Am letzten Tag vor dem Traumschiff das siebente Parisjournal; gestern wäre es nicht nur ein Sonntags-, sondern Laonjournal geworden (wir kamen zur Kathedrale aber nicht mehr hinauf). – Montag, der 10. August 2015.


[Sur les toils de Clichy,
7.10 h]



Das alliterierende Wort-, bzw. Klangspiel von „Sonntag“ auf „Laon“ versteht nur, wer weiß, daß die kleine, im Hochmittelalter berühmte Stadt „Lo:n“ ausgesprochen wird, das „o“ nasaliert. Die oberhalb auf einer gestreckten Hügelkette gelegene Kathedrale (ich werde >>>> gleich nachlesen) beherrscht das Stadtbild, sowie man nur aussteigt; Laon besaß eine der ersten Universitäten überhaupt, erzählte >>>> Prunier, bis die Stadt im 16. Jahrhundert niederging; besonders der frühen Naturwissenschaften wegen habe man hier studieren wollen.
>>>> Kiehl und ich trafen uns früh an der Gare du Nord und kämpften mit zwei Automaten; eine „klassische“ Schalterhalle ließ sich in unsrer Zeitkürze in diesem Bahnhof nicht finden. Wir blickten in vielen lichten, fruchtbaren Wald; es gibt auf der Strecke domhafte Buschungen, die zu Kuppeln aufgewachsen sind. Wer konnte sagen, was drunter lebte? Hinter ihnen, in bereits blassem Gelb, das halbe Reservoir ausgestreckt für ein Viertel aller Pariser Montagsbaguettes, auf denen hie wir dort, unbeweglich wie Ringelnatzens, ein Reh stand. Auffällig sind die schneeweißen und die falben Kühe. Schon Soissons, fast warn wir da.
Seltsam berührend, wie sehr Laons Bahnhof dem von Orte Scalo gleicht, von dem >>>> Parallalie mich immer abholt und wohl auch dieses Mal wieder abholen wird; nur daß dort eben Prunier stand. Ich bin vorher nie bei ihm gewesen, er kam stets nach Paris.
Seine eindrückliche Frau stellte sich gleich mit Vornamen vor, und Kiehl ist unbefangen: So kam es denn (endlich, wohl) auch zwischen meinem Übersetzer und mir zum Du.
Es ging wie im Fluge, alles. Er hatte den ersten Absatz bereits übersetzt; meine Idee war gewesen, ihn seinen Text sprechen zu lassen und ihn dabei auf Video mitzuschneiden, damit ich den Clip morgen einstellen kann, wenn das >>>> Traumschiff offiziell erscheinen und in den Buchläden liegen wird. Ich hab es auch nach wie vor vor, werde die Aufnahme schon zurechtschneiden heute. Für gestern montierte ich nach meiner Rückkehr einen völlig anderen, eine Art von >>>> dokumentarischem Clip, der indessen (von den Nachweistafeln abgesehen) nicht kommentiert wird, sondern bloß ein wenig die Stimmung des Tages wiedergeben soll, vor allem die auch gestische Schönheit seiner Dialoge, worin die leise Leidenschaftlichkeit ihren Ausdruck findet, die berührten Menschen eigen: Ästhetik der Beseelung. (Nie vergessen, freilich, daß Ästhetik eigentlich die Oberfläche meint und in der Kunst: wie sich in ihr die Tiefe spiegelt, bzw. sie sich in sie hinaufspiegelt – liebevolle Naivetät, freilich, die meint – und eben das genießt -, daß deshalb Güte schön sei. Aller Humanismus, wenn er sich formt, fließt da, ob konfessionell oder nicht, als Glaube zusammen.)
Selbstverständlich bin ich nervös: Wie wird das neue Buch aufgenommen werden? Prunier nennt es „sanft“: „Niemand wird mehr angegriffen.“ Die politischen Fragen treten zurück. Was selbstverständlich mit dem Thema zu tun hat; ich bin geneigt, von ‚natürlich‘ zu schreiben. Auch er sieht in dem Buch den Humor, der für mich selbst nie auffällig war, nicht über mein sonst „übliches“ „Maß“ hinaus. Doch die harten Kanten, ja klaffenden Felswände des Weltgeschehens sind durchlässig geworden: aufgeweicht vom horizontweiten Meer.
So plauderten wir.


Mit Prunier im Garten, Laon en Août, 2015e.
Aßen.
Tranken und rauchten.
Der Abend senkte sich in den Nachmittag – unmerklich aber, weil alles lange noch hell blieb. Nur die Armbanduhr mahnte. Zur Kathedrale hinauf sind wir nicht mehr gekommen.
Umarmungen, Hände. Die Rückfahrt war wie von zuhause nachhause.

Nun wieder Paris, nun wieder Die Brüste der Béart. Eine Glocke läutet zur Messe über die Dächer Clichys. Ich will ins Café, das >>>> Wieserbücherl wartet. Geschrieben gestern hab ich nix.

(17.18 Uhr)
Immer noch nix. Aber >>>> die erste Kritik ist gesendet worden, von Carsten Otte in den Kulturnachrichten des SWR.

6 thoughts on “Am letzten Tag vor dem Traumschiff das siebente Parisjournal; gestern wäre es nicht nur ein Sonntags-, sondern Laonjournal geworden (wir kamen zur Kathedrale aber nicht mehr hinauf). – Montag, der 10. August 2015.

  1. Mein Vater nach seiner Pensionierung, übersetzte ebenfalls. Seinem beruflichen Hintergrund entsprechend größtenteils Stoffe, die wie das Traumschiff auf See spielten. Da waren bei Ullstein und Heyne so saftige Titel wie “Kaptainsgarn” oder “Der Sturm” dabei.
    Im Gespräch mit Monsieur Prunier gestern erinnerte ich mich, wie mein Vater manchmal ganz animiert aus seinem Arbeitszimmer kam, um ein Wort oder eine Redewendung zu diskutieren. Ich mochte solche Gespräche immer sehr, dieses gemeinsame Sprachtasten, die Suche nach Entprechungen.
    Mit Prunier machte das gestern besonderen Spaß, weil er (im Vergleich zu Leuten, die ich nennen könnte, *grins*) langsam und mit Lust an kleinen Pausen formuliert. Das war ein schöner Nachmittag. Nach Laon komme ich jederzeit gerne wieder mit, Monsieur ‘erbst.

  2. impec Merci Phyllis ! Ein echtes Gespräch mit Pausen, zuhören, ein Wunder. Sowas kann in Laon passieren. Kommt bitte schnell wieder !
    Alles was Monsieur ‘erbst sagt, stimmt genau. Danke für den stark beeindruckenden Besuch.

  3. Keine Sorge Herr Herbst, so böse bin ich nicht, ich wollte sie nur etwas ärgern, Ihr Buch habe ich selbstverstäbndlich bei Buecher.de bestellt

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