung zurück­bindet, ja, den „Plot“ daran aufhängt. Was zu einer Verwischung von Erzähltem und Erzähler führt. Doch Eckers eigentliche Kunst besteht darin, daß er das Übergreifen der Fiktion auf die Realität fast allein aus dem Stil seines Buches entwickelt: Er be­hauptet nicht, sondern läßt passieren, bis Georg Fahlmann endlich nicht mehr anders kann als dem Umstand ins Auge zu sehen, daß sich meine Notizen selbständig mach­ten. Da ist es für ihn aber längst zu spät und für die Leser sowieso.
Fahlmann ist ein, sagen wir mal, ergrauender Student, der Anerkennung als Schrift­steller sucht, als solcher auch viel arbeitet, mal inspirierter, mal verkrampfter, seinen Unterhalt aber als Aushilfe in einem von seinem Onkel geleiteten und von seinem ver­storbenen Vater mitgegründeten Bestattungsunternehmen bestreitet. Mit dem grotes­ken Unfalltod des Vaters fängt das Buch auch an. Auffällig teilnahmslos sieht Georg Fahlmann dem Geschehen zu. „Mein Vater ist tot“, sagte ich tonlos zur Fenster­scheibe. (…) Weder empfand ich Trauer noch ein Gefühl der Leere, bzw. hat ihn Lee­re schon lange gefüllt, schleichend drang sie in ihn, zum einen als Entfremung von seiner eigenen kleinen Familie, zum anderen, weil seine schriftstellerischen Impulse so völlig ohne anerken­nenden Reflex bleiben – das heißt: Anerkennung hat er durchaus gefunden, sogar in einem „großen Frankfurter Verlag“, doch dummerweise für Gedichte, die er im Totalsuff mit seinem Freund Achim zusammengeulkt hatte. Die werden nun regelrecht nicht etwa als Nonsense, sondern als Avantgarde abgefeiert, ja, schlimmer: Der Verlag will noch Nachschub, und wenn Fahlmann Lesungen wahrnehmen muß, sitzt er mit schiefem Lächeln entgeistert vor dem Publikum und fragt sich, wo das denn seinen Kopf gelassen habe oder ob es überhaupt je über einen verfügte.
Es ist eine Stärke des Romans, daß solche Szenen nicht satirisch angelegt sind, son­dern etwas durchweg Existentielles haben: Ontologie einer Gesellschaft, die – man muß fürchten: bewußt – dem falschen Schein huldigt. Vor dessen Zumutungen Fahl­mann sich auf den Dachboden geflüchtet hat, in seinen von ihm „Spitzbergen“ ge­nannten Elfenbeinturm, worin er an einem >>>> 1910 in Ostafrika spielenden Roman schreibt. Anfangs nach Kapiteln gesondert, bestimmt dieser Roman-im-Roman einen großen Teil des Buches und fängt schleichend, sich einschleichend, an, mit den realistischen Szenen zu verschmilzen, bis sich Zeiten und Orte unablösbar übereinandergelegt haben. Deren Nahtstelle ist Paris, wo Fahlmann als noch sehr junger Mann seine heutige Frau kennen und auf Anhieb zu lieben gelernt hat. Damit hat es auch gar nicht aufgehört, aber das Begehren ist schal geworden, vom Alltag gefressen, durch Gewohnheit ermüdet. Weshalb Fahlmann halb verzweifelt, halb ge­trieben geradezu wahllos Frauenbekanntschaften pflegt oder sie bis knapp vors Stalking überhaupt erst zu machen versucht. Dabei entspricht seiner durchaus machistischen Perspektive eine gewisse Neigung zur halben Impotenz, die er auch immer wieder formuliert – darin, wie in vielem anderen, durchaus „nachvollziehbar“ realistisch, auch wenn man sich mit sowas nur ungern identifiziert.
Georg Fahlmann ist insgesamt ein nicht wirklich angenehmer Held. Doch genau hier liegt eine nächste Stärke des Buchs, daß es nirgends zur Verschönung neigt, sondern physiologische und die deutlichen Schwächen des Charakters nahezu immer auf den Punkt bringt – ihn bringen läßt, muß das heißen, weil der „Held“ ja selber schreibt –, – bis er gegen Ende des Romans den ungeheuren Eindruck bekommt, selbst geschrie­ben zu werden, also selbst eine Romanfigur zu sein. Wobei er, Fahlmann, nicht sei­nen „wirklichen“ Autor, Christopher Ecker, im Auge hat, von dem er tatsächlich nichts weiß – insoweit bleibt das „klassische“ Verhältnis von Autor und Erzähler un­angetastet – , sondern seinen konkurrenten Freund Winkler. Ist er, Fahlmann, wohl selbst Bestandteil des „Großen Planes“, an dem jener arbeitet? Dies bleibt so notwendiger- wie verzweifelnderweise ebenso im Dunklen wie der Auftrag, mit dem Fahlmanns Romanheld Bahlow nach Afrika entstandt worden ist – ein Reflex, könnte sein, auf Pynchons berühmte Verschwörungsnovelle >>>> The Crying of Lot 49:

Noch manches andere Motiv Eckers legt nahe, bei wem er in die poetische Schule gegangen ist. Dazu passen auch die im Roman direkt genannten Bezüge von >>>> Sherlock Holmes über Treasury Island bis zu den Schlümpfen, die dem Buch eine der zugleich hellsichtigsten wie witzigsten Partien bescheren, und zwar ausgerechnet in erkenntnistheoretischer Hinsicht und obendrein als Reflektion über Thomas Manns Praxis der Namensgebung: Durch den Akt des Benennens nimmt der Benenner nämlich Platz auf dem Thron und vermenschlicht, vielleicht ohne es zu wollen, die göttliche Schöpfung. Nicht von ungefähr erinnert Linnés Akt der Aneignung der Welt durch das Wort an die Schlümpfe und ihre monosyllabisch-omnivalente Sprache. [….] „Schlumpf mir mal einen Kuchen!“, sagt der Brillenschlumpf und schlumpft sich so hinein in eine begriffene, beherrschte, durch das Schlumpfen vertraut gemacht Welt. Nicht anders menscht der Mensch die nackte Andromeda ins Punktechaos des Sternhimmels und menscht so das bedrohliche Durceinander mit Struktur und Bedeutung auf. Bei dem „Zauberer“ klang das noch so: Auch die Tiere schämen sich und kneifen den Schwanz ein, weil wir sie wissen und über ihren Namen verfügen und die brüllende Gegenwart ihres Einzeltums entkräften, indem wir ihn ihr entgegenhalten (>>>> Joseph und seine Brüder, I). Genau das wird Georg Fahlmann zum Verhängnis, wenn seine Wähnung denn richtig ist, daß er selbst erfunden – hier also: benannt – wurde. Und so benennt denn er seinerseits die Welt, das heißt: erfindet sie. Es bleibt ihm imgrunde gar nichts anderes übrig. Wie Christopher Ecker seinen Helden uns das vorführen läßt, ist das poetologische, ja philosophische Zentrum des Buches. Aus der gescheiterten und eigentlich unsympathischen Hauptfigur wird so tatsächlich ein, und wahrscheinlich großer, Künstler. Aber dieses Zentrum ist kein Zustand, sondern Alles ist Bewegung. Alles ist gleitender Prozeß.
Dennoch ist Eckers Roman nicht nur ein theoretisches Manifest der Nach-Postmo­derne, ja, das vielleicht am wenigsten. Es geht nicht darum, noch einmal die auch schon nicht mehr neusten Thesen der DieWeltIstEinText-Verfassung wie auch immer spielerisch durchzudeklinieren, sondern „Fahlmann“ lebt eben recht eigentlich von den Anleihen oder sagen wir: von der Referenz, die es dem zugleich infrage gestellten sogenannten Realismus erweist. Ecker tut das durch eine sinnlich-erzählerische Prallheit, die in unserer Ggenwartsliteratur ihresgleichen sucht. Das fängt bei der irrwitzigen Szene, in der Hunderte Urnen heimlich in einem See versenkt werden sollen, nicht erst an: Fahlmanns Onkel hat sich die in Auftrag gegebenen Seebestattungen aus, sagen wir, ökonomischen Erwägungen erspart, muß aber nun die vielen zu Asche zerstampfen irdischen Überreste irgendwie loswerden. Leider gehen ihre Behältnisse, was man sich freilich hätte vorherdenken können, nicht unter, sondern schwimmen schließlich Tonleib eng an Tonleib auf der Wasseroberfläche… und es hört in dem Pariser Empire-Hotel nicht auf, in dessen einem Zimmer eine gewisse Madame Chabas, frecher Anklang an Chauchat, ausgerechnet Hühner hält, die ihr immer wieder auf den Hotelgang entwischen.
Doch überhaupt dieses Paris! Weil Fahlmann Stadtplan und Weltkarte übereinanderprojiziert – übrigens tatsächlich: so, unter anderem, ist Christopher Ecker seinen Recherchen nachgegangen – ist es möglich, die berühmte Stadt auch auf dem Seeweg zu durchreisen, doch es braucht nur eine kleine Drehung des Kopfes, um aus Hammerfest die Rue du Potau zu machen und aus dem Boulevard Ney das Nordkap; wiederum der Nordpol ist das für den Stiel eines Sonnenschirms gefertigte Loch in einem Plastiktisch auf einer Verkehrsinsel.
Nachdem Fahlmann nämlich sein Elternhaus, Sitz des väterlich/onkligen Bestat­tungsungternehmens, verlassen mußte, umziehen also, und deshalb sein Spitzbergen verloren hat, absentiert er sich von seiner Frau, auch von seinem Jungen, nun gerade­zu restlos und kehrt in die Stadt seiner jungen Liebe zurück. Dort will er endlich den Ro­man fertigstellen, dessen Held, der 1910er Bahlow, von Ostafrika allerdings ebenfalls nach Paris gereist ist. So daß es nicht Wunder nimmt, wenn sich die beiden über sämtliche Zeitschranken hin­weg begegnen. Im selben Maß, in dem teils Fahlmann-selbst Züge von Bahlow be­kommt, teils seines Freundes Achim, verwandeln sich die Romanhelden flirrend zu­rück in ihre Urbilder – Palimpseste, aus denen ein früheres Fresko herausschimmert: eben die Menschen aus Georg Fahlmanns „realem“ Um­gang als Ehemann, Vater und gescheitertem Studenten. Doch ist das eben nie sicher und fixiert, fließt seinerseits. Das funktioniert wegen der ständigen Vermischung von Erzählung und Selbstkommentar geradezu organisch und ist alles andere als ein tro­ckenes, abstraktes Verfahren, sondern von einem kräftigen, manchmal bis ins Ka­lauern schäumenden Humor getragen, und zwar auch dann, wenn der durchaus mög­lichen Lesart dieses Buches als eines grandiosen Schelmenromanes eine Verzweif­lung widerspricht, von der sich Fahlmann unbedingt ablenken will. Er ist eben kein Eulenspiegel, der über seine Streiche frei verfügt, sondern bleibt bis zum Schluß, in dem er versinkt, eine verlorene Person: und als meine Augen nicht mehr tränten, blickte ich auf die Uhr, in der ein unbarmherziger Wind blies. Eingewoben dazu finden sich einige durchaus nicht latente Bemerkungen zum Literaturbetrieb und seinen Schiebe- und Schlampereien, die Ecker ganz sicher auch nicht beliebter machen. Mit etwas Glück kann ich die Rezension sogar beim Rundfunk unterbringen. Das ist eine feine Sache. Man nimmt den fertigen Text und streut minutenlang Zitate hinein. Und dann kann man auch die Miete bezahlen. Oder die Leasingraten des Jaguars. Ecker hat immerhin selbst einige Jahre für wichtige Zeitungen als Kritiker gearbeitet und weiß, wovon er spricht. Über die Vergab von Literaturpreisen zum weiteren Beispiel heißt es: Marsitzky – das ist der Lektor des „großen Frankfurter Verlagshauses“ – hat es versprochen. Er verfügte über gute Kontakte. Er zog an allen Strippen. Viele Leute waren ihm einen Gefallen schuldig. Dies aber sind nur Nebenschauplätze, auf denen, weil es sich grad anbietet, abgewatscht wird, was abgewatscht auch gehört.
Wichtiger ist der Umschlag von Stil in psychisches Geschehen, bzw., für Fahlmann, umgekehrt. Es geben sich in die­sem Roman, >>>> Ronald D. Laing hat es vorformuliert, Poetik und Psychose die Hand:


Die sehr bewußten Spaltungen Fahlmanns unterstreichen das noch. Etwa teilt er sich in Fahlmann und Fahlmann auf (im Buch „GF“ und „GF“), deren einer den an­deren interviewt, teils unangenehme Frage stellt, auf die der andere die Antwort bisweilen ver­weigert. Zudem wird mehrfach eine Perspektive eingenommen, in der Protago­nisten des Buches zu Schauspielern auf einer Bühne werden. Da liest man plötzlich ein Drehbuch, in dem es Stimmen aus dem Off und auch Regieanweisungen gibt. Alle erdenklichen literarischen Formen prallen bei Ecker aufeinander, ja es gibt Pas­sagen, die in einer Geheimschrift steht, dem sogenannten „Walgnastanzieni­schen“. Deshalb kann der Leser so wenig wie Fahlmann wirklich auf der Höhe des Textes sein. So daß dessen „Geworfenheit“ sich auf uns überträgt: nicht nur, aber auch ein böses Ziehen an der Nase des sich partout identifizieren Wollens, auf das das „realistische Erzählen“ so unbedingt abzielt.
Wen so etwas düpieren sollte, aber, der wird mit vollen Händen gleich merhfach ent­schädigt: Allein die Bild- und Spracheinfälle Eckers sind schlichtweg fulminant. Nicht nur, daß Mohnbrötchen „rasierte Brötchen“ genannt werden und Pferde selbst­verständlich „schnobern“; auch sind die Stühle einer Gaststätte aus Angst vor dem Besen auf die Tische gesprungen und in dem unversehens zu Afrika gewordenen Paris hän­gen Zweifel (…) über dem Bett wie ein Moskitonetz. Hunderte solcher Einfälle gibt es, vor staunender Achtung kriegt man gar nicht mehr den Mund zu. Trat er auf den meterbreiten Balkon, den es nur gab, wenn sein Zimmer im vierten Stock festgemacht hatte, sah er über sich dunkle Dachgauben […], hohe abweisende und sich doch lückenlos aneinanderdrängende Gebäude, die Köpfe in den Nacken gelegt, und die Zähne mit den Zinkplompen nagen am weichen Himmel. Dieses Zimmer nämlich, es trägt die Nummer fünf, bewegt sich in quasi permanenter Rotation durch das Hotel.
Je weiter der Roman voranschreitet, auf desto weniger ist insgesamt Verlaß. Schon ein anderer großer Romancier, Kazuo Ishiguro, hat in seinem wahrscheinlich bedeu­tendsten Roman damit gespielt: in >>>> The Unconsoled von 1995, einem der für mich grundlegenden Bücher des letzten Jahrhundertendes:


So steht Christopher Eckers „Fahlmann“ in einer breiten, doch im allenfalls geheimen kanonisierten Tradition der großen Menschheitserzählungen. Die hat er inhaliert und führt sie, mit in Deutschland nicht sehr vie­len Kollegen, entschieden fort. Wahrscheinlich ist ihm, weil er eben nicht ganz alleine steht, das Risiko durchaus bewußt, zu Lebzeiten genau so ignoriert zu werden, wie es dem Buch bislang auch geschehen ist. Womit ich zu dem eingangs erwähnten Groß­kritiker zurückkomme, der schon deshalb nicht benannt werden muß, weil er völlig austauschbar ist. Hingegen Autoren wie Christopher Ecker stehen solitär da, eignen sich nicht dafür, daß man sie „entdeckt“, sondern mit allem Recht selbstbewußt zei­gen sie auf sich. Man kann sie so wenig „machen“ wie im darauffolgenden Jahr wie­der entthronen, wenn wieder Platz für das nächste Jahrhundertwerk freigeräumt werden muß. Sie haben auch kein momentan opportunes oder aus historischen Gründen dauerhofiertes The­ma, gehören weder einem „Mainstream“ an, noch kümmern sie sich um marktgängi­ge Jubiläen, sondern schreiben unbeirrbar an der einen großen Literatur fort, die sich korrumpieren nicht läßt. Das, genau das, ist an Christopher Eckers „Fahlmann“ der­art provozierend, daß schon aus Sicherheitsgründen so getan wird, als wäre dieser Roman nie erschienen.
Aber er ist es. Und es liegt nun an Ihnen, ob ihn schon heute viele Menschen lesen werden oder ob er, still und Jahrzehnt um Jahrzehnt, nur von einer Handvoll Einge­weihter weitergereicht werden wird, Generation für Generation. Soferne sie denn eine Rolle noch spielen, die Bücher. Darauf, freilich, die Antwort steht aus.


Christopher Ecker
Fahlmann
Roman
Mitteldeutscher Verlag, Halle
Gebunden mit zwei Lesebändchen,
1025 Seiten, 39,95 EUR
ISBN 978-3-89812-877-3

>>>> Bestellen.


8 thoughts on “Christopher Eckers unheimlicher Großroman F a h l m a n n.

  1. W ä h l e n! Die letzte Kränkung.

    In diesem Frühjahr nun erschien Eckers neuer Roman, ebenfalls im Mitteldeutschen Verlag:

    Auch über dieses Buch werde ich sicherlich schreiben. Es ist immerhin auf die „Hotlist“ zum Buchpreis 2014 der Unabhängigen Verlage gelangt. >>>> Dort können Sie, und ich bitte Sie darum, für Christopher Ecker stimmen. Die deutsche Literaturgeschichte wird es Ihnen eines Tages danken.
  2. Die 11. Feuerbachthese spukt schon lange durch die Literatur: Als Balzac am Abend im Salon der Disput über reale Politik auf die Nerven ging, unterbrach er diesen Disput mit den Worten: „Kehren wir zur Wirklichkeit zurück: mit wem verheiraten wir Eugenie Grandet?!“

    1. Hey – Klasse – …
      – Tom, Du bist nach wie vor einer der durchgeistigten Checker der Kulturgeschichte – und das finden wir hier alle – daisy auch – und dagobert sowieso – nee, geld – höre ich gerade – macht er auch nicht locker – schade …
      .. aber WAS wolltest Du – neben dem blöden Bonmot – denn GENAU zum Ausdruck bringen?

  3. hä? Hallo,

    ist „sei eines der großen Lebensabenteuer der letzten zehn Jahre. Doch für den deutschen Buchpreis eigne es sich nicht, weil es sich nicht verkaufen werde. Der Buchpreis werde nur an potentielle Bestseller verge­ben.“ nicht einfach eine analytische Feststellung?

    Ist „eine Verbeugung bis zu den Knien vor dem Markt“ nicht eine deutlich persönliche, eventuell psychotisch geprägte Interpretation dieser Feststellung?
    Man weiß es nicht.

    Der persönliche Lesegewinn ist – ob obengenannter Fragestellung – längst erfolgt.
    Machen Sie hiermit also, was Sie wollen.

    1. @anonym zu „anonym“: Bei jeder und jedem, die anonym „kritisieren“ oder gar („psychotisch“) übel nachreden, weiß man unmittelbar, mit welcher deutschen Traditionslinie man es zu tun hat. In jedem Fall wäre eine auch sachliche Entgegnung nichts als ins Klosett gesprochen.

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