Prima Ameriana, 14 agosto 2014. Venerdì.


[Traumschiffs Kaminplatz,
10.12 Uhr]


So schnell wie gestern bekam ich mein Gepäck noch nie in Fiumicino zurück, und so schnell war ich noch nie vom Gepäckband am Gleis der FS; noch schneller saß ich im Regionale. Den Umweg über Roma Termini sparte ich mir, weil der Flieger eh so spät aus Paris loswar und ich bei meiner Ankunft in Orte, wo der Freund auf dem Bahnsteig warten würde, das nächste Video fertighaben wollte, zu dem ich einige Bilder aber eben erst auf dieser Fahrt aufnehmen konnte. Was ich inszenieren wollte, hatte ich abends zuvor in Clichy schon gewußt. Und so sah es dann aus, einen kleinen Film während der Zugfahrt zu schneiden:


Herausgekommen ist >>>> einer der bisher, finde ich, schönsten Clips.
Viel viel Wein dann am Abend, und morgens um sieben Pound mit Caffè auf den Stufen:
Whence we have carved it in metal
Here working in Caesar‘s fane:
       To the Prince Caesare Borgia
        Duke of Valent and Aemelia
… and here have I brought cutters of letters
and printers not vile and vulgar

in der Tat von diesem Amelia ist die Rede, quasi dem meinen, so daß ich im Versmaß, als ich am Gasherd für den Espresso stand, dachte, Was, Freund, atmen wir ein?und zwei weitere Verse, die sich aber verdunstet haben, weil es so warm ist,
aber, Freund, doch nicht deshalb allein!
Die Gedanken fließen oder sintern, ich saß im Flugzeug wieder, war nach dem Starten eingeschlummert und kam direkt über der Isola del Giglio wieder zu mir, a u c h so ein Wort: augenweit Meer – und (muß ich unbedingt meiner Lektorin schreiben): „Wienereien“ – Viennoiseries, gelesen an Charles de Gaulle: süßes Gebäck dürfte gemeint sein… jupp, im Italienischen: pasticceria
wie Pounds poetisches Unternehmen die Zusammenführung der Weltgeschichte war, eine rhythmisierte Bündelung im Nu seiner unmittelbaren Gegenwart, wozu es ein hübsches Detail ist, daß die Zugfahrt nach Orte genauso lange dauerte wie der Flug von Paris nach Roma Fiumicino. „Eine Tagesreise entfernt“ war einst die Angabe einer Entfernung, wobei, „Entfernung“ hieße doch, daß die Ferne aus etwas herausgenommen wird, so, wie Enttäuschung die Täuschung beendet. Sollte man meinen. Freilich können Enttäuschungen i r r e n; dann stellen sie die Täuschung erst überhaupt her.
Kein Verlaß ist. Doch hier auf die Sonne. Dennoch führt der Tiber erstaunlich viel Wasser für den August. Ich war überrascht. Geröstete Pistazien, die flachen, noch nicht recht reifen Bergpfirsiche, Walker‘s Shortbread, und im Cortile trägt die Passionsranke Früchte: wie faltenlose Hodenbeutel sehn sie aus; ich könnte auch sagen: wie pastellgelbe Eier im Osterstrauß – ein in den Sommer hinübergebärdeter Frühling:



Jedes Mal die Schwierigkeit, wenn Pound auf Griechisch schreibt. Auch hemmen die vielen lateinischen Sätze mein präzises Verständnis. Dazu Französisches, dazu Italienisch. Ein Dichter, der heute so schriebe, würde nicht gelesen werden. Und wer zum Beispiel sind Xariten: „Xarites, born of Venus and wine“ – ?

5 thoughts on “Prima Ameriana, 14 agosto 2014. Venerdì.

  1. Charité: >>>> Parallalie hat‘s gefunden. „Du mußt nur wissen, daß ‚X‘ für ‚Ch‘ steht – und also – : – “

    – ich kopier es hier hin:

    Die Chariten (Χάριτες Chárites, Singular Charis) sind in der griechischen Mythologie Göttinnen der Anmut, die mit Aphrodite in Verbindung stehen. Sie entsprechen in der römischen Mythologie den drei Grazien, gratiae.
    Daran zu denken, wie oft man meine Texte „bildungsüberfrachtet“ genannt hat. (Ich sollte ein Gedicht zu wurzellosen Pflanzen schreiben, die jeder Windhauch versetzt: das Produktionsideal unserer Ökonomie. Allein noch das USAnglische wird in die deutsche Dichtung eingebaut; es gibt die zweisprachige Einsprachigkeit, aus der auch das „zwei“ sich in Bälde hinausstreicht.)

  2. Neuester Clip Große Klasse! Wo kommt denn die Musik her? Da wird doch nicht in der Eisenbahn jemand Geige gespielt haben? Es klingt ganz so. Sehr schön das Gedicht dazu.

    1. @Cellofreund zur Clipmusik. Ich hatte schlichtweg das Glück, daß in der Pariser Métro ein Bettelmusikant einstieg, der auch prompt loslegte und wirklich spielen konnte. So mußte ich nur noch Video- und Musikspuren trennen und hatte die beste Überleitung von Frankreich nach Italien, die ich mir wünschen konnte. Ein ähnliches Glück hatte ich >>>> dort schon gehabt.
      Mit einkopierter Musik zu arbeiten, ist in aller Regel ein Urheberrechts- und damit, für mich, finanzielles Problem, besonders dann, wenn ökonomische Vertreter im ja auch durchaus berechtigten Spiel sind. Komponiere ich ein Hörstück für die großen Sendeanstalten und füge Musiken ein, wird das über Verträge etwa mit der GEMA geregelt. Bei Straßenmusikanten ist es hingegen höchst fraglich, ob sie Verwerterverträge geschlossen haben. Ein kleines Risiko bleibt – aber es ließe sich ja überhaupt keine klangliche Dokumentation unserer Welt mehr inszenieren, wäre alles (was es fast schon ist) monetarisiert.

    2. Clipmusik Danke für die Info. Das ist bestimmt kein Fall für. die GEMA. Bewundernswert, was Sie mit dieser transportablen Technik hinkriegen. Sehr schön.

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