Ilg & Heral, Parsifal
kam ich spätmittags zurück. Obwohl ich von der Nacht zuvor noch einigermaßen durchmatscht war, es war da einiger Alkohol geflossen und die Häufung ausgelegter gebratener Hähnchen hatte mich trübsinnig, durchaus sentimental erwachen lassen, lief die Bearbeitung der vierten Lektoratstranche im ICE doch ganz gut und ich konnte sie meiner Lektorin bereits zurücksenden. Nur noch eine fünfte, die dieses ersten Durchgangs letzte, steht jetzt aus; danach wird sich der zweite anschließen, der das >>>> Traumschiff endgültig satz- und druckfertig machen wird. Dafür stehe ich ebenso sprungbereit wie für das Kreuzfahrt-Hörstück, das immer noch nicht unter Dach und Fach ist; hab eben noch mal eine Mail an meine Redakteurin geschrieben, obwohl mir dieses ständige Nachdrücken höchst unangenehm ist, weil es mir so wenig entspricht. Wäre diese Produktion nicht unterdessen schon geradezu bizarr (und hinge nicht ökonomisch so viel für mich davon ab), ich machte einen running gag daraus. Andererseits, nun ja, dann leihe ich mir die nötigen Gelder halt von hier und da zusammen, und wenn zum Ende das Honorar schließlich fließt, kann ich‘s gleich am Stück wieder verteilen. Bin jetzt so weit, genau diese Haltung einzunehmen. Sie erlaubt mir zumindest innerlich eine Art von lächelnder Distanz, auch wenn dieses Lächeln nicht ganz ohne Frost ist.
Die Weiterbearbeitung der Triestbriefe muß ich schieben; jetzt soll erst einmal das Traumschiff abgeschlossen sein. Einschieben kann ich zwei Musikkritiken, die geschrieben werden sollten; in einem Fall bin ich es, dessen Arbeit überfällig ist; es geht um >>>> Dieter Ilgs Variationen auf den Parsifal, die Teil einer teils sehr berückenden Jazz-Trilogie sind; über seinen Otello habe ich ja >>>> schon geschrieben, ihrerzeit noch für die FAZ. Und ich habe mit der Lektüre meines zweiten Pfaller-Buches begonnen:
Mal sehen, ob ich heute wieder zum Training komme. Große Lust habe ich keine, aber das ist nach Unterbrechungen fast immer so. Man braucht einfach einen neuen Ansatz, damit sich die Routine wieder herstellen kann.
Der Tag ist leider grau in Berlin. Du dafür, in Deinem Triest, hast durchgehend Sonne – was ich als einen versöhnlichen Ausgleich empfinde. Ich stell mir einfach vor, wieder, Deine Hand in meiner, durch den Farneto zu spazieren:
A.
10.16 Uhr.
So, >>>> steht jetzt drin. Aber was habe ich, Liebste, für ein Glück, mit einer Lektorin arbeiten zu dürfen, die noch auf Form wertlegt und weiß, daß sie aufzugeben bedeutet, uns um Möglichkeiten zu berauben. Etwa geht es bei der Diskussion >>>> dort, die mich gerade in meinem Vorhaben, die Musikkritik zu schreiben, aufgehalten hat, um etwas ausgesprochen Wesentliches, ja Wesenhaftes. Die zunehmend erfolgreiche Politik, eine gängige, sich mehr und mehr einschleifende Praxis als Kriterium der allgemeinen Norm zu verstehen, befreit uns nicht, wie unter der Berufung auf eine „Demokratisierung“ behauptet wird, sondern verarmt uns, und zwar auch und gerade individuell. Denn das auf diese Weise fetischisierte Subjektive wird restlos abstrakt, zumal es sich überhaupt erst an einem Objektiven, nämlich Form, behaupten könnte. „Eine intime Kultur, die nur das dulden kann, was sich zur vollen Identifizierung eignet, hat keinen Platz für Dinge, die nur reizvoll sind, wenn sie ein wenig unanständig bleiben und in Distanz vom Ich erlebt werden können“, Pfaller S. 94.
Hierhin gehört auch die Abwehr des Geniebegriffs, der ja, wie ich schon verschiedentlich schrieb, Ausdruck einer Emanzipation der Künste gewesen ist. Nicht nur aber, daß wir ihr erkämpftes Autarkes anheimgeben, nein, es gilt auch: Genium suum defraudare, übersetzt nämlich „sich das Leben vergällen, sich selbst betrügen“ (Giorgio Agamben, zit.n. >>>>> Pfaller S. 88).